Einigung von Union und SPD im Bund So reagieren Politik und Wirtschaft in Hessen auf den Berliner Koalitionsvertrag
Von "gute Basis" bis "keine Perspektive" reichen die Reaktionen in Hessen auf den schwarz-roten Koalitionsvertrag in Berlin. Ministerpräsident Rhein sieht eine klare hessische Handschrift, die Grünen sehen vor allem Absichtserklärungen.
Der Koalitionsvertrag von Union und SPD in Berlin sorgt in Hessen vor allem bei der CDU für Zufriedenheit. Ministerpräsident Boris Rhein sieht "eine gute Basis, um Deutschland in den nächsten vier Jahren wieder nach vorne zu führen". Die künftigen Partner würden "ein Zeichen für ein souveränes, sicheres und soziales Deutschland" setzen, sagte Rhein am Mittwoch.
Profitieren würden auch "die EU, unsere Bündnispartner in der Nato und die Ukraine", so Rhein. Die neue Bundesregierung werde ein Kontrastprogramm zur Ampel-Koalition bieten.
Hessen-CDU zeigt sich zufrieden
Der Vertrag enthalte wesentliche Forderungen der Union. Er mache bei Migration, innerer Sicherheit und Wirtschaft Veränderungen möglich und trage in wesentlichen Punkten eine klare hessische Handschrift. In Hessen regiert seit Januar 2024 eine unionsgeführte schwarz-rote Koalition.
Zahlreiche zentrale Wahlversprechen der Union stünden im Koalitionsvertrag, erklärte auch der Generalsekretär der CDU Hessen, Leopold Born. Er sprach von einem Verhandlungserfolg, der vor allem dem künftigen Kanzler Friedrich Merz (CDU) zu verdanken sei.
Grüne: "Klimaschutz nach einer Dreiviertelstunde"
Weniger rosig sehen die hessischen Grünen die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen. Dass sie im alten Bundestag noch dem Sondervermögen für Infrastruktur ihre Handschrift mitgeben konnten, scheint in den Reaktionen aus Hessen kaum durch.
Ein "Sammelsurium von Absichtserklärungen" ohne "wirkliche Perspektive für unser Land" nannte der Fraktionsvorsitzende Mathias Wagner den schwarz-roten Koalitionsvertrag. Mit Ausnahme des Sondervermögens Infrastruktur fehle jegliche Finanzierung für die Versprechungen von Union und SPD. "Wie schon in Hessen drohen auch im Bund mit CDU und SPD Stillstand und Rückschritte in den zentralen Fragen unserer Zeit", so Wagner.
In der Pressekonferenz sei das Thema Klimaschutz erst nach einer Dreiviertelstunde erwähnt worden. "Das spricht Bände", findet Wagner. Dass Merz und die CDU im Wahlkampf in Bezug auf Investitionen und Schulden die Unwahrheit gesagt hätten, sei ein Makel, der bleibe.
Wirtschaft erwartet Wettbewerbsfähigkeit
Der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) gehen die Pläne der künftigen Koalitionäre nicht weit genug. Die neue Bundesregierung müsse alles tun, was den Standort Deutschland und die Wirtschaft im internationalen Wettbewerb stärke, sagte VhU-Präsident Wolf Matthias Mang. "Der heute vorgelegte Koalitionsvertrag bietet dafür Ansätze, bleibt aber bei wesentlichen Weichenstellungen deutlich hinter den Notwendigkeiten zurück."
Der Hessische Industrie und Handelskammertag teilte am Donnerstag mit, man sehe zwar wichtige Weichenstellugen, es hätte aber ein "mutigeres Signal für Wettbewerbsfähigkeit und Standortstärkung gebraucht".
Zufriedener zeigte sich der Verband der Chemischen Industrie. Die Koalitionspartner hätten einen ordentlichen Start hingelegt. "Nichts ist in diesen Tagen wichtiger als eine handlungsfähige Regierung", sagte Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. Jetzt gehe es darum, "aus guten Absichten konkrete Ergebnisse zu machen."
"Demokratie beginnt mit Bildung"
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte in einer ersten Reaktion einen Neustart in der Bildung. "Um die soziale und wirtschaftliche Stabilität in unserem Land sicherzustellen, braucht es eine Zeitenwende in der Bildungspolitik", sagte die Vorsitzende Maike Finnern. Deutschland könne sich nicht länger ein marodes Bildungssystem leisten.
Der bildungspolitische Neustart müsse bedarfsgerecht durchfinanziert sein und den gesamten Bildungsweg abdecken: von der Kita über die Schulen und Hochschulen bis hin zur beruflichen Bildung und Weiterbildung. "Die politisch und wirtschaftlich herausfordernde Zeit, in der wir leben, braucht eine starke, stabile Demokratie. Und: Demokratie beginnt mit Bildung."