AfD Hessen nominiert Bundestagskandidaten Jubellaune und ein bitterböses Duell

Mit dem Hochgefühl jüngster Wahlerfolge und dem russlandfreundlichen Bundestagsabgeordneten Jan Nolte an der Spitze zieht die Hessen-AfD in die Bundestagswahl 2025. Auf dem Nominierungsparteitag freute sich ein Kandidat, seine innerparteiliche Intimfeindin "gekillt" zu haben.

Jan Nolte
Jan Nolte beim AfD-Landesparteitag in Hofheim am Taunus Bild © picture-alliance/dpa
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Erst wurde gejubelt, dann Anlauf zum nächsten angestrebten Erfolg geholt: Mit dem Hochgefühl der Landtagswahlergebnisse von Sachsen und Thüringen im Rücken und mit rund 1.500 Gegendemonstranten vor der Veranstaltungshalle, hat die hessische AfD ihre Kandidaten für die Bundestagswahl 2025 gewählt.

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AfD bestimmt Landesliste für Bundestagswahl

Klatschende AfD-Mitglieder
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Beim Nominierungsparteitag am Samstag in der Stadthalle in Hofheim (Main-Taunus) wurde der Bundestagsabgeordnete Jan Nolte erwartungsgemäß zum Spitzenkandidaten gekürt. Für den 35 Jahre alten Ex-Soldaten stimmten 94 Prozent von 285 Delegierten.

Bitterer Tag für Harder-Kühnel

Schwer wurde der Tag für die Bundestagsabgeordnete und zweimalige hessische AfD-Spitzenkandidatin Mariana Harder-Kühnel. Die 50-Jährige aus Gelnhausen (Main-Kinzig) verlor gleich zwei Kampfkandidaturen um die Listenplätze drei und vier gegen bislang außerhalb der AfD kaum bekannte Mitarbeiter eines innerparteilichen Intimfeindes und Fraktionskollegen in Berlin: des Gießener Bundestagsabgeordneten Uwe Schulz.

Schulz freute sich über seinen Demontage-Coup so laut, dass man als Umstehender auch ohne gespitze Ohren hören konnte: "Wir haben die Harder-Kühnel gekillt, endlich."

Mit Höcke im Bild

Der neue Spitzenkandidat Nolte war vor Jahren Landesvorsitzender des Parteinachwuchses der Jungen Alternativen (JA), die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird und über deren Auflösung die Partei nachdenkt.

Jan Nolte, Spitzenkandidat der Hessen-AfD für die Bundestagswahl, am Pult des Parteitages
"Es kommt der Tag...": Jan Nolte, Spitzenkandidat der Hessen-AfD für die Bundestagswahl Bild © hr

Mit russlandfreundlichen Positionen trat er auch in Putin-nahen Medien auf. Und er zeigte sich wiederholt öffentlich mit Björn Höcke, dem AfD-Landesvorsitzenden in Thüringen und Chef des offiziell aufgelösten völkischen Flügels der Partei.

Nolte: "Hysterie gegen" die AfD

Mit markigen Worten vor allem zur Migrationspolitik kündigte Nolte einen Siegeszug seiner in Teilen rechtsextremen Partei an, die vor einem Jahr bei der Landtagswahl in Hessen zweitstärkste und vor einer Woche in Thüringen stärkste Kraft wurde. "Es kommt der Tag, da werden die Linken unseres Land zusehen müssen, wie wir die Grenzen unseres schönen Deutschlands wieder schützen", sagte er.

Eine "Hysterie" gegen seine Partei machte Nolte aus und verwies dabei aufs Ausland. In anderen Staaten regierten "Schwesternparteien" bereits mit, diese Länder seien noch immer Demokratien.

Liste verlängert

Mit der Schlussfolgerung aus den jüngsten Wahlergebnissen, "die Hasspropaganda gegen die AfD ist wirkungslos", hatte Co-Landeschef Andreas Lichert gleich zu Beginn den viel beklatschten Ton der Versammlung gesetzt. Die Gegendemonstranten vor der Halle, denen ein Großaufgebot der Polizei gegenüberstand, nannte er "ein paar verblendete und verhetzte Kinder". Zu diesen zähle er auch teilnehmende Omas, fügte er unter Gelächter im Saal hinzu.

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Die meisten Delegierten waren den Buh-Rufen und "Nazis-raus"-Sprechchören der AfD-Gegner aus dem Weg gegangen. Sie wurden in Sammelbussen zum schwer bewachten Hintereingang gelotst. Drinnen kündete dann schon die Länge der Landesliste für die Bundestagswahl vom Optimismus der Partei.

AfD Hessen erhofft sich mehr Mandate

Fünf von insgesamt 83 AfD-Mandaten fielen dem hessischen Landesverband bei der Wahl 2021 zu. Vier sind es nach dem Austritt der Gießener Politikerin Joanna Cotar derzeit noch: Neben Nolte, Schulz und Harder-Kühnel hat der 82 Jahre alte Albrecht Glaser einen Sitz inne. Doch er tritt nicht wieder an.

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Mit bis zu zehn Mandaten erhoffte man sich bei der Hessen-AfD zuletzt intern im künftigen Bundestag mehr Sitze als bisher – auch wenn das Parlament nach einer Wahlrechtsreform kleiner werden soll. Um auf ein vielleicht sogar noch besseres Ergebnis vorbereitet zu sein, verlängerte die hessische AfD unter dem Eindruck der Landtagswahlergebnisse in Ostdeutschland ihre Kandidatenliste sicherheitshalber. Statt wie zunächst vorgesehen 15 sollen auf der Liste 20 Namen stehen, wenn der Nominierungsparteitag am Sonntag endet.

Bei der Bundestagswahl 2021 kam die AfD in Hessen auf 8,8 Prozent, bundesweit auf 10,4 Prozent. Bei der Landtagswahl im vergangenen Herbst erreichte sie 18,4 Prozent.

Appell zur Geschlossenheit und ein Grabenkampf

Innerparteiliche Abrechnungen auf offener Bühne gab es anders als bei früheren Gelegenheiten nicht auf diesem Parteitag. Trotzdem appellierte Spitzenkandidat Nolte an die Delegierten, die Partei müsse neben einem klaren inhaltlichen Kompass auch innerparteiliche Geschlossenheit aufweisen. Das Manöver von Schulz gegen Harder-Kühnel zeigte, dass dies nicht grundlos geschah.

Der Gießener landete mit 85 Prozent zwar unangefochten auf Platz zwei. In einem langen Gerangel um die folgenden Plätze zeigte sich aber, dass dies nicht sein einziges wichtiges Ziel war. Die Vorgeschichte: Seit Jahren liefert sich der 62-Jährige mit seiner Gelnhäuser Fraktionskollegin Harder-Kühnel eine heftige Auseinandersetzung. Zurzeit wird das auch vor Gericht ausgetragen – weil er seine Fraktionskollegin einem früheren Parteitag angerempelt und beschimpft haben soll.

Auch Schulz-Zögling vor Harder-Kühnel

Den direkten Showdown vermied Harder-Kühnel zwar und trat nicht gegen Schulz an. Trotzdem steckte sie die bittere Niederlage ein. Die 50-Jährige, die als vergleichsweise gemäßigt gilt, bewarb sich zunächst um Platz drei. Dort zog sie nach mehreren Durchgängen am Ende gegen Robin Jünger den Kürzeren. Er ist der persönliche Referent von Schulz, der sich so hörbar freute, seine Kontrahentin durch diese Abstimmungsniederlage zur Strecke gebracht zu haben. Doch sein Triumph ging noch weiter.

Auch bei ihrer Bewerbung um Platz vier fiel die Gelnhäuserin gegen einen Schulz-Zögling durch: Dessen Büroleiter Julian Schmidt gewann. Enttäuscht hatte Harder-Kühnel den Saal schon verlassen, als sich schließlich auch die Fuldaer Europaabgeordnete Christine Anderson über einen Mitarbeitererfolg freuen konnte. Pierre Lamely, in Diensten der Höcke-Vertrauten aus Fulda, ist Fünfter der Liste. Er kann sich ebenfalls sicher fühlen, bald Abgeordneter in Berlin zu sein.

Niemand erwähnt Müger

Ein Name fiel an diesem Tag in keiner einzigen Rede – der des Landtagsabgeordneten Maximilian Müger. Am Tag zuvor hatte die Landespartei mitgeteilt, dass der 31-Jährige aus Partei und Fraktion nach ersten Maßnahmen gegen ihn von sich aus austritt. Müger hatte auf TikTok kurzzeitig ein Video veröffentlicht, auf dem er mit dem Sturmgewehr in der Hand zum Kampf gegen die Migrationspolitik aufrief und dann drei Schüsse abfeuerte.

Damit hat die AfD-Landtagsfraktion knapp sieben Monate nach Beginn der neuen Legislaturperiode nur noch 25 von ursprünglich 28 Mandaten. Der Abgeordnete Sascha Herr war wegen bekannt gewordener Neonazi-Kontakte nicht in die neue Fraktion aufgenommen worden. Später war der gelernte Polizist Dirk Gaw ausgetreten. Als Begründung hatte er die Radikalisierung der Gesamtpartei angeführt und seinen Status als Beamter.

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de