Knapp gewählt ist auch gewählt
Sven Schoeller von den Grünen wird der neue Oberbürgermeister von Kassel. Zur Stichwahl trat er nach Rückzug des Amtsinhabers allein an. Und auch wenn er diese knapp gewonnen hat, bleibt ein fader Beigeschmack.
Wenn Wählerinnen und Wähler das Gefühl haben, sie haben keine Wahl, dann gehen sie auch nicht hin. Das ist die bittere Erkenntnis, die sich nach der Stichwahl in Kassel zeigt. Mit einer Wahlbeteiligung von 33,17 Prozent gingen am Sonntag deutlich weniger Menschen wählen als noch vor zwei Wochen. Da betrug die Wahlbeteiligung 40,9 Prozent.
Sven Schoeller von den Grünen war nach Rückzug von Amtsinhaber Christian Geselle (parteilos), dem Sieger des ersten Wahlgangs, der einzige Kandidat der Stichwahl. Er wurde gewählt, weil er ein paar mehr Ja-Stimmen erhielt als Nein-Stimmen. Doch von den 145.785 Wahlberechtigten in Kassel haben ihn letztlich nur gut 16 Prozent gewählt. Das ist kein strahlender Sieg, das kann auch den gewählten Oberbürgermeister nicht zufrieden stellen.
Eine erste Analyse zeigt: Schoeller konnte die Stadtteile, die beim ersten Wahlgang mehrheitlich Christian Geselle wählten, nicht überzeugen. Lediglich in Nord-Holland, wo Linken-Kandidatin Violetta Bock zuletzt die Nase vorn hatte, haben die Menschen nun Schoeller gewählt - und das, obwohl die Linken-Kandidatin sich ausdrücklich gegen Schoeller ausgesprochen hatte.
Einfach nur genervt vom Rathaus-Chaos?
Dass so wenige Menschen an diesem Sonntag in Kassel zur Wahl gingen, könnte auch damit zusammenhängen, dass ihnen "die Rathauspolitik bis obenhin steht", wie Ex-Ministerpräsident und Ex-OB Hans Eichel (SPD) am Wahlabend sagte. Noch mehr Nein-Stimmen hätten Neuwahlen zur Folge gehabt. Das wollten viele offenbar auch nicht.
Alle Nichtwähler, die jetzt meckern oder mähren - wie man hier in Kassel sagt, weil Schoeller zu wenige Wahlberechtigte überzeugt hat, müssen sich schon an die eigene Nase fassen. Denn nur wer wählt, hat auch die Wahl. Auch wenn diese zu Neuwahlen geführt hätte.
Woran Schoeller jetzt gemessen wird
Wenn auch Sven Schoeller gut 8.000 Stimmen in der Stichwahl mehr bekommen hat als noch vor zwei Wochen. Nachdem er am 22. Juli in sein neues Amt eingeführt worden ist, wird er in den kommenden sechs Jahren an seiner Aussage vom Wahlabend gemessen werden: ein Oberbürgermeister für alle Menschen in Kassel zu sein.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 27.03.2023, 16.45 Uhr
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