Oberbürgermeisterwahl in Wiesbaden Kandidat Thilo von Debschitz: Ein Gestalter "ohne parteiliche Zwänge"

Bei der OB-Wahl in Wiesbaden haben CDU und FDP keine eigenen Kandidaten aufgestellt und stattdessen den parteilosen Thilo von Debschitz nominiert. Der Unternehmer will mit Unabhängigkeit und Gestaltungswillen überzeugen - dabei kam die Idee einer Kandidatur gar nicht von ihm.

Porträtfoto von Thilo von Debschitz. Auf dem Bild ein kleines "Label", bestehend aus einem Wahlkreuz, dem Wappen von Wiesbaden und dem Umriss der Stadt.
Bild © Red Dot GmbH, Collage: hessenschau.de

Ein Sommerwahlkampf wäre ihm lieber gewesen, dann wären die Finger beim Festbinden der Plakate nicht ständig eingefroren, sagt Thilo von Debschitz in einem Telefongespräch knapp eine Woche vor der Wiesbadener Oberbürgermeisterwahl.

Der 59-Jährige fügt aber schnell hinzu: "Bisher macht es mir großen Spaß." Durch den Wahlkampf habe er die Stadt, in der er seit Mitte der 80er Jahre lebt, noch einmal neu kennengelernt - und auch sich selbst.

Wahlkampf im Schatten der Bundestagswahl

Für Thilo von Debschitz ist es der erste Wahlkampf überhaupt, und direkt ein ungewöhnlicher: Unter der Masse an Plakaten, die in den vergangenen Wochen die Wiesbadener Laternenmasten bedeckten, war es offenbar selbst für einen Grafikdesigner nicht leicht, noch hervorzustechen.

"Man hat im Straßenbild gesehen, dass der Bundestagswahlkampf den OB-Wahlkampf deutlich überlagert hat", sagt von Debschitz. Das habe ihm als parteilosen Kandidaten, der bislang völlig ohne politische Erfahrung ist, wahrscheinlich nicht genützt. "Denn ich muss ja vor allen Dingen an meiner Bekanntheit arbeiten."

Dabei ist der 59-Jährige grundsätzlich kein Unbekannter in der Landeshauptstadt: Schlagzeilen machte er beispielsweise 2023, als er mit seiner Werbeagentur versuchte, den Wiesbadener Stadtteil Bierstadt durch eine Kampagne für die gleichnamige Schriftart bei Microsoft international berühmt zu machen.

große Wahlplakate nebeneinander von SPD-Kandidat Mende, dem parteilosen Kandidat von Debschitz und der Grünen-Kandidatin Bonnet.
Nach der Bundestagswahl dominanter im Stadtbild: Plakate für die OB-Wahl. Bild © hessenschau.de

Von CDU und FDP nominiert

Als CDU und FDP in Wiesbaden im vergangenen Jahr erklärten, keine eigenen Bewerber auf das OB-Amt ins Rennen zu schicken, sondern stattdessen auf Thilo von Debschitz zu setzen, betonten sie: Der parteilose Kandidat sei ein "erfolgreicher Wiesbadener Unternehmer und international anerkannter Gestalter", dessen Kopf voller Ideen stecke, wie Wiesbaden in Zukunft besser regiert werden könne.

Eine Antwort auf die Frage nach dem wichtigsten Thema fällt von Debschitz dabei schwer - es gebe einfach zu viele wichtige Dinge, die er angehen wolle. Dann legt er sich doch fest: "Weil es von den meisten Leuten an mich herangetragen wird, weil es offensichtlich auch die meisten Menschen persönlich betrifft: der Verkehr."

Wiesbaden gelte trotz eines neuen Verkehrsleitsystems immer noch als Staustadt. Wer auf dem Fahrrad unterwegs sei, fühle sich oft noch zu unsicher, weil Wege zu nah am Autoverkehr entlang liefen. Und nach dem Debakel um teure Wasserstoffbusse, die dann doch wieder abgeschafft wurden, sei das Vertrauen in den Busverkehr der Stadt "erschüttert", sagt von Debschitz.

Aus seiner Sicht sei Mobilität "eine Daseinsvorsorge", die nicht politisiert werden dürfe. Innerhalb der für die Busse zuständigen Verkehrsgesellschaft ESWE habe es in der Vergangenheit zu viel politischen Streit gegeben.

Politik aus Mobilität herausnehmen

Um die Politik "rauszunehmen", ist sein Vorschlag ausgerechnet der, selbst als politischer Amtsträger den Aufsichtsratsvorsitz der ESWE Verkehr zu übernehmen. Für von Debschitz kein Widerspruch: "Wenn der Aufsichtsrat von einem Menschen geführt wird, der parteilos und unabhängig ist, dann ist die Chance, dass das gelingen kann, sehr hoch."

Auch abseits des Verkehrsthemas ist es das, worauf von Debschitz setzt: Seine Unabhängigkeit und sein "positiver Gestaltungswille", die Dinge "ohne parteiliche Zwänge" aus der pragmatischen Unternehmersicht anpacken zu wollen.

So wolle er zum Beispiel die aus seiner Sicht zu kleinteiligen Zuständigkeiten der Dezernate im Wiesbadener Magistrat neu ordnen, "sodass die Prozesse wieder beschleunigt werden". Bei ihm könne man sich darauf verlassen, "dass kein parteiliches Interesse im Vordergrund steht, sondern wirklich die Stadt Wiesbaden und ihre Bürgerinnen und Bürger", betont er.

Trotz seiner Unparteilichkeit wolle er in seiner Haltung immer möglichst klar sein, sagt von Debschitz. So grenze er sich entschieden von völkischem Gedankengut ab, aber auch von Klassenkampf-Rhetorik.

Geld erst erwirtschaften, dann ausgeben

Eine wichtige Maxime für ihn sei bei allem, "dass man Geld erst erwirtschaften muss, bevor man es ausgibt", das habe er als Unternehmer gelernt. Diese Haltung wird beispielsweise deutlich, wenn von Debschitz über das Thema Klimaschutz spricht - eines von insgesamt 20 Themen, zu denen er seine Positionen auf einer Wahlkampf-Webseite ausformuliert hat.

"Es muss alles finanzierbar bleiben, gerade in Zeiten eines sehr knappen Haushalts in Wiesbaden", sagt der Kandidat im Gespräch. Deshalb plädiere er grundsätzlich für Klimaschutz, "aber mit Augenmaß".

Beim Wohnungsbau etwa dürften die Ansprüche nicht so hoch sein, dass es sich am Ende nicht mehr für Investoren lohne und "nicht bezahlbar ist für die Menschen, die darin wohnen sollen".

Klar sein will der 59-Jährige auch in seiner Zustimmung zur "Stadtentwicklungsmaßnahme Ostfeld", worüber seit Jahren in der Wiesbadener Stadtpolitik gestritten wird - auch wegen Bedenken von Landwirten und Umweltschutz-Organisationen. Angesichts des Mangels an bezahlbarem Wohnraum sei der neue Stadtteil aber dringend notwendig, so von Debschitz.

Kandidatur ohne politische Erfahrung

Ob er bei all den Themen, die in Wiesbaden gerade anliegen, nicht manchmal daran zweifle, das ganz ohne politische Erfahrung alles meistern zu können?

Auch hier ist von Debschitz in seiner Antwort klar: "Nein, überhaupt nicht." Demokratie sei schließlich für alle da, die einen Beitrag leisten wollten - nicht nur für langjährige politische Amtsträger.

"Die Tatsache, dass ich keine ausgewiesene Verwaltungserfahrung habe, schreckt mich nicht ab." Es gebe "ganz tolle Menschen", die diese Erfahrung hätten, und mit denen er sich als Oberbürgermeister umgeben werde.

"Ich hatte das ursprünglich nicht auf dem Zettel"

Für das Amt des Oberbürgermeisters zu kandidieren, war allerdings gar nicht seine eigene Idee. "Ich hatte das ursprünglich nicht auf dem Zettel", gesteht von Debschitz. Die Präsidentin des Hessischen Landtags, Astrid Wallmann (CDU), sei im vergangenen Jahr auf ihn zugekommen. Danach habe er erst einmal um drei Wochen Bedenkzeit gebeten.

Schließlich habe er sich gemeinsam mit seiner Familie dafür entschieden - und die Entscheidung seitdem nicht bereut. Auch wenn er die meiste Zeit des Wahlkampfs mehr auf Bundespolitik statt auf die lokalen Themen angesprochen worden sei, auch wenn es manchmal Kritik und Häme gegeben habe: Der Zuspruch von der anderen Seite habe ihn dann wieder bestärkt.

"Es ist mein erster, und ich hoffe, nicht mein letzter Wahlkampf", sagt von Debschitz und schiebt nach: "Ich trete an, um zu gewinnen."

Redaktion: Pia Stenner

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de