Hausärzte und Teile der Opposition dafür Keine Maskenpflicht mehr in Bus und Bahn – bald auch im Gesundheitswesen?
Im Nah- und Fernverkehr ist keine Maske mehr nötig, auch am Arbeitsplatz fallen die letzten gesetzlichen Corona-Regeln. Übrig bleibt die Maskenpflicht im Gesundheitsbereich - doch auch dagegen regt sich zunehmend Widerstand.
Jahrelang war er ständiger Alltagsbegleiter, nun hat der Mund-Nasen-Schutz in immer mehr Bereichen ausgedient. Seit Donnerstag ist das auch in Bus und Bahn der Fall: Sowohl die bundesweite FFP2-Maskenpflicht im Fernverkehr als auch die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske im öffentlichen Nahverkehr in Hessen sind passé.
Keine Maskenpflicht: Wie verhalten Sie sich in Bus und Bahn?
"Die jetzige Lage lässt uns zuversichtlich in die Zukunft blicken", hatte Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) die Entscheidung für die Abschaffung der Maßnahme im ÖPNV im Januar erklärt. "Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass wir uns im Übergang zum endemischen Zustand befinden." Der Endemie-Status lasse sich aber nicht ankündigen, sondern nur im Nachhinein feststellen. Man beobachte die Lage deshalb weiterhin genau, kündigte er in dieser Woche an.
Diskussion über Maskenpflicht beim Arzt
Auch am Arbeitsplatz setzt der Gesetzgeber seit Donnerstag auf die Eigenverantwortung von Arbeitgebern und Beschäftigten - die Corona-Arbeitsschutzverordnung ist ausgelaufen. Was nun noch bleibt, ist die bundesweit geltende Maskenpflicht in medizinischen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Pflegeheimen und Arztpraxen. Auch ein negativer Corona-Test ist zum Beispiel in Kliniken und Altenheimen weiterhin nötig.
Bis 7. April soll sich an diesen Regelungen, die im Infektionsschutzgesetz festgeschrieben sind, auch nichts ändern. Diesen Zeitplan halten viele inzwischen allerdings nicht mehr für angemessen. So mehren sich - auch in Hessen - die Forderungen in Richtung Berlin, die letzten verbliebenen Schutzmaßnahmen zu beenden.
Opposition größtenteils gegen Maske
Ungewohnte Einigkeit herrscht in diesem Punkt zum Beispiel bei einem Großteil der Opposition in der Landespolitik. FDP, Linke und AfD setzen auf das Prinzip Freiheit statt Pflicht. Die AfD spricht von "Zwangsmaßnahmen". Sie betont, genau wie die Linke, eine Entscheidung über ein Ja oder Nein zur Maske sollten nicht Politiker treffen, sondern Mediziner.
Auch der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Yanki Pürsün, fordert eine Aufhebung der Maskenpflicht in allen Bereichen. "Nicht die Freiheit muss begründet werden. Die Einschränkung der Freiheit hingegen muss immer begründet werden", so Pürsün.
SPD, CDU und Grüne anderer Meinung
Die SPD ist dagegen etwas zurückhaltender. Sie verweist auf die Maske als probates Mittel zum Schutz vor Infektionen, gerade dort wo alte oder kranke Menschen versorgt werden.
Grüne und CDU sehen ein Ende der Maskenpflicht im Gesundheitswesen sogar kritisch. "Aus OP-Sälen kennen wir es gar nicht anders, um vulnerable Gruppen zu schützen", so die CDU-Fraktionsvorsitzende Ines Claus. "Dies sollte auch in Arztpraxen Bestand haben, um Risiken gerade im Gesundheitswesen zu vermeiden, und dies nicht nur in Bezug auf Corona."
Hausärzte: "Rechtliche Regelung nicht mehr nötig"
Die Hausärzte setzen auf das Prinzip Eigenverantwortung. "Vor allem die hausärztlichen Praxen haben in der Pandemie mehrfach bewiesen, dass sie die Trennung der Infektpatienten von den Nichtinfektpatienten managen können, zum Beispiel durch Infektsprechstunden oder separate Wartezimmer", sagt Christian Sommerbrodt, Vorstand des Hausärzteverbands Hessen. Das Risiko, sich mit Corona anzustecken, bewege sich zudem auf stabil niedrigem Niveau und die Grippewelle sei abgeflaut. Eine rechtliche Regelung sei deshalb nicht mehr nötig.
Diese Haltung deckt sich mit der Einschätzung der Bundesärztekammer. Deren Präsident Klaus Reinhardt argumentiert, dass nicht in allen Einrichtungen Hochrisikopatienten behandelt würden, und deshalb eine Maskenpflicht nicht überall notwendig sei.
Krankenhaus-Verband zögerlicher
Zurückhaltender ist dagegen die Hessische Krankenhausgesellschaft (HKG). Auf hr-Anfrage schreibt ein Sprecher, man begrüße ein schrittweises Vorgehen. "Dazu sollten Politik und Praxis (einschließlich der Mediziner vor Ort) mit dem Robert-Koch-Institut im Diskurs überdenken, wie schrittweise zu einem 'normalen' Umgang zurückgefunden werden kann."
Ist COVID-19 also nur noch ein Gesundheitsrisiko unter vielen? "Zum aktuellen Zeitpunkt lässt sich diese These sicherlich vertreten", so der HKG-Sprecher. Allerdings müsse das Infektionsgeschehen weltweit im Auge behalten werden, nicht nur in Bezug auf Corona.
Wenige Covid-Intensivpatienten
Tatsächlich ist die Lage in den Kliniken bei Weitem nicht mehr so angespannt wie im Oktober vergangenen Jahres, als mancherorts die Kapazitätsgrenzen erreicht wurden. Die Zahl der Covid-19-Patientinnen und -Patienten auf hessischen Intensivstationen geht seit einigen Wochen zurück, zuletzt lag sie bei 78 (Stand: 31. Januar).
Laut Einschätzung der Frankfurter Virologin Sandra Ciesek müssen sich immungeschwächte oder ältere Menschen zwar keine großen Sorgen machen, sich im Krankenhaus mit dem Virus zu infizieren. Aber auch die Übertragung von anderen respiratorischen Erregern wie Influenzaviren lasse sich durch das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes reduzieren. "Deshalb würde ich mir wünschen, dass auch langfristig im direkten Umgang mit Patienten ein Mund-Nasen-Schutz getragen wird – insbesondere in der Erkältungszeit", so Ciesek.
Klose: Bund entscheidet
Aus dem hessischen Gesundheitsministerium kommt auf hr-Anfrage eine von Minister Klose bereits häufig formulierte Antwort: Die Entscheidung liege in der Hand des Bundes, die Länder würden sich aber eng abstimmen. Außerdem heißt es: "Die Verpflichtung, in Einrichtungen, in denen alte oder grunderkrankte Menschen untergebracht sind, einen Mund-Nasen-Schutz tragen zu müssen, bietet erwiesenermaßen einen sehr guten Schutz vor der Weitergabe von Infektionen, ist aber ein verhältnismäßig geringer Grundrechtseingriff".
Das könnte heißen: Hessen wird alleine wohl keinen Vorstoß wagen - sich aber auch nicht wehren, sollte der Bund es tun. Dieses Signal aus Berlin ist aber derzeit kaum hörbar. Der zuständige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will an der Maske im Gesundheitsbereich vorerst festhalten.
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hr-fernsehen, hessenschau, 2.2.2023, 19.30 Uhr
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