Vorschlag bei Kultusministerkonferenz Hessen will allgemeines Handyverbot an Schulen

Hessens Kultusminister Schwarz will sich bei seinen Länderkollegen für ein bundesweit einheitliches Handyverbot an Schulen einsetzen. Dabei gibt es gute Erfahrungen mit individuellen Lösungen, wie ein Beispiel aus Alsfeld zeigt.

Eine Frau liegt auf einem Sofa und schaut sich ein Video auf der Social-Media-Plattform Instagram auf ihrem Handy an.
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Wenn Anjali, Liv und Joshua ihr Klassenzimmer betreten, gilt neuerdings: Die Handys bleiben ausgeschaltet in der Tasche. Anfang November hat die Albert-Schweitzer-Schule in Alsfeld (Vogelsberg) ein Smartphone-Verbot für Fünft- bis Zehntklässler eingeführt.

Das sei gar nicht so schlimm, sagt Anjali: "Wenn du nur am Handy bist, redest du nicht mit deinen Freunden." Jetzt könne man sich besser kennen lernen "und sehen, woran man noch Spaß haben kann".

Hoffnung auf weniger Ablenkung und weniger Konflikte

Ein Jahr lang bereitete die Schule diesen Schritt gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern sowie der Elternschaft vor. Die Schulkonferenz habe schließlich voll zugestimmt, sagt Rektor Christian Bolduan.

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Alsfelder Schule setzt Handyverbot durch

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Er erhofft sich dadurch weniger Ablenkung und Konflikte im Unterricht. "Wenn Bilder oder Filme gemacht wurden und andere das nicht wollten, hatten wir hier immer den Ärger", sagt Bolduan. Außerdem seien einige Kinder mit der Nutzung und ständigen Erreichbarkeit überfordert gewesen.

Positive Erfahrungsberichte beim G20-Bildungstreffen

Geht es nach dem hessischen Kultusminister Armin Schwarz (CDU), könnte es bald ein bundesweites Handyverbot an Schulen geben. Bei der Kultusministerkonferenz in dieser Woche will er das vorschlagen.

Ende Oktober war Schwarz als deutscher Vertreter beim G20-Bildungstreffen in Brasilien und führte dort auch Gespräche mit seinen kanadischen und australischen Kolleginnen und Kollegen. Dort gelten seit diesem Jahr Smartphone-Verbote an Schulen, in Australien seit kurzem sogar ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige.

Aus Australien und Kanada habe er "nur Positives" berichtet bekommen, sagte Schwarz dem hr. Das gelte auch für europäische Länder wie Frankreich oder England, wo bereits Verbote eingeführt wurden.

Schulen in Hessen entscheiden derzeit selbst

In Deutschland dürfte die Einführung eines solchen bundesweiten Gesetzes schwer werden: Bildung ist Ländersache. Das sei auch gut so, betonte Schwarz. Von der Kultusministerkonferenz erhoffe er sich erst einmal, "dass wir einen guten gemeinsamen Weg finden".

Das Hessische Schulgesetz überlässt derzeit den Schulen die Entscheidung, ob sie ein Verbot einführen oder nicht. Sie können individuelle Regeln in ihrer Schulordnung festlegen, müssen dabei aber immer verhältnismäßig handeln. So dürfen Schülerinnen und Schüler nicht in ihrem Eigentumsrecht oder ihren Grundrechten verletzt werden.

Studie belegt Auswirkung auf soziales Wohlbefinden

Die Einführung einer allgemeingültigen Regelung könne die Lehrerinnen und Lehrer "von der permanenten Kontrolle" entlasten, glaubt Kultusminister Schwarz. Studien zeigten zudem, dass eine entsprechende Regelung an Schulen die Konzentration erhöhe, während das Risiko von Ablenkungen und Depressionen sinke. "Es geht hier nicht um Politik, es geht um Verantwortung", betont Schwarz.

Tatsächlich kam kürzlich eine Studie der Universität Augsburg zu dem Ergebnis, dass sich ein Smartphone-Verbot messbar auf das soziale Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler auswirke. Die Forscher betonten aber: Es sei wichtig, einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Technik zu vermitteln. Ein striktes Verbot sei daher nur in unteren Klassen sinnvoll.

Kinderhilfswerk: "Müssen Kinder bei Mediennutzung begleiten"

Dafür spricht sich auch der Medienpädagoge Kai Hanke, der Geschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerks, aus. Er hält wenig von einem strikten Verbot und fordert stattdessen, die Mediennutzung an den Schulen und zu Hause zu begleiten sowie Vor- und Nachteile gemeinsam herauszuarbeiten.

Zwar findet auch Hanke, dass die Risiken etwa von Social Media stärker reflektiert werden müssten. "Aber wenn wir Kindern verbieten, diese Angebote zu nutzen, schneiden wir sie von einem wichtigen Teil ihrer Lebensrealität ab", findet er.

Die Kultusministerkonferenz habe außerdem beschlossen, dass die Medienbildung ein wichtiger Teil der Bildung sein soll. "Das schaffe ich nicht, wenn ich die Geräte flächendeckend aus der Schule heraushalte", so Hanke.

GEW: Schulen brauchen individuelle Lösungen

Diese Ansicht teilt Thilo Hartmann von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Hessen. Den Schülerinnen und Schülern müsse vermittelt werden, welche Risiken die Handynutzung birgt und wo die Grenzen sind.

Durch ein Verbot werde ein pädagogischer Umgang mit Handys nicht mehr ermöglicht. Den Schulen sei also nicht geholfen - im Gegenteil: "Das bringt Probleme statt Lösungen. Es schadet dem Verhältnis zwischen Schülern und Lehrkräften und damit auch dem pädagogischen Auftrag", betont Hartmann.

Unterschiede zwischen Land und Stadt

Der GEW-Vorsitzende plädiert dafür, dass die Schulen mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam Lösungen erarbeiten: "Die Schulen vor Ort wissen am besten, welche Bedürfnisse zur Regelung der Handynutzung sie haben." Die Voraussetzungen seien auch unterschiedlich, zum Beispiel auf dem Land und in der Stadt.

Mit Blick auf die Aufgabe, Medienkompetenz zu vermitteln, gibt Hartmann zudem zu bedenken, dass die Schulen nicht flächendeckend gleichermaßen dazu in der Lage seien. Das liege an verschiedenen Faktoren. Zum Beispiel sei allein der Zugang zum Internet je nach Lage der Schule unterschiedlich.

Lehrerverband und Schülervertretung gegen Verbot

Der deutsche Lehrerverband sprach sich im vorigen Jahr gegen ein allgemeines Handyverbot an Schulen aus. Das lasse sich nicht durchsetzen, sagte Verbandspräsident Stefan Düll der Deutschen Presse-Agentur. Der Landeselternbeirat will über das Thema in seiner Sitzung am kommenden Samstag sprechen.

Auch die Landesschülervertretung hält ein Verbot für "nicht zeitgemäß und kontraproduktiv". Smartphones seien bereits ein großer und fester Bestandteil des Lebens und der Arbeitswelt.

"Deswegen müssen auch die Schulen diese Lebensrealität abbilden und Wege finden, wie sie Smartphones sinnvoll in das Schulleben integrieren können", fordert das Gremium in seiner "Handreichung gegen das Handyverbot an hessischen Schulen".

Schwarz für Medienbildung ohne Geräte von Schülern

Kultusminister Schwarz weiß um die Wichtigkeit von Medienkompetenz. "Ein eigenes Handy zu haben, bedeutet nicht, dass man kompetent ist im Umgang mit digitalen Endgeräten und digitalen Medien", sagte er. Es sei deshalb die Aufgabe der Lehrkräfte, altersgerechte Medienbildung methodisch und didaktisch sinnvoll umzusetzen, schon in der Grundschule.

Dafür sei aber kein eigenes Gerät nötig. "Wenn klar ist, dass ein Handy nichts in der Schule verloren hat, dann ist das so", sagte der Minister mit Blick auf ein mögliches bundesweites Verbot: "Und wenn doch eins auftaucht, muss entsprechend damit umgegangen werden. Es ist ja auch nicht erlaubt abzuschreiben."

Alsfelder Schule bietet Alternativen in Pausen

Der Leiter der Albert-Schweitzer-Schule in Alsfeld macht sich keine Illusionen darüber, dass das dort eingeführte Verbot hier und da unterlaufen wird. Insgesamt sei die Akzeptanz für den Schritt aber groß, auch unter den Schülerinnen und Schülern, sagt Christian Bolduan.

Wenn doch einmal ein Handy ohne Rücksprache mit der Lehrkraft im Unterricht auftauche, dürfe es laut Hessischem Schulgesetz konfisziert werden. Das sei bisher aber nur zweimal vorgekommen.

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Vielleicht liegt das an den Angeboten, die die Schule stattdessen für die Pausenzeiten macht: Die Turnhalle ist geöffnet, außerdem werden Spiele bereitgestellt - falls die Kinder und Jugendlichen, wie Anjali es ausdrückt, doch nicht wissen, woran man noch Spaß haben kann.

Redaktion: Meliha Verderber und Anna Lisa Lüft

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de, Daniela Möllenkamp, Franco Foraci, Carsten Gohlke (hr)

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9 Kommentare

  • Mein Sohn hat einmal das Handy in der Schule benutzt, der Lehrer hat es einkassiert.
    Meinem Sohn wurde gesagt, die Eltern können es im Sekretariat abholen.
    Ich wurde telefonisch über das Sekretariat informiert.

    Da mein Sohn meinte, ich müsse nach dem er zu Hause angekommen war gleich in die Schule sein Handy holen, habe ich dies verneint, und ihm gesagt, dass ich es am nächsten Tag abholen werde.

    Natürlich gab es Diskussionen , aber danach hat er das Handy im Unterricht nicht mehr benutzt,
    und daraus gelernt.

  • Sehr gute Initiative! Das ist dringend geboten und längst überfällig. Smartphones haben in der Schule nichts verloren. Die Frage ist, inwieweit sich das umsetzen bzw. kontrollieren lässt. Sinnvoller wäre ohnehin die Nutzung von Smartphones für Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren deutlich einzuschränken. Ein normales Handy ist in dem Alter absolut ausreichend. Aber hier sind dann natürlich nicht nur die Schulen gefragt.

  • Es ist Zeit, die Realität an unseren Schulen anzuerkennen. Natürlich wäre es ideal, die Medienkompetenzen unserer Kinder durch Begleitung zu fördern. Doch wer übernimmt das? Lehrer? Eltern? Die Antwort: Nein. Handys stören die Konzentration, und Lehrkräfte haben die Kontrolle längst verloren. Was passiert? Nichts genau wie bei der Digitalisierung, einem weiteren Beispiel für das Versagen unseres Bildungssystems.

    Unser Bildungsföderalismus scheint wichtiger zu sein als die Zukunft unserer Kinder. Jede Schule, besonders in Hessen, darf nach eigenen Maßstäben agieren oft mit der Folge, dass Schülerinnen und Schüler vernachlässigt werden. Dieses System war schon vor der Smartphone-Ära krank. Seit 25 Jahren reden wir von einem Wandel hin zum Wissensmanagement doch wo bleibt er? Wo ist die Digitalisierung, die Schulen fit für die Zukunft machen sollte? Sie bleibt aus, während das System weiter stagniert. Es ist Zeit, grundlegende Probleme anzugehen, statt Symptome zu kaschieren.

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