"Hessenfonds" umfasst eine Milliarde Euro Land will Unternehmen mit Kreditprogramm beim Strukturwandel helfen
Ob KI-Einsatz oder Klimaschutz: Bei dieser Zeitenwende will die schwarz-rote Landesregierung Unternehmen mit günstigen Krediten oder Risiko-Beteiligungen unter die Arme greifen. Die Opposition spricht wahlweise von Planwirtschaft oder von Show.
Industriebetriebe und andere Unternehmen stecken in einem tiefen und teuren Strukturwandel. Zur Digitalisierung und der Anwendung Künstlicher Intelligenz (KI) oder der CO2-neutralen Energieversorgung kommen andere umwälzende Faktoren wie der Fachkräftemangel.
Die CDU/SPD-Landesregierung hat am Mittwoch ein Programm aufgelegt, das der Wirtschaft bei der Bewältigung der Transformation helfen soll. Der sogenannte "Hessenfonds", den das Kabinett bei einer Sitzung in einem Biotechnologie-Unternehmen in Frankfurt beschlossen hat, umfasst eine Summe von einer Milliarde Euro.
Der größte Teil soll mit 750 Millionen Euro in Form zinsgünstiger Darlehen fließen. Mit den restlichen 250 Millionen Euro kann sich das Land mit jeweils bis zu zehn Millionen Euro an Firmen beteiligen, die Risikokapital brauchen, von Banken aber keines bekommen.
Effizienz und wenig Bürokratie versprochen
Mit dem Hessenfonds sollten Unternehmen "unbürokratisch und effizient" an Fördermittel kommen, versprach CDU-Ministerpräsident Boris Rhein. "Das Jahr 2025 wird ein Modernisierungsjahr für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft", kündigte er an.
Von einer notwendigen "passgenauen Wirtschaftsförderung" durch den Staat sprach SPD-Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori. Denn Unternehmen stünden vor erheblichen Herausforderungen wie dem technologischen Wandel, hohen Energiekosten oder bürokratischem Aufwand.
An den Start gehen kann der Hessenfonds erst, wenn der Landtag den Haushalt für das laufende Jahr 2025 beschlossen hat. Das ist im April vorgesehen. CDU und SPD haben im Landtag eine komfortable Mehrheit. Sie hatten den Fonds vor einem Jahr im Koalitionsvertrag bereits angekündigt.
Was gefördert werden kann
Über mögliche Beispiele für eine Förderung über den Hessenfonds heißt es in den Erklärungen auf der Internetseite des Wirtschaftsministeriums: Infrage kämen etwa der Bau einer Demonstrationsanlage für chemisches Recycling gemischter Kunststoffe oder die Entwicklung KI-gestützter medizinischer Diagnoseverfahren.
Profitieren könnte theoretisch demnach auch ein Familienbetrieb, der seinen Öko-Fußabdruck verkleinern will, indem er Häuser aus Holz statt aus Beton auf den Markt bringen will. Dagegen reiche es nicht, eine Kantine auf Biokost umzustellen, damit die Belegschaft sich gesünder ernähre.
Bonus für Tariflöhne und Standorttreue
Die Darlehen sollen über zehn Jahre laufen und bis 2028 bewilligt werden können. Es gibt verschiedene Einzelprogramme, versprochen werden Zinsvergünstigungen von bis zu zwei Prozent.
Über eines der Programme können Firmen kleinere Darlehen von 35.000 bis 300.000 Euro beantragen. Vergeben werden sie direkt von der landeseigenen WIBank, das Land bürgt.
Für alle Darlehen ab einer Höhe von einer Million Euro gibt es einen zusätzlichen Kriterien-Katalog mit sieben Punkten. Er reicht von der Tarifbindung der Löhne über die Zahl der Ausbildungsplätze und die Schaffung neuer Stellen bis zur Frage, ob es sich um ein Familienunternehmen handelt.
Dabei müssen mittlere Unternehmern mindestens zwei, größere Unternehmen mindestens drei dieser Kriterien nachweisen. Nur dann gibt es die volle Kreditvergünstigung. Wollen sie zehn Millionen Euro oder mehr leihen, müssen Unternehmen außerdem garantieren, den Standort in Hessen zu erhalten.
WIBank und Hausbank
Im Mittelpunkt der Abwicklung der Hessenfonds-Förderung steht die WIBank als Förderbank des Landes. Sie besorgt sich laut Wirtschaftsministerium das Geld für die Darlehen auf dem Kreditmarkt. Zuschüsse des Landes sollen eine Verbilligung der an die Unternehmen vergebenen Kredite finanzieren.
Auch Hausbanken der Kreditnehmer sind involviert. Sie sollen etwa bei Krediten für Innovationen 30 Prozent des Ausfallrisikos tragen, den Rest trägt das Land.
FDP kritisiert "Planwirtschaft", Grüne sprechen von "Show"
Kritik an dem Beschluss ließ nicht lange auf sich warten. So warnte FDP-Fraktionschef Stefan Naas vor einem planwirtschaftlichen Eingriff, der nur wenige Betriebe begünstige und den Wettbewerb verzerre. "So werden unnötige Energie und Geld in einen Fonds gelenkt, die besser für gute Standortbedingungen für die Wirtschaft fließen sollten", kritisierte der Oppositionspolitiker.
"Viel Tamtam" und "Show statt Politik" machte Kaya Kinkel, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, aus. "Die HessenGroKo will sich mit dem Geld schmücken, das die Unternehmen als Kredit aufnehmen müssen", beklagte sie. Die wirkliche Unterstützung des Landes sei minimal.
DGB verlangt Tarifbindung als Pflicht
Eingeschränkte Zustimmung kam von den Gewerkschaften. Michael Rudolph, Chef des DGB Hessen-Thüringen, bewertet die Pläne zwar als wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Transformation. Kritik übte er aber daran, dass eine Tarifbindung der Löhne nicht zwingend erforderlich sei, um Kredite zu erhalten. "Mit der heute präsentierten Lösung kann nicht ausgeschlossen werden, dass geförderte Unternehmen Wettbewerb mit Dumpinglöhnen betreiben", sagte Rudolph.