Stellvertretender Ministerpräsident unter Wallmann Früherer FDP-Chef Wolfgang Gerhardt ist tot
Im Alter von 80 Jahren ist der frühere FDP-Chef Wolfgang Gerhardt in Wiesbaden gestorben. Der Liberale war jahrzehntelang für seine Partei auf Landes- und Bundesebene prägend. Ministerpräsident Rhein würdigte ihn als Brückenbauer.
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner teilte im Auftrag der Familie mit, Gerhardt sei am Freitagmorgen in Wiesbaden gestorben.
"Er war nie ein Machtpolitiker, sondern blieb auch in Spitzenpositionen ein belesener, feiner und großzügiger Mensch. In einer schwierigen Phase unserer Geschichte hat er die FDP zusammengehalten und wieder aufgerichtet", erklärte Lindner in einer ersten Würdigung. "Wir sind ihm zu großem Dank verpflichtet."
Von 1998 bis 2006 war der im osthessischen Ulrichstein-Helpershain (Vogelsberg) geborene FDP-Politiker Fraktionschef seiner Partei im Bundestag, von 1995 bis 2001 hatte er den Bundesvorsitz der FDP inne. 1965 trat er in die FDP ein.
Stellvertretender Ministerpräsident unter Wallmann
Dabei machte Gerhardt zunächst politische Karriere in seiner hessischen Heimat. Von 1978 bis 1994 gehörte er dem Landtag in Wiesbaden an, im Jahr 1982 übernahm er den Landesvorsitz seiner Partei.
1987 wurde der studierte Erziehungswissenschaftler Wissenschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident und führte seine Partei in eine Regierung mit der CDU unter Ministerpräsident Walter Wallmann (CDU).
1991 übernahmen SPD und Grüne in Hessen die Regierung mit Ministerpräsident Hans Eichel. Gerhardt wechselte 1994 in den Bundestag.
Ab 1995 stand er sechs Jahre lang als Bundesvorsitzender an der Spitze seiner Partei. Sein Ziel, Außenminister zu werden, erreichte er jedoch nicht, weil Schwarz-Gelb bei der Bundestagswahl 2002 keine Mehrheit erhielt.
Ein Jahr zuvor hatte Gerhardt bereits den Parteivorsitz an seinen FDP-Kollegen Guido Westerwelle verloren, später auch den Fraktionsvorsitz.
Gerhardt leitete Friedrich-Naumann-Stiftung
2006 übernahm Gerhardt den Posten als Vorstandsvorsitzender der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. 2011 erhielt er die Wilhelm-Leuschner-Medaille, die höchste Auszeichnung des Landes Hessens.
"Wolfgang Gerhardt hat zeit seines Lebens für Eigenverantwortung und unabhängiges Urteilsvermögen geworben. Faire Bildungschancen waren ihm ein Herzensanliegen", betonte Lindner am Freitag.
Stark-Watzinger: Gerhardts Arbeit war "wegweisend"
Auch in Hessen würdigten Politiker Gerhardts politische Arbeit auf Landes- und Bundesebene. Bettina Stark-Watzinger, hessische Landesvorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, bezeichnete diese als wegweisend.
"An ihm haben sich über die liberale Familie hinaus Menschen orientiert. Er war ein Mann mit Geist, Verstand und klarem Kompass, den er niemals verloren hat", teilte Stark-Watzinger mit. Er habe Nachfolger in der Partei "immer gewähren und ihren eigenen Weg finden lassen", betonte die FDP-Politikerin, "aber er war immer da, wenn man ihn brauchte".
Stefan Naas, FDP-Fraktionsvorsitzender im Landtag, teilte mit: "Wir verlieren einen großartigen Liberalen, einen feinen und gebildeten Menschen. Sein tadelloser Charakter war beeindruckend, seine Reden überzeugend und mitreißend."
Rhein würdigt Einsatz für "pluralistische Gesellschaft"
Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) bezeichnete Gerhardt als einen "herausragenden" Politiker, der sich "mit Leidenschaft und Hingabe" für die Belange der Gesellschaft eingesetzt habe.
"Er hat es verstanden, Brücken zu bauen und unterschiedliche Meinungen zusammenzuführen. Sein Einsatz für eine pluralistische Gesellschaft und ein besseres Deutschland wird uns fehlen", teilte Rhein mit.
Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU) erinnerte in ihrer Mitteilung an einen "begabten und wortgewandten Politiker". "Seine zugewandte Art war vielen, auch mir, ein Vorbild und sein Tod hinterlässt eine große Lücke", sagte sie. Hessens Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) äußerte sich ähnlich: Gerhardts Stimme im Einsatz für die Demokratie werde fehlen.