Klose stellt Entwurf vor Hessen will Integration in eigenem Gesetz verankern
In ihrem Koalitionsvertrag kündigte die Regierung ein eigenes Integrationsgesetz an. Sozialminister Klose hat seinen Entwurf nun vorgestellt. Bei Verbänden und Oppositionsparteien schlägt das Vorhaben auf wenig Zuspruch.
Mit einem neuen Gesetz will die Landesregierung erstmals Ziele und Grundsätze der hessischen Integrationspolitik rechtlich verankern. Das neue Integrations- und Teilhabegesetz solle Chancengleichheit im Land verbessern und "das respektvolle Zusammenleben in einer vielfältigen Gesellschaft" gestalten, sagte Sozial- und Integrationsminister Kai Klose (Grüne) bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs am Freitag in Wiesbaden. In der kommende Woche will er den Entwurf im Landtag einbringen.
Der Gesetzentwurf sei als ein "klares Bekenntnis gegen Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus, Sexismus sowie gegen jede andere Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Extremismus" zu verstehen, sagte Klose. In ihrem gemeinsamen Koalitionsvertrag hatten CDU und Grünen vereinbart, ein Integrationsgesetz auf den Weg zu bringen. Fünf weitere Bundesländer haben bereits ein entsprechendes Gesetz.
Neuer Begriff "Menschen mit Migrationsgeschichte"
Das Integrations- und Teilhabegesetz führe den Begriff "Menschen mit Migrationsgeschichte" neu ein, erklärte Klose. Gemeint seien damit Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund, aber auch andere Personen, die rassistisch diskriminiert werden - etwa schwarze Menschen oder Sinti und Roma.
Ein weiterer Paragraf des Gesetzes befasse sich mit der Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte in Gremien, für welche die Landesregierung ein Berufungs- oder Vorschlagsrecht besitzt. Unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen seien dort "zu einem angemessenen Anteil" miteinzubeziehen. Außerdem soll die Förderung der Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern in einem eigenen Paragrafen als Ziel der Landesregierung festgeschrieben werden.
Verankerung bereits bestehender Maßnahmen
Darüber hinaus beinhalte der Gesetzentwurf "eine Reihe konkreter Regelungen", die interkulturelle Vielfalt und Diskriminierungsfreiheit als Ziel bei der Verwaltung verwirklichen sollen. Das Gesetz erkläre die Förderung von Maßnahmen und Programmen zur chancengerechten Teilhabe zum Ziel, heißt es in der Vorstellung des Entwurfs. Außerdem soll das Gesetz mehrere bereits existierende Integrationsmaßnahmen rechtlich verankern.
Beispielhaft erwähnt wurden unter anderem die Integrationskonferenz, die "WIR-Vielfaltszentren", die Förderung gemeinnütziger und kommunaler Träger sowie der Dialog mit Kirchen und Religionsgemeinschaften.
Teils deutliche Kritik von Verbänden
Kurz nach der Vorstellung des Entwurfs äußerten sich erste Verbände kritisch zu dem Vorhaben. Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege bemängelte, der Gesetzentwurf bringe keine maßgeblichen rechtlichen Neuerungen und beschränke sich darauf, bereits bestehende Maßnahmen festzuschreiben. Zudem finde sich in dem Gesetzentwurf eine Vielzahl von "Kann-Regelungen", die den Behörden den weitesten Ermessensspielraum einräumten. Einklagbare Rechtsansprüche würden nicht festgelegt.
Die Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen (agah) begrüßte zwar, dass es nun ein Integrationsgesetz geben solle. "Irritierend" sei jedoch, dass das Gesetz am Ende der Legislaturperiode "auf die Schnelle" beschlossen werden solle. "Ein Gesetz zur Verbesserung der Integration, das die politische Partizipation von Migrantinnen und Migranten ohne deutschen Pass als eigenständigen Themenkomplex nicht nennt, verdient seinen Namen nicht", kritisierte der agah-Vorsitzende Enis Gülegen.
FDP und Linke: "Reine Symbolpolitik" und "nichts Neues"
Ähnlich klingt zum Teil die Kritik aus der Opposition. "Der Entwurf enthält nichts Neues", sagte Yanki Pürsün, integrationspolitischer Sprecher der FDP. Stattdessen gieße das Gesetz den "integrationspolitischen Stillstand in Gesetzesform". Punkte wie der Ausbau der Beratung für Geflüchtete oder die bessere Anerkennung ausländischer Abschlüsse kämen im Gesetzentwurf nicht vor.
Für die Linksfraktion im Landtag ist der Entwurf "reine Symbolpolitik" und ein "zahnloser Tiger", teilte die Integrationsexpertin Saadet Sönmez mit. Sie kritisierte außerdem, dass im großen Stil auf ehrenamtliche Arbeit gesetzt werde, statt Beratungsstrukturen oder Sprachkurse nachhaltig zu finanzieren.
SPD: Gesetz hat zu lange gebraucht
Der zuständige Sprecher der SPD bemängelte zudem den Zeitpunkt des Gesetzentwurfes: "Gemessen an dem, was der Sozialminister hier abliefert, ist es geradezu absurd, dass er dafür vier Jahre gebraucht hat."
Als "hochproblematisch" bezeichnet die AfD den Vorschlag. "Hier droht Diskriminierung mit umgekehrten Vorzeichen", sagte der migrationspolitische Sprecher Volker Richter in Bezug auf die im Gesetzentwurf geplante Zielsetzung, dass ein bestimmter Anteil der Beschäftigten in der Landesverwaltung eine Migrationsgeschichte aufweisen solle.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 11.11.2022, 16.45 Uhr
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