Landesparteitag in Wiesbaden BSW will im Bundestagswahlkampf mit Krieg und Frieden punkten
Der Landesverband des Bündnisses Sahra Wagenknecht hat in Wiesbaden die Kandidaten für den Bundestagswahlkampf gewählt. Wagenknecht war nicht anwesend - ihre Themen rund um Russland, Krieg und Frieden vertrat ein anderer.
Ausgerechnet die Frau, um die sich die ganze Partei dreht, kam überraschend nicht: Sahra Wagenknecht sei verhindert, hieß es am Samstag auf dem Landesparteitag des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) in Wiesbaden.
Wagenknecht schickte stattdessen ihren Ehemann Oskar Lafontaine, um die hessischen Parteifreunde zu motivieren: Der überbrachte Grüße von seiner Frau und eine Entschuldigung: "Sie hat zu viel zu tun und gesagt, zur Not bringe ich das auch noch hin." Die 42 anwesenden Parteimitglieder applaudierten nach seiner Rede im Stehen.
In Hessen hat die Partei insgesamt nur rund 60 Mitglieder, zwei Drittel davon waren anwesend. Der Kreis wird bewusst kleingehalten. Wer in das BSW eintreten will, wird handverlesen. Damit will die Parteiführung die Kontrolle über den Kurs behalten.
Krieg und Frieden sind dominierende Themen
Und der zeichnete sich auf dem Parteitag in Wiesbaden klar ab: Krieg und Frieden treibt die meisten im BSW um - und mit diesen Themen soll Wahlkampf gemacht werden.
Auch Heidemarie Scheuch-Paschkewitz hat dieses Thema zum BSW gebracht. Sie war Landtagsabgeordnete der Linken, neun Jahre lang sogar Parteivorsitzende in Hessen, dann trat sie aus. "Weil die friedenspolitischen Standpunkte und Haltungen nicht mehr meinen entsprochen haben", erklärt sie den Schritt.
Die Linke habe etwa nicht offensiv zu den großen Friedensdemos aufgerufen. "Ich hatte meine politische Heimat verloren", so Scheuch-Paschkewitz. Nun will sie auf Platz drei der Liste des BSW in den Bundestag einziehen, über die die Mitglieder am Samstag abstimmten.
Lafontaine wirbt für Russland-Beziehungen
Auch für Lafontaine ist das Thema Krieg entscheidend - neben der nach seiner Ansicht drohenden Deindustrialisierung Deutschlands. Beides hängt für ihn eng zusammen, erklärte er in seiner Rede: Nur russisches Öl und Gas könnten zu niedrigen Energiepreisen führen, die Deutschland brauche, um eine Deindustrialisierung zu stoppen. "Wer das nicht weiß, kann einfach nicht zählen oder nicht rechnen."
Bei diesem Thema sieht der ehemalige SPD-Politiker Lafontaine sogar Gemeinsamkeiten mit der AfD: "Die AfD tritt für gute Wirtschaftsbeziehungen mit Russland ein", sagte er. Aus seiner Sicht "die einzige Möglichkeit, auf Dauer wieder zu niedrigen Energiepreisen in Deutschland zu kommen."
Kein Wort zum völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine
Dass Russlands Staatschef Putin einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine begonnen hat, kritisierte er in seiner Rede nicht. Stattdessen behauptete er mehrfach, dass "die USA uns die Energieleitung weggesprengt hat. In was für einem Vasallenstaat leben wir eigentlich?". Damit war offensichtlich der Anschlag auf die Gasleitung Nord Stream gemeint. Dass die USA dabei eine Rolle gespielt haben könnten, ist eine unbewiesene Behauptung Lafontaines.
Auch andere Redner auf dem BSW-Parteitag sehen die Verantwortung für Krieg oder Frieden weniger bei Russland als bei den USA. "Hier in Wiesbaden-Erbenheim führen die Amerikaner Regie über Krieg und Leid in der Ukraine", sagte der BSW-Landesvorsitzende Oliver Jeschonnek, "auch Mittelstreckenraketen könnten unser aller Sicherheit und Frieden bedrohen." In Wiesbaden-Erbenheim gibt es eine US-Militärbasis und das Ukraine-Kommando der NATO.
Spitzenkandidat Ali Al-Dailami gewählt
Wie das BSW im Bundestagswahlkampf punkten will, machte auch der neue Spitzenkandidaten der Landesliste Ali Al-Dailami in seiner Rede deutlich: Wer Geld für Aufrüstung und Verteidigung ausgebe, habe es nicht mehr für soziale Bedürfnisse übrig.
Al-Dailami war zuletzt für die Linke in den Bundestag eingezogen, folgte dann aber Sahra Wagenknecht, als sie das BSW von der Linken abspaltete. Auf dem Landesparteitag erhielt er 95 Prozent der abgegebenen Stimmen, um als Spitzenkandidat in den Bundestagswahlkampf zu gehen.
Al-Dailami kam als Flüchtling nach Deutschland
Wer 100 Milliarden Euro für den Krieg aufwende, statt für Infrastruktur und Bildung, vergehe sich an der Zukunft, sagte Al-Dailami. Er spreche aus eigener Erfahrung: "Es ist die soziale Situation, die darüber entscheidet, ob ein Kind in der Schule Erfolg hat, wie seine Zukunft aussieht, ob es eine Ausbildung bekommt und ob es an dieser Gesellschaft teilhaben kann."
Der 42-Jährige hat eine bewegte Lebensgeschichte, er kam Anfang der 1990er Jahre als Kind jemenitischer Flüchtlinge nach Deutschland, wuchs im Kinderheim auf. Er brach die Schule ab und machte erst im zweiten Bildungsweg seinen Schulabschluss.
Acht Kandidatinnen und Kandidaten nominiert
Auch für Heidemarie Scheuch-Paschkewitz wird die soziale Frage die entscheidende in diesem Wahlkampf sein, neben der von Krieg und Frieden: "Wenn ich einkaufen gehe und das halbe Pfund Butter kostet an die vier Euro und alles wird teurer und die Mieten steigen, dann haben die Menschen einfach Angst."
Zusammen mit Ali Al-Dailami und dem Hochschullehrer Shervin Haghsheno, der auf Platz zwei gewählt wurde, sowie fünf weiteren nominierten Kandidatinnen und Kandidaten aus Hessen steht sie nun auf der BSW-Liste für den Bundestag. Es ist unklar, ob es das BSW in das Parlament schaffen wird. Ali Al-Dailami hofft auf fünf Prozent.