Klimaneutrale Energiequelle Hessen will Reaktor für Kernfusion in Biblis bauen

In Biblis soll ein Kernfusionsreaktor entstehen – als "Gamechanger" für klimaneutrale Energie. Während die Landesregierung optimistisch ist, warnen Kritiker vor Risiken und hohen Kosten.

Viele Rohre in einer Art metallkäfig sind türkis beleuchtet.
In Kalifornien wird bereits mit laserbasierter Kernfusion experimentiert. Bild © picture-alliance/dpa

Hessen möchte in Biblis (Bergstraße) langfristig einen Kernfusionsreaktor bauen. Das geht aus einer Absichtserklärung eines neuen Runden Tisches zu dieser Zukunftstechnik hervor, die sich auf das Sondierungspapier der angestrebten schwarz-roten Bundesregierung beruft.

In diesem heißt es: "Wir wollen die Fusionsforschung stärker fördern. Unser Ziel ist: Der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen."

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Laut dem Darmstädter Unternehmen Focused Energy soll das Laserfusionskraftwerk im südhessischen Biblis bis 2035 gebaut werden. Auch in mehreren anderen Bundesländern wird die Forschung vorangetrieben. Kritik daran gibt es in Hessen unter anderem vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Auch der wissenschaftliche Klimabeirat des Landes hält die Technologie für wenig ausgereift.

Regierungschef erinnert an Dunkelflauten bei erneuerbarer Energie

Euphorie herrscht dagegen bei der Landesregierung: Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sagte laut Mitteilung beim nicht öffentlichen Auftakttreffen von Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft am Donnerstag am stillgelegten AKW Biblis, dass die laserbasierte Kernfusion eine Schlüsseltechnologie für eine saubere und wirtschaftliche Energieversorgung sei.

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"Wir brauchen einen technologieoffenen Energiemix, denn die Sonne scheint nicht immer, und der Wind weht nicht dauernd. Nur wenn Energie jederzeit verfügbar ist und für jedermann bezahlbar bleibt, können wir unseren Wohlstand sichern", ergänzte Rhein bei dem Runden Tisch, für den weitere Treffen folgen sollen. Das Ziel der Nutzung von laserbasierter Kernfusion findet sich auch in Hessens schwarz-rotem Koalitionsvertrag.

Rhein: Nicht nur aussteigen, sondern auch wieder einsteigen

Die Kernfusion könne in der Energieversorgung ein "Gamechanger sein und den entscheidenden Durchbruch bringen", betonte Regierungschef Rhein. "Wir dürfen nicht überall aussteigen, sondern müssen auch wieder einsteigen." Biblis solle zu einer Keimzelle für die Energieversorgung "made in Hessen" werden.

"Die Landesregierung stellt dazu in diesem Jahr bis zu 20 Millionen Euro für die Erforschung der Kernfusion bereit", erklärte der Ministerpräsident. Neben staatlichen Investitionen sollen auch Fördergelder aus Bundes- und EU-Programmen sowie private Mittel genutzt werden.

CDU-Fraktionschefin Ines Claus betonte: "Kernfusion hat das Potenzial, zu einer nahezu unerschöpflichen, sauberen und sicheren Energiequelle zu werden." Im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen entstünden bei der Kernfusion keine schädlichen Treibhausgase.

Biblis soll Maßstäbe setzen 

Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) verwies beim Runden Tisch auf den wachsenden weltweiten Energiebedarf: "Neben dem Ausbau der Wind- und Solarenergie setzen wir deshalb auch auf Investitionen in Zukunftstechnologien wie die laserbasierte Kernfusion." Mit Unternehmen wie Focused Energy und "den exzellenten wissenschaftlichen Einrichtungen vor Ort haben wir Akteure, die in der internationalen Fusionsforschung Maßstäbe setzen", ergänzte der stellvertretende Ministerpräsident bei seinem Besuch am Kernkraftwerk Biblis.

Nach dem Atomausstieg Deutschlands im Zuge der Fukushima-Katastrophe 2011 wurde es stillgelegt. Seit 2017 läuft sein Abriss.

Mehr Unabhängigkeit von Energieimporten?

Focused Energy ist ein 2021 von der Technischen Universität (TU) Darmstadt ausgegründetes deutsch-amerikanisches Unternehmen. Seine Experimente mit Hochleistungslasern sollen im Idealfall der Fusionsenergie den Weg zur Marktreife ebnen. Laut der Landesregierung könnte diese Zukunftstechnik langfristig auch die Unabhängigkeit von Energieimporten stärken.

Bei der Kernfusion werden kleine Atomkerne, anders als in Reaktoren herkömmlicher Atomkraftwerke, bei extremen Temperaturen verschmolzen statt gespalten – also fusioniert. Weltweit wird daran geforscht, wie die Kernfusion zur Energiegewinnung genutzt werden kann.

BUND: Unrealistischer, teurer und strahlender Traum 

Der BUND in Hessen sprach von einem "unrealistischen, teuren und strahlenden Traum" und forderte einen Stopp jeglicher Förderungen. Laut dem BUND-Physiker Werner Neumann stellen Studien infrage, "ob ein Kernfusionsreaktor jemals dauerhaft laufen kann".

Das Fusionsmaterial Tritium (radioaktiver Wasserstoff) komme in der Natur nicht vor und müsse im Kernfusionsreaktor erst erzeugt werden. Neumann fügte hinzu: "Ein Motor, der seinen Sprit selbst erzeugen muss, aber dies nicht kann, wird nie laufen."

Weiter kritisierte der BUND, dass das radioaktives Tritium bei Störfällen freigesetzt werden könne. "Zudem erzeugen Kernfusionsanlagen rund fünfmal so viele atomare Abfälle pro Kilowattstunde wie Kernspaltungsreaktoren", monierte der Umweltschutzverband. Eine Endlagerung dieser Abfälle für mehrere tausend Jahre sei "nicht in Sicht".

Sendung: hr1,

Quelle: hessenschau.de, dpa/lhe