Bericht des Landesrechnungshofs Feuerwehren schaffen die 10-Minuten-Hilfsfrist oft nicht
Klima, Kriegsfolgen, alternde Gesellschaft: Der Landesrechnungshof sieht Hessens Städte und Gemeinden in einem "sehr bedrohlichen Szenario". Das gilt laut dem aktuellen Kommunalbericht auch für viele Freiwillige Feuerwehren.
In hessischen Gemeinden haben viele Freiwillige Feuerwehren erhebliche Probleme, die vorgeschriebenen Hilfsfristen bei Einsätzen immer einzuhalten. In vielen Fällen gelingt es ihnen nicht. Das geht aus dem Kommunalbericht für das Jahr 2022 hervor, den Landesrechnungshof-Präsident Walter Wallmann (CDU) am Freitag in Wiesbaden vorgestellt hat.
Innerhalb von zehn Minuten sollen Feuerwehren am Einsatzort sein. Bei einer Überprüfung in kleinen Gemeinden des Bundeslandes stellte sich laut Wallmann heraus: Nur wenige der 18 geprüften Feuerwehren können die Frist in mindestens 85 Prozent der Fälle wahren.
"Insgesamt war aber bei der Mehrzahl der Feuerwehren die Alarmbereitschaft nicht zu allen Zeiten gegeben", heißt es im Kommunalbericht. Ursache sei vor allem der Mangel an Nachwuchs für die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer.
Problem verschärft sich
Laut Wallmann wird sich der Trend durch die Alterung der Gesellschaft noch fortsetzen. Er forderte: "Die Kommunen müssen alles in ihrer Macht stehende tun, um das Ehrenamt für die Bürgerinnen und Bürger attraktiv zu halten."
Der Landesrechnungshof-Chef schlug vor, mehr Anreize für ehrenamtliche Feuerwehr-Aktive zu setzen. Als Beispiele nannte er kostenlosen Eintritt in kommunale Einrichtungen wie Schwimmbäder oder eine Förderung beim Ablegen der Lkw-Führerscheins.
"Bedrohliches Szenario"
Den Kommunalbericht legt der Landesrechnungshof Jahr für Jahr vor. Er analysiert die finanzielle Lage der 422 hessischen Städte und Gemeinden und zeigt Entwicklungen sowie Handlungsmöglichkeiten auf.
Die derzeitige Lage sei durch den zeitlichen Zusammenfall vieler Krisen und Herausforderungen gekennzeichnet: Klimawandel, hohe Energiepreise, die noch anhaltende Pandemie, die Unterbringung von Flüchtlingen und angesichts von Inflation und steigenden Zinsen eine drohende Finanzkrise. Wallmann warnte: "Nimmt man all diese Entwicklungen zusammen, so zeichnet sich ein sehr bedrohliches Szenario für die unmittelbare, aber auch für die mittel- bis langfristige Zukunft ab.
Wichtige Ergebnisse im Einzelnen:
1. Die meisten Etats im Plus
Unterm Strich schreiben Hessens Kommunen trotz aller Probleme schwarze Zahlen, zwei Drittel verzeichneten Überschüsse. Den größten Überschuss machte Marburg mit 361 Millionen Euro vor allem in Folge von Gewerbesteuerzahlungen des Impfstoffherstellers Biontech. Das dickste Minus verzeichnete Darmstadt mit 95 Millionen Euro.
Wallmann gab zu bedenken, dass sich die meisten Verbindlichkeiten nicht direkt in den Etats widerspiegelten, sondern etwa in Eigenbetrieben und Beteiligungen steckten. Da in der Krisenzeit schwer zu kalkulieren sei, sollten die Parlamente und Kämmerer ihm zufolge Einnahmen vorsichtig planen und die Inflation nicht vergessen.
2. Bei den Ausgaben spitze
Mit 25 Milliarden Euro an Ausgaben liegen die hessischen Kommunen auf Platz zwei der deutschen Flächen-Bundesländer. Nur in Nordrhein-Westfalen floss noch mehr Geld. Wallmann mahnte zur Sparsamkeit und Überprüfung von Standards, etwa bei der Kita-Betreuung oder freiwilligen Leistungen wie Weihnachtsbeleuchtung und der Wassertemperatur in Schwimmbädern. Sonst drohten "neue und schnelle wachsende kommunale Schuldenberge".
3. Verwaltung sieht alt aus
Die demographische Entwicklung in Hessen schlägt sich auch in den Rathäusern nieder. Älter als 50 Jahre sind bereits 45 Prozent der rund 127.000 Voll- und Teilzeitmitarbeiter der kommunalen Verwaltungen. Das heißt: Fast die Hälfte der Beschäftigten wird in gut zehn Jahren im Ruhestand sein. Im schweren Wettbewerb um Fachkräfte mit Unternehmen müssten die Kommunen mehr an ein gutes Image und die Flexibilisierung der Arbeit denken – und an Kooperationen mit Nachbarkommunen.
4. Schwere Schäden in Stadtwäldern
Stürme, Hitze und in der Folge Brände und Schädlinge: Das Klima setzt auch dem Wald von Städten und Gemeinden verheerend zu. Mehr als 122.000 Festmeter Holz mussten dort unfreiwillig wegen Schäden gefällt werden. Gegenüber dem Jahr 2016 mit gerade einmal 8.000 Festmetern war das eine Steigerung um 1.525 Prozent.
5. Riesenrückstand bei Online-Angeboten
Bis Ende dieses Jahres sollen Bürger und Unternehmen in Stadt- und Gemeindeverwaltung vieles online abwickeln können. Von der Vorgabe des Online-Zugangsgesetzes, alle mehr als 500 möglichen Digitalangebote anzubieten, sind Hessens Kommunen aber laut dem Kommunalbericht weit entfernt.
Am ehesten kommt man online demnach noch bei Einwohnermelde- und Passämtern zurecht. Die rückständigste Kommune bot insgesamt gerade einmal sechs Online-Dienstleistungen an. Wehrheim (Hochtaunus) als die vom Umfang her fortschrittlichste der geprüften Kommunen kam auf 77 Leistungen, davon aber 42 im PDF-Format. Es gelte, "den Turbo einzulegen", forderte Ulrich Keilmann, Direktor des Landesrechnungshofes.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 25.11.2022, 19.30 Uhr
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