Hanau-Untersuchungsausschuss Emotionale Sitzung zur Obduktion der Opfer erwartet

Ein sensibles Thema beschäftigt den Hanau-Untersuchungsausschuss an diesem Freitag. Die Angehörigen warten immer noch auf Antworten auf die Frage, ob die Obduktionen korrekt verlaufen sind.

  • Link kopiert!
Audiobeitrag
Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)| zur Audio-Einzelseite
Ende des Audiobeitrags
Audiobeitrag
Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)| zur Audio-Einzelseite
Ende des Audiobeitrags

Wer hat die Obduktionen der Opfer in Auftrag gegeben, und warum wurden die Angehörigen vorher nicht gefragt? Auf diese Fragen warten die Hinterbliebenen des rassistischen Anschlag von Hanau schon seit einigen Sitzungen im Untersuchungsausschuss des Landtags.

Bereits im Frühjahr 2022 wurde die in der Tatnacht zuständige Oberstaatsanwältin dazu befragt. Sie verweigerte allerdings die Aussage. Zur Begründung sagte sie, dass ein entsprechendes Dienstaufsichtsverfahren gegen sie noch nicht abgeschlossen sei.

Konnten sich die Angehörigen von den Toten verabschieden?

Im November wiederum sagte ein Frankfurter Rechtsmediziner aus, verteidigte das Vorgehen bei den Obduktionen und sprach von Routine. Der Zeuge berichtete außerdem, dass es ein Angebot an die Hinterbliebenen gegeben habe, sich von den Toten zu verabschieden. "Die Angehörigen sagen aber, dieses Angebot hat sie nicht erreicht", berichtete der Ausschussvorsitzende Marius Weiß (SPD): "Das wird ein Punkt sein, den wir klären müssen: Wo ist diese Informationen möglicherweise hängen geblieben?"

Aufschluss erhofft sich Weiß von den drei Zeugen, die an diesem Freitagvormittag vor den Untersuchungsausschuss geladen sind: ein Polizeihauptkommissar, ein Rechtsmediziner und Marcel Verhoff, der Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt.

Während die ersten beiden Zeugen von ihrer Arbeit in der Einsatznacht berichten sollen, ist Verhoff als unabhängiger Sachverständiger geladen. Er soll dazu aussagen, ob auf die Zustimmung der Angehörigen zu warten gewesen wäre, und darüber, ob es bei der Durchführung der Obduktionen aus seiner Sicht Fehler gegeben habe.

Vater traumatisiert von Anblick des toten Sohnes

Nach Aussage von Weiß gibt es mehrere Vorwürfe von Seiten der Angehörigen. Zum einen soll im Arm eines der Opfer noch eine Injektionsnadel gesteckt haben, als die Angehörigen dazukamen. In einem anderen Fall soll eine Leiche mit Frischhaltefolie umwickelt gewesen sein, weil sie angeblich nicht richtig zugenäht war.

"Diesen Vorwürfen werden wir nachgehen", versichert Weiß. Er erwarte eine emotionale Sitzung, da das Thema für die Angehörigen sehr sensibel sei. Armin Kurtović, der Vater des getöteten Hamza Kurtović, hat bereits mehrfach berichtet, wie sehr der Anblick seines Sohnes nach der Obduktion ihn traumatisiert habe.

Akten des Generalbundesanwalts sind eingetroffen

Die neuen Akten des Generalbundesanwalts (GBA) könnten dabei behilflich sein. Erst am Montag gab das Bundesverwaltungsgericht bekannt, dass der Ausschuss alle Akten des GBA, darunter Obduktionsberichte und toxikologische Gutachten, ohne Schwärzungen bekommen soll. Der Ausschussvorsitzende Weiß sagte dem hr am Donnerstag, inzwischen seien sie angekommen und auch an die Ausschussmitglieder verteilt worden.

Für die Angehörigen seien die offenen Fragen nach wie vor drängend, sagt Hagen Kopp von der Initiative 19. Februar. Vor allem die fehlende Kommunikation seitens der Behörden belaste sie. Wie viele der Hinterbliebenen bei der Ausschusssitzung am Freitag auf den Zuschauerrängen Platz nehmen werden, wisse er nicht, so Kopp. Wegen des schweren Erdbebens in der Türkei sei die Sorge um Angehörige dort gerade sehr groß.

Täter schon 2017 auffällig geworden?

Drei weitere Zeugen sollen am Freitagnachmittag zu einem anderen Themenkomplex befragt werden. Es geht dabei um die Frage, ob der spätere Attentäter bereits 2017 auffällig wurde. Damals riefen junge Männer - einer von ihnen wird am Freitag befragt - die Polizei, weil in der Nähe des Jugendzentrums in Hanau-Kesselstadt ein Mann mit Sturmgewehr und Tarnanzug sie bedroht habe.

Hier steht der Vorwurf im Raum, dass die Polizei die Jugendlichen nicht ernst nahm. Die zuständige Polizeikommissarin wird am Freitag dazu Rede und Antwort stehen müssen.

Ganz so locker hat die Polizei anscheinend den Vorfall damals allerdings nicht genommen, denn zeitweise ermittelte der Generalbundesanwalt in der Sache. Der zuständige Ermittler des Bundeskriminalamts soll am Freitag als letztes aussagen.

Die Verbindung zwischen dem Vorfall 2017 und dem Attentäter vom 19. Februar 2020 tauchte im Übrigen erst auf, als bei ihm nach dem Anschlag entsprechende Gegenstände und Kleidungsstücke gefunden wurden, auf die die Beschreibung der Jugendlichen passte. 

Abschlussberichte bis Sommer

Den parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Anschlag von Hanau, bei dem neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen wurden, gibt es seit Sommer 2021. Das Gremium soll klären, ob es vor, während und nach der Tat zu einem Behördenversagen kam.

Bislang sind Sitzungen bis Ende Mai angesetzt. Der Ausschussvorsitzende Marius Weiß glaubt aber, es könnte noch Sitzungen im Juni geben. Bis zum Sommer sollen entsprechende Abschlussberichte der Landtagsfraktionen zu den Inhalten der Untersuchungen vorliegen.

Weitere Informationen

Sendung: hr-iNFO, 10.02.2023, 8 Uhr

Ende der weiteren Informationen

Quelle: hessenschau.de