Lieblingsgegner der Opposition Innenminister Peter Beuth nimmt selbstbewusst Abschied

Für Anhänger war er der geradlinige Top-Krisenmanager, für Gegner ein beratungsresistenter Vertuschungsminister: Nach zehn heftigen Jahren als Hessens Innenminister steigt Peter Beuth (CDU) ganz aus der Politik aus - und ist trotz Dauerkritik mit sich im Reinen.

Peter Beuth
Hessischer Innenminister bis zum 18. Januar 2024: Peter Beuth (CDU) Bild © picture-alliance/dpa
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Peter Beuth beim Interview mit dem Hessischen Rundfunk
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Ab Donnerstag kommender Woche wird in seiner Biografie stehen: Von Januar 2014 bis Januar 2024 war Peter Beuth Minister des Innern und für Sport in Hessen. Kein Kabinettsmitglied stand so unentwegt in der Kritik und unter Druck wie der CDU-Mann. Niemand sonst in der noch amtierenden schwarz-grünen Regierung wurde so angefeindet.

Damit ist bald Schluss. Zum Ende der Legislaturperiode am 18. Januar wird der 56-Jährige ganz aus der Politik aussteigen.

Der Opposition im Landtag war er der Lieblingsgegner, auch beim grünen Koalitionspartner war er umstritten. Kurz vor dem Abschied sagt Beuth im Interview mit dem hr: Gewiss habe er Fehler gemacht. "Ich glaube aber am Ende keinen gravierenden", fügt er hinzu

Rücktrittsforderungen abprallen lassen

Ob seine Gegnerin im Landtag Janine Wissler hieß, die heutige Bundesvorsitzende der Linken. Oder ob es Günter Rudolph war, Fraktionschef der SPD, die bald mit der CDU das Bundesland regiert: Alle an ihn gerichteten Rücktrittsforderungen prallten an Beuth ab - auch an seinen Kabinettschefs Volker Bouffier und Boris Rhein (beide CDU).

"Weil ich mir keinen Vorwurf im Einzelnen machen muss." Was Beuth der gegen ihn gerichteten Kritik wegen rechter Umtriebe bei der Polizei in internen Chats und NSU.2.0-Drohschreiben entgegnet, gilt aus seiner Sicht auch auf anderen Gebieten.

Krisen und Anschläge

Möglich, dass es für keinen seiner hessischen Amtsvorgänger so heftig kam, wie für ihn. Als verantwortlicher Minister für Katastrophenschutz war der Mann aus Taunusstein (Rheingau-Taunus) auch für die Bewältigung zweier in Art und Umfang bis dahin ungekannter Notlagen in Hessen maßgeblich mitverantwortlich.

Vor allem in der Zeit um das Jahr 2015 galt es, Unterkünfte für viele Flüchtlinge bereitzustellen. Auch Turnhallen wurden zweckentfremdet. Später musste wegen der Corona-Pandemie die bis dahin größte Impfaktion aller Zeiten organisiert werden.

In die Amtszeit des Ministers fielen außerdem furchtbare rechtsextreme Terroranschläge. Mit dem früheren Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) erschoss 2019 ein der Polizei und dem Verfassungsschutz seit langem bekannter Mann einen Parteifreund Beuths. Im Jahr darauf dann der Anschlag von Hanau, wo ein psychisch kranker Rassist neun Menschen mit Migrationshintergrund erschoss, seine Mutter und sich selbst.

Zwei Untersuchungsausschüsse

In beiden Fällen folgten Untersuchungsausschüsse, in denen die Opposition neben Polizei und Landesverfassungsschutz vor allem dem dafür verantwortlichen und seit 1999 unionsgeführten Innenministerium auf den Zahn fühlte.

In der neuen schwarz-roten Landesregierung soll eine Aufarbeitung des Hanau-Attentats fortgesetzt werden, wie SPD-Landeschefin Nancy Faeser angekündigt hat. Sie ist als Bundesinnenministerin Beuths Amtskollegin in Berlin.

Beuth widersprach immer wieder Darstellungen, er habe die Gefahr von rechts zu lange dramatisch unterschätzt oder gar Misstände vertuschen wollen. Er verweist auch im hr-Interview darauf, dass die Abschlussberichte beider Ausschüsse, in denen CDU und Grüne wie im Parlament eine Mehrheit hatten, zum Ergebnis kamen: Entscheidende Fehler, ohne welche die Taten zu verhindern gewesen wären, sind niemandem nachzuweisen.

Vorwurf: mangelnde Empathie

Bis zum Schluss gab Beuth dem Drängen des grünen Koalitionspartners nicht nach, die Hinterbliebenen wegen Fehlern wie der überlasteten Notrufanlage der Hanauer Polizei um Entschuldigung zu bitten. Die Klage über mangelnde Empathie trifft den nüchtern-kontrollierten CDU-Mann noch immer merklich.

Seine Darstellung: Nach einem ersten Kontakt "war die Situation so aufgeladen, dass ich entschieden habe, dass ich ein unmittelbares Gespräch dort nicht mehr suche". Das hätten stattdessen aber der damalige Regierungschef Bouffier und dessen Nachfolger Rhein übernommen.

Zudem nimmt der CDU-Politiker für sich in Anspruch, den Kampf der Sicherheitsbehörden gegen Rechtsextremismus in der Gesellschaft und in den eigenen Reihen intensiviert zu haben. Bei der Polizei lautet die Parole inzwischen "neue Führungs- und Fehlerkultur". Beuth ist sicher: "Wir haben die Strukturen so verändert, dass wir solches Fehlverhalten möglichst vermeiden."

2.000 zusätzliche Polizisten

Fakt ist: Unter seiner Regie hat Hessen die Sicherheitskräfte enorm aufgerüstet: Die Zahl der Polizistinnen und Polizisten wuchs um mehr als 2.000. Die Beamten erhielten Body-Cams und Diensthandys. Und die Zahl der registrierten Straftaten sank laut Statistik.  

Aber die Kritik daran lautet, dass diese Bilanzen ein geschöntes, unverlässliches Bild lieferten. Sie weist der scheidende Minister ebenso zurück wie die Forderung nach einer Dunkelfeldstudie über nicht registrierte Taten.

Auch dass das Bundesverfassungsgericht ihn wegen des weitreichenden Einsatzes der Polizeisoftware "Hessendata" bremste und Datenschützer ihm den Weg in den Überwachungsstaat vorwerfen, sieht Beuth undramatisch. "Wir haben den gesetzlichen Rahmen nachgeschärft. Aber wir brauchen die Technik", hält er dagegen.

Freude über die Jugendfeuerwehr

Zu den "ganz tollen Momenten, die ich erleben durfte", zählt Beuth im Rückblick die eher unspektakuläre Eröffnung eines Jugendfeuerwehr-Ausbildungszentrums in Marburg - weil sie so zukunftsweisend gewesen sei. Und den Jubel beim Champions-League-Finale 2014, als die Fußballerinnen des FFC Frankfurt gewannen.

Gerade der Fußball hat Beuth aber besonderen Ärger bereitet. Schuld ist sein mehr als angespanntes Verhältnis zur Pyrotechnik im Besonderen sowie den Ultra-Fans von Bundesligist Eintracht Frankfurt und anderen Vereinen im Allgemeinen. Er verteidigte einen massiven Polizeieinsatz vor fünf Jahren, gegen Pyrotechnik zieht er noch jetzt zu Felde.

Buhmann für Fußball-Ultras

Aber auch hier gilt: Wo die einen Beuth für seine Geradlinigkeit loben, beklagen andere Rigorosität und Beratungsresistenz. Das "Buhmann"-Image in bestimmten Fan-Kreisen ficht den Mann nicht entscheidend an.

"Indiskutabel“ sei die Aufforderung des DFB, Innenminister oder Sicherheitsbehörden sollten mit den Ultras in einen Dialog treten, sagt Beuth. Der CDU-Politiker fordert wie seine Amtskollegen bei Gewalt in Stadien ein hartes Vorgehen bis zum Fan-Ausschluss oder gar Punktabzug.

Unerfülltes Ziel

Mit Mitte 50 wendet sich Beuth ungewöhnlich früh von der Politik ab. In der Hessen-CDU genießt er hohes Ansehen, gerade an der Basis. Das ist auch auf seine Arbeit als Generalsekretär der Landespartei von 2009 bis 2014 zurückzuführen.

Doch auch in den eigenen Reihen konnten sich viele den Innenminister als Landesvater nicht so recht vorstellen. Verglichen mit dem sehr viel geschmeidigeren und sich leutselig gebenden Rhein wirkt Beuth fast schon sperrig bei öffentlichen Auftritten. Und doch heißt es, er habe sich - am Ende vergebliche - Hoffnungen gemacht, als Nachfolger Bouffiers Ministerpräsident zu werden.

Was er nach dem 18. Januar machen will, außer seinem Nachfolger Roman Poseck ein geordnetes Ministerium zu übergeben, lässt der Noch-Innenminister offen. "Ich habe etwas Anständiges gelernt. Ich bin Rechtsanwalt, insofern werde ich noch eine Tätigkeit anstreben" - so viel sagt er.

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Innenminister Peter Beuth geht - eine politische Bilanz

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Redaktion: Nicholas Buschschlüter

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Quelle: hessenschau.de