hr-Sommerinterview Linken-Spitzenkandidat Schalauske will kein Limit für den Zuzug von Flüchtlingen
Bei der Landtagswahl kämpft die Linke um den Einzug ins Parlament. Spitzenkandidat Jan Schalauske macht dafür auch internen Streit verantwortlich. So erteilt er den Forderungen seiner Genossin Sahra Wagenkecht nach Obergrenzen für Zuwanderung eine klare Absage.
Aus Sicht der Linken in Hessen darf es für den Zuzug von Flüchtlingen kein Limit geben. Im hr-Sommerinterview sagte der Spitzenkandidat der Partei, Jan Schalauske: "Ich glaube, dass Humanität, Menschlichkeit, auch das Grundrecht auf Asyl, kein Limit und keine Obergrenze kennen können".
Damit reagierte er auf Äußerungen seiner Parteikollegin Sahra Wagenknecht, es gebe ein Limit für Einwanderung und dies sei umso niedriger, je schlechter die öffentliche Infrastruktur sei.
Grundrecht auf Asyl nicht aufweichen
Schalauske entgegnete, das Grundrecht auf Asyl sei eine Errungenschaft, die auch aus dem Zweiten Weltkrieg resultiere. Daher sei man "gut daran beraten, dieses Grundrecht in keinem Fall aufzuweichen".
Zudem hätte kein armer Mensch in Hessen mehr, wenn keine Kriegsflüchtlinge hier her kämen. Das Problem seien nicht die Flüchtlinge, sondern ein Versagen der Politik, unter anderem beim Wohnungsbau oder in der Sozialpolitik.
Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) warf Schalauske wegen dessen Forderung nach einer Abschiebeoffensive Populismus vor. "Ich kann vor einer solchen populistischen Stimmungsmache und vor einer solchen Übernahme von AfD-Positionen nur warnen", so Schalauske.
Ein Großteil der Menschen, die hier ins Land gekommen seien, hätten einen gesicherten Aufenthaltsstatus. Andere wiederum könne man gar nicht einfach abschieben, weil sie aus Kriegsgebieten stammten.
Das sagte Schalauske im hr-Sommerinterview außerdem über …
- die Abschiebung von straffällig gewordenen Flüchtlingen: "Ich bin der Meinung, dass wir einen gut funktionierenden Rechtsstaat in Deutschland haben". Menschen, die hier Straftaten begehen, "müssen hier auch angeklagt und verurteilt und zur Rechenschaft gezogen werden."
- Waffenlieferungen in die Ukraine: "Die internationale Solidarität ist für uns ein hohes Gut." Trotzdem sei im Ukraine-Krieg die Lieferung von immer schwereren Waffen nicht der richtige Weg. "Sondern wir brauchen Initiativen für einen sofortigen Waffenstillstand; das oberste Ziel muss sein, dass der Krieg sofort endet."
- die Überlegungen von Sahra Wagenknecht, eine eigene Partei zu gründen: Die Linke sei eine plurale Partei, in der auch heftig gestritten werden dürfe. Eine Grenze sei aber überschritten bei dem Versuch, "aus einer Partei heraus eine andere Partei gründen zu wollen, auch mit den organisatorischen Ressourcen." Die Geschichte der politischen Linken zeige zudem, dass Spaltung die Partei schwäche, statt sie zu stärken.
- die Finanzierung linker Vorhaben: Die Linke setzt sich für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer sowie eine "gerechtere" Ausgestaltung der Erbschaftssteuer ein. Beide Steuerarten kämen direkt dem Landeshaushalt zugute. Damit könnten dann "notwendige Aufgaben, wie die Bezahlung von Lehrerinnen und Lehrern, die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern und andere Fragen" in Angriff genommen werden. Das Modell der Linken sieht dabei einen Freibetrag von einer Million Euro vor.
- Innovationskraft hessischer Unternehmen zu fördern: Die größte Herausforderung sei die Klimakrise. Deshalb schlägt die Linke einen Transformationsfonds vor. "Der Staat muss Milliarden in die Hand nehmen, um einen klimaneutralen Umbau der hessischen Industrie zu gewährleisten." Das fördere auch Innovationen, weil so auch Geld in den Ausbau von Erneuerbaren Energien gelenkt werden könne.
- die schlechten Umfragewerte seiner Partei: Aktuell liegt die Linke in Umfragen konstant unter 5 Prozent. Schalauske findet, die Linke habe sich in der Vergangenheit zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als mit den "wirklichen Problemen im Land". "Wenn man sagt, die Linke ist eine Kraft der Solidarität, dann muss sie natürlich auch solidarisch in den eigenen Reihen miteinander umgehen."
- den möglichen Fall, dass die Linke an der 5-Prozent-Hürde scheitert: Schalauske hat seinen ganz privaten Plan B: Er würde sich mehr um seine beiden Kinder kümmern und seine Frau entlasten.
Jan Schalauske gehört gemeinsam mit Elisabeth Kula zum Spitzenduo der Linken für die Landtagswahl. Gemeinsam führen die beiden seit 2021 auch die Fraktion der Linken im Hessischen Landtag an, nachdem die ehemalige Fraktionsvorsitzende Janine Wissler in die Bundespolitik wechselte.
Sendung: hr-fernsehen, hr-Sommerinterview, 29.7.2023, 17.15 Uhr
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