Jahresbericht RIAS Zahl antisemitischer Vorfälle in Hessen deutlich gestiegen
Nach dem Angriff der Hamas auf Israel ist die Zahl antisemitischer Vorfälle in Hessen deutlich angestiegen. Die Informationsstelle RIAS zählte zwischen Anfang Oktober und dem Jahresende fast doppelt so viele Fälle wie im gesamten Vorjahr.
Mit 528 erfassten Fällen von Antisemitismus gab es in Hessen im vergangenen Jahr im Schnitt täglich mehr als einen antisemitischen Vorfall, wie aus dem Jahresbericht der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus in Hessen (RIAS Hessen) hervorgeht, der am Mittwoch vorgestellt wurde.
Im Vergleich zu 2022 mit 179 Meldungen wurden demnach rund dreimal so viele antisemitische Fälle dokumentiert. Allerdings begann RIAS Hessen erst im Frühjahr 2022 mit ihrer Arbeit, was die Vergleichbarkeit der Zahlen einschränkt.
Deutlicher Anstieg seit 7. Oktober
Die antisemitischen Vorfälle seien besonders in den Wochen nach dem Überfall der Hamas auf Israel und dem anschließenden Krieg in Gaza sprunghaft angestiegen. Schon am Tag des Angriffs der Hamas, am 7. Oktober 2023, wurde laut RIAS Hessen der Beginn einer "antisemitischen Welle" deutlich.
Alleine an diesem Tag habe es acht antisemitische Vorfälle in Hessen gegeben. Im Zeitraum zwischen dem 7. Oktober und dem Jahresende seien mit 338 Meldungen fast doppelt so viele Fälle bekanntgeworden wie im gesamten Vorjahr: 133 demnach von dem 7. Oktober bis Ende Oktober, 139 im November und 66 im Dezember.
224 Fälle in Frankfurt, 45 in Marburg
Dabei habe es vom 7. Oktober bis Ende des Jahres 16 körperliche Angriffe, 33 Bedrohungen und 32 Fälle von Sachbeschädigung gegeben, darunter Fälle, in denen beispielsweise Israel-Flaggen verbrannt wurden. Der Bericht zählte außerdem einen verhinderten Anschlag.
426 Fälle im vergangenen Jahr wurden von RIAS Hessen als "verletzendes Verhalten" eingestuft, darunter auch solche unterhalb der Strafbarkeitsgrenze. Über 200 der aufgeführten Vorkommnisse hätten sich gegen konkrete Einzelpersonen gerichtet.
Die meisten Meldungen von Antisemitismus im vergangenen Jahr habe es in Frankfurt (224), Marburg (45), Kassel und Wiesbaden (jeweils 38) gegeben.
RIAS: "Zu wenig Empathie und Solidarisierung"
"Es gibt zu wenig Empathie und Solidarisierung", kritisierte RIAS-Geschäftsführerin Susanne Urban. Der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden, Steve Landau, erklärte, Gemeindemitglieder hätten zunehmend das Gefühl, sie müssten sich wieder verstecken. Aufgrund negativer Vorfälle sei die Gemeinde dazu übergegangen, Briefe nur noch ohne Absender zu verschicken.
Für jüdisches Leben gebe es derzeit in Deutschland "keine Religionsfreiheit" mehr, da das öffentliche Bekenntnis zum jüdischen Glauben nicht ohne Weiteres möglich sei, sagte der Beauftragte der hessischen Landesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen den Antisemitismus, Uwe Becker (CDU). Stattdessen würden Straßen und Plätze von "Antisemiten und Israelhassern" eingenommen, sagte er mit Blick auf zahlreiche Pro-Palästina-Aktionen.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 22.05.2024, 19.30 Uhr
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