Mehr Häuser des Jugendrechts Wie Hessen die Jugendkriminalität bekämpfen möchte
Um die gestiegene Jugendkriminalität in den Griff zu bekommen, will Hessen mehr Häuser des Jugendrechts errichten. Damit sollen Behörden und Hilfsangebote besser koordiniert werden. In Fulda probiert man es auch mit Achtsamkeitskursen und Yoga.
Im Kampf gegen die gestiegene Jugendkriminalität will Hessen mehr "Häuser des Jugendrechts" errichten. Neue Standorte sollen in Marburg, Gießen, Limburg und Darmstadt enstehen, sagte Justizminister Roman Poseck (CDU) dem hr.
Die "Häuser des Jugendrechts" sind aus seiner Sicht Erfolgsmodelle - jetzt sollen auch weitere "weiße Flecken" in Hessen versorgt werden, erklärte Poseck am Donnerstag bei einem Besuch bei der Staatsanwaltschaft in Fulda.
Bessere Zusammenarbeit zwischen Behörden
Aktuell gibt es in Hessen sieben "Häuser des Jugendrechts". Dort arbeiten Polizei, Staatsanwaltschaften und Träger der Jugendhilfe unter einem Dach zusammen. Damit soll schneller und konsequenter reagiert werden, wenn Jugendliche kriminell werden.
Frankfurt sei mit vier Einrichtungen bereits flächendeckend versorgt, erklärte Poseck, auch in Offenbach, Wiesbaden und Kassel gibt es bereits "Häuser des Jugendrechts". In Fulda sind die Behörden bisher nur digital miteinander vernetzt.
Neuer Standort Hanau mit Rechtsextremismus-Schwerpunkt
Bereits beschlossen ist außerdem die Eröffnung eines achten Standorts im September in Hanau. Hier soll ein Schwerpunkt die Prävention von Rechtsextremismus sein. Anlass ist der rechtsextreme Anschlag in Hanau im Februar 2020: Ein Attentäter tötete aus rassistischen Motiven neun Menschen und erschoss anschließend seine Mutter und dann sich selbst.
"Der Rechtsextremismus ist eine sehr große und reale Bedrohung für unsere Demokratie und das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft", sagte Poseck. Verantwortliche und Entscheidungsträger in Hanau sollen speziell geschult werden, um extreme Tendenzen frühzeitig zu erkennen und eine Radikalisierung zu verhindern.
Weniger Rückfälle
Dass die Arbeit in den "Häuser des Jugendrechts" erfolgreich sind, zeigt laut Minister Poseck ein Forschungsprojekt zu Rückfallquoten. Bei einer Untersuchung in Frankfurt habe sich gezeigt, dass 70 Prozent der Jugendlichen, die im "Haus des Jugendrechts" in Höchst betreut wurden, später nicht erneut straffällig wurden.
Die "Häuser des Jugendrechts" verkürzen laut dem Justizministerium auch die Laufzeiten der Verfahren. Sie liege etwa zwischen einem und drei Monaten und sei damit schneller als bei Jugendschöffengerichten. Dort dauerten die Verfahren im Schnitt etwa doppelt so lange.
Auch die Zahl der erledigten Fälle in den "Häusern des Jugendrechts" ist im vergangenen Jahr stark gestiegen. Die Quote kletterte um 30 Prozent auf mehr als 12.000 Verfahren, zeigt eine Statistik des Justizministeriums.
Yoga und Achtsamkeit für Jung-Kriminelle
In Fulda wird die Jugendkriminalität aktuell auch mit ungewöhnlichen Methoden Methoden bekämpft: Um die Jugendlichen von der schiefen Bahn abzubringen, werden neben Coachings auch Achtsamkeitstrainings mit Yogakurse angeboten.
Fuldas leitender Oberstaatsanwalt, Patrick Liesching, sagte am Donnerstag, er sei selbst überrascht über den Erfolg: Nur einer von sieben Probanden, die bisher an den Achtsamkeitskursen teilnahmen, sei danach rückfällig geworden.
Poseck will keinen Alarmismus
Coachings und Achtsamkeit allein werden nicht helfen: Laut der polizeilichen Kriminalstatistik sind die hessichen Fallzahlen im Jahr 2022 gestiegen, während Corona waren sie auf einem historischen Tief. In den Städten ging die Zahl der Straftaten teils sogar über das Vor-Corona-Niveau hinaus.
Landespolizeipräsident Robert Schäfer hatte sich bei der Vorstellung der Zahlen im März beunruhigt gezeigt: "Die Tatverdächtigen werden immer jünger, und sie werden gewalttätiger."
Justizminister Poseck sieht aktuell trotzdem keinen Anlass für Alarmismus: "Wir haben keine über alle Maßen kriminelle junge Generation", sagt er am Donnerstag. Die Zahlen zur Jugendkriminalität gingen zwar wieder nach oben - aber es habe auch schon Zeiten mit höheren Fallzahlen in Hessen gegeben.
Sendung: hr4, 17.08.2023, 16.30 Uhr
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