Finanzminister Lorz legt Nachtragsetat vor Hessen plant milliardenschwere Neuverschuldung

Steuerausfälle, Kapital für die Landesbank: Die schwarz-rote Regierung in Hessen will dieses Jahr neue Kredite über 2,8 Milliarden Euro aufnehmen. Trotz einer Vergrößerung des Kabinetts stehe bei den Personalkosten aber die schwarze Null. Ein Märchen, sagen die Grünen.

Hessischer Haushalt: Neue Schulden trotz Überschüssen
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Finanzminister Lorz legt Nachtragsetat vor

hs 23.05.2024
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Krisen, Wirtschaftsflaute, Fachkräftemangel: Bei den "goldenen Jahren der Haushaltspolitik", von denen Hessens Finanzminister Alexander Lorz (CDU) am Donnerstag in Wiesbaden sprach, verwendete er die Vergangenheitsform.

Folgen der Entwicklung zeigen sich demnach bereits im Entwurf des Nachtragsetats, den der Minister für die seit Januar amtierende CDU/SPD-Regierung präsentierte. Er sieht eine Neuverschuldung in Höhe von gut 2,8 Milliarden Euro vor.

Lorz‘ Vorgänger hatte im vergangenen Jahr noch eine schwarze Null verbucht. Nun schlagen sich als neue Kreditlast nicht nur zwei Milliarden Euro nieder, die das Eigenkapital der Landesbank Heleba stärken sollen. Weitere 800 Millionen Euro sollen Ausfälle bei den Steuereinnahmen ausgleichen.

Minister: Es wird anstrengender

Das "bittere Ergebnis der Mai-Steuerschätzung", von dem der Finanzminister berichtete, geht von Steuerausfällen in Höhe von 2,7 Milliarden Euro bis 2027 aus. "Da werden wir unseren Geist zunehmend anstrengen müssen, um die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen", sagte Lorz.

Die Neuverschuldung sei unvermeidlich. "Sie steht jedoch im Einklang mit den Regeln der Schuldenbremse." Das in der Landesverfassung verankerte Verschuldungsverbot lässt je nach Konjunkturlage begrenzte Ausnahmen vor. Außerdem sieht Lorz Einsparungen und einen Griff in die Rücklage des Landes vor.

Mehr Geld für Versorgung von Geflüchteten

Unvermeidlich sind nach Angaben des Finanzministers höhere Ausgaben unter anderem für die Versorgung der gestiegenen Zahl an Geflüchteten. 440 Millionen Euro mehr als bisher werden dafür im laufenden Jahr veranschlagt.

Die Entwicklung schlägt sich auch im Posten "Grunderwerb" nieder: 130 Millionen Euro sind unter anderem für neue Erstaufnahmeeinrichtungen gedacht.

Hessengeld für Hauskäufer schlägt zu Buche

Die Spielräume zur Verwirklichung erster von CDU und SPD geplanter Schwerpunkte nach zehn Jahren Schwarz-Grün sieht der Finanzminister trotz der angespannteren Finanzlage. Er nannte in erster Linie rund 51 Millionen Euro für ein bereits vorgestelltes Sofortprogramm.

Ein großer Posten darin ist das Hessengeld mit Zuschüssen für Menschen, die erstmals Grunderwerbssteuer für eine selbstgenutzte Immobilie zahlen müssen. Die Auszahlung wird an Berechtigte über zehn Jahre gestreckt, was Kritik der Opposition und ein Gegenmodell der Grünen hervorrief.

Nun befand AfD-Haushaltsexperte Roman Bausch: Vom Hessengeld als "CDU-Wahlkampfschlager" sei nur ein Schatten geblieben. Die 2024 vorgesehenen 38 Millionen Euro für Auszahlungen seien angesichts erwarteter Gesamteinnahmen in Höhe von 1,69 Milliarden Euro an Grunderwerbsteuer ein "mehr als bescheidener Beitrag".

Zugunsten der Wirtschaft sind weitere 50 Millionen Euro eingeplant: Sie sollen in Innovation und Transformation fließen – also etwa in die Nutzung neuer Energien und die Digitalisierung. In den kommunalen Finanzausgleich kommen laut Lorz zusätzliche 100 Millionen Euro.

Mehr Ministerien und eine schwarze Null

Eine schwarze Null vermeldet Lorz im Personaletat des Landes – und das trotz der beabsichtigten Schaffung neuer Stellen. Sie werden demnach verlagert, aufgestockt werde unterm Strich nicht. "420 Stellen wurden neu zugeordnet, etwa für die Innenstadtoffensive der Polizei, eine zusätzliche Deutschstunde in der zweiten Klasse und die Modernisierung der Landesregierung", sagte Lorz.

Die CDU unter Ministerpräsident Boris Rhein und die SPD hatten der Regierung einen deutlich veränderten Zuschnitt verordnet, zwei neue Ministerien und vier neue Staatssekretärsposten. Das Sozialministerium etwa wurde aufgeteilt: Das Ressort für Familie und Gesundheit erhielt die Union, das für Arbeit und Soziales die SPD. Digitalministerin Kristina Sinemus (CDU) erhielt eine eigene Behörde.

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Miriam Dahlke, haushaltspolitische Sprecherin der oppositionellen Grünen, will dem Minister die Behauptung über die schwarze Null nicht ab. Sie sprach vom "Märchen von der aufgeblähten Landesregierung, die nichts kostet". Das ins Kabinett gesteckte Geld werde für anderswo dringender benötigtes Personal fehlen.

Umstrittener Gehaltssprung

Zu den Änderungen innerhalb der Ressorts zählt auch eine in der Staatskanzlei. Das führte bereits vergangene Woche wegen der Bezahlung des Staatskanzleichefs zu heftiger Kritik der Opposition im Landtag.

Bei der Regierungsbildung hatte Ministerpräsident Rhein seinen Parteikollegen Axel Wintermeyer nicht mehr berücksichtigt, der die Staatskanzlei 14 Jahre lang als Minister führte. Um die Ministerzahl nicht noch weiter zu erhöhen, erhielt Nachfolger Benedikt Kuhn lediglich den Rang eines Staatssekretärs.

Vergangene Woche beschlossen CDU und SPD im Paket mit einer Erhöhung der Bezüge aller hessischen Beamten allerdings einen kräftigen Gehaltssprung für Kuhn. Er rückt in Besoldungsgruppe B10 auf, erhält statt 166.000 nun 195.000 Euro im Jahr.

Die oppositionellen Grünen sprachen von einem "Selbstbedienungsladen". Der FDP-Politiker Moritz Promny argwöhnte gar Belohnung für einen "Amigo der CSU", was er nach einer Rüge nicht als Korruptionsvorwurf missverstanden sehen wollte. Hintergrund: Staatskanzleichef Kuhn kam von der CSU zur Hessen-CDU, um den am Ende erfolgreichen Landtagswahlkampf maßgeblich zu managen.

Eile und Kritik

Der Nachtragsetat soll noch vor den Sommerferien vom Landtag verabschiedet werden. Weil die Zeit knapp ist, will Finanzminister Lorz seine Planung dem Parlament in einer Sondersitzung am 4. Juni vorstellen. Am 11. Juli könnte der Nachtragshaushalt dann in dritter Lesung verabschiedet werden.

Einen Vorgeschmack auf die Debatte erhielt der Minister auch von der FDP. Für deren Haushaltsexpertin Marion Schardt-Sauer zeigen die Pläne einen "erschreckenden Mangel an Verantwortung und Weitsicht".

Die nun vorgesehenen neuen Schulden gingen zu Lasten künftiger Generation. Alle Aufgaben und Ausgaben des Landes müssten nun auf den Prüfstand. Das forderte auch die AfD. Da Lorz dies selbst "ergebnisoffen" angekündigt hatte, befürchten die Grünen dagegen drastische Kürzungen im Sozialbudget oder auch bei Schulinvestitionen.

Rückendeckung kam dagegen vom Koalitionspartner. Die Regierung beweise Verantwortung in finanziell herausfordernden Zeiten, befand Marius Weiß, haushaltspolitischer Sprecher der SPD. Besonders erfreulich sei der Hessen-Fonds für Innovation und Transformation in der Wirtschaft. Ihn habe seine Fraktion schon in der Opposition gefordert.

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Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 23.5.2024, 16.45 Uhr

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Quelle: hessenschau.de