Gesetzentwurf von CDU/SPD im Landtag Viel Zuspruch für Jagdrecht-Initiative zum Wolf - trotz unklaren Nutzens
Schon im Landtagswahlkampf war der Wolf ein Lieblingsstreitthema. Jetzt will die Landesregierung das Tier ins Jagdrecht aufnehmen und hat einen entsprechenden Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht. Naturschützer wittern Populismus und warnen vor umso größeren Risiken für Weidetiere.
In der kontrovers und oft emotional geführten Debatte um den Wolf wollen die hessischen Regierungsfraktionen von CDU und SPD das Tier in das Landesjagdrecht aufnehmen.
"Wir brauchen die Trendwende Wolf", sagte der CDU-Abgeordnete Dominik Leyh am Mittwoch beim Einbringen eines Gesetzentwurfs im Landtag. Auch bei der Opposition gab es in der Debatte keine grundsätzlichen Bedenken. Kritik an den Plänen kommt von Naturschützern. Rein rechtlich würde der Abschuss von Wölfen aber schwierig bleiben.
Viel Einigkeit unter den Parteien
"Die Maßnahme verbessert den Schutz von Weidetierhaltern und ermöglicht eine bessere Bestandsregulierung", sagte Leyh. Es könne mehr Flexibilität im Umgang mit kritischen Wolfspopulationen geben.
Auch die Grünen sind nach Angaben des Abgeordneten Hans-Jürgen Müller offen für Lösungsvorschläge im Umgang mit dem Wolf, wollen aber prüfen, was diese in der Umsetzung bedeuten. "Die Wiederansiedlung des Wolfs wühlt die Menschen in unserem Bundesland auf. Egal, ob es die Angst um oder vor dem Wolf ist, es ist Aufgabe der Politik, diese Sorgen ernst zu nehmen", sagte der SPD-Abgeordnete Maximilian Ziegler. Die Änderung des Jagdrechts sei eine Weichenstellung.
Die FDP-Fraktionsvorsitzende Wiebke Knell bezeichnete die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht als "gute Nachricht". Die Liberalen hätten dies seit Jahren gefordert, die Umsetzung sei überfällig.
Der AfD als größter Oppositionspartei geht der Gesetzentwurf nicht weit genug: Sie fordert eine ganzjährige Bejagung der Raubtiere. Der Wolf sei in seiner Art weltweit nicht gefährdet, sagte der Abgeordnete Johannes Marxen.
Hessen Forst soll Wolfsmanagement übernehmen
Kritische Töne gab es vor allem zum Wolfsmanagement. "Das Wolfsmanagement ist in Hessen bisher gescheitert", sagte Knell. Hessen brauche eine Populationsstudie. Aktuell wisse man überhaupt nicht, wie viele der Tiere in Hessen sesshaft seien. Dem widersprach Jagdminister Ingmar Jung (CDU). Im vergangenen Jahr habe es eine Population von 26 Tieren gegeben.
Nach Angaben des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) wurde der erste Wolf 2008 in Hessen wieder sesshaft. Seit 2018 nehme die Zahl der Wolfsterritorien zu. Mittlerweile sind sie in mehreren Landkreisen sesshaft. Das Wolfsmanagement soll künftig nicht mehr das HLNUG, sondern Hessen Forst übernehmen.
Zudem soll sich die Zahlung von Entschädigungen ändern. Hier soll es nach Angaben von Ziegler eine Beweislastumkehr geben. "Wir brauchen auch eine Trendwende bei der Entschädigung", sagte Jung. Sei derzeit noch ein DNA-Nachweis nötig, soll künftig bei Tierrissen schon bei Indizien unbürokratisch entschädigt werden.
Das Monitoring und die Begutachtung von DNA-Proben gerissener Tiere müssten professionalisiert werden, sagte Knell. "Das aktuelle Verfahren genießt kein Vertrauen bei den betroffenen Weidetierhaltern."
Naturschützer kritisieren "populistische Politik"
Naturschützer kritisieren die Pläne der Landesregierung. "Die Koalitionsfraktionen und die Landesregierung präsentieren eine populistische Politik zu Lasten von Wölfen und Weidetieren", teilte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) mit. Mit der Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht und der gleichzeitigen Anordnung der ganzjährigen Schonzeit werde die Entnahme von Wölfen nicht erleichtert.
Auch der Naturschutzbund (Nabu) sieht die Gesetzesvorlage kritisch. Weidetierhaltern werde Sicherheit vorgetäuscht. Für nachhaltigen Schutz würden nur hohe, unter Strom stehende Zäune und Herdenschutzhunde sorgen. Weidetierhalter müssten dazu beraten werden.
Beim Herdenschutz sei es außerdem wichtig, die Lebensweise von Wölfen zu berücksichtigen. Würden erfahrene Wölfe abgeschossen, zerstöre das die Sozialstruktur von Wolfsfamilien, sodass die verbleibenden Tiere weniger Erfolg bei der Jagd auf Wildtiere hätten. Die Folge: Sie würden gezwungen, häufiger schlecht geschützte Nutztiere anzugreifen. "Mit dem Abschuss einzelner Wölfe wird Weidetierhaltern mehr geschadet als genutzt", so Till.
26 Wölfe in Hessen, 118 tote Weidetiere
Hessens Wolfspolulation wächst stetig. Derzeit leben hier 26 Wölfe, zeigt der Jahresrückblick des HLNUG. 2022 waren es noch 19. Damit ist Hessen ein vergleichsweise kleines Wolfsland. Sachsen und Brandenburg zählten 2023 zum Beispiel mehr als 30 Wolfsrudel, Hessen drei.
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118 Weidetiere wurden vergangenes Jahr in Hessen von Wölfen gerissen, verletzt oder sind verschollen. 2022 waren es 26 Weidetiere.
Der Nabu stellt diesen Zahlen andere gegenüber: Jedes Jahr kämen in Hessen rund 15.000 Schafe und Ziegen sowie rund 20.000 Kälber während der Geburt oder durch Krankheiten vorzeitig zu Tode. Der Naturschutzbund bezieht sich dabei auf Angaben des Umweltministerium.
Nutztiere nur kleine Nahrungsquelle
Die Naturschützer betonen außerdem, dass Nutztiere nur einen kleinen Teil der Nahrung von Wölfen ausmachten: rund 1,6 Prozent. Hauptbeutetier sei das Reh mit 51 Prozent, gefolgt von Wildschweinen (20 Prozent) und Rotwild (13 Prozent). Dabei bezieht sich der Nabu auf Untersuchungen des Senckenberg Museums für Naturkunde an über 8.700 gesammelten Kotproben aus den Jahren 2001 bis 2019.
"Wölfe sind Energiesparer und Opportunisten", sagte Hessens Wolfsbeauftragte Susanne Jokisch vergangenes Jahr in einem hr-Interview. Sie fressen, was leicht zu kriegen ist - neben kranken oder verletzten Wildtieren seien das auch mal Nutztiere hinter zu leicht überwindbaren Zäunen.
Wölfe zu jagen, bleibt schwierig
In Deutschland können bislang nur sogenannte Problemwölfe geschossen werden. Die Hürden dafür sind hoch - daran würde derzeit auch eine Novelle des Jagdrechts in Hessen nichts ändern. Denn Wölfe sind streng geschützt, die Zuständigkeit dafür liegt bei der EU.
Man brauche andere Voraussetzungen auch auf bundes- und europäischer Ebene, forderte Jung. "Die Bundesregierung muss endlich in die Trendwende einsteigen."
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau vom 15.05.2024, 19.30 Uhr
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