Anwalt von Ex-Staatssekretärin Messari-Becker "Diese Schlammschlacht hatte das Ministerium schon angedroht"

In der Affäre um die Entlassung der Ex-Staatssekretärin Messari-Becker will ihr Anwalt trotz eines juristischen Rückschlags nicht klein beigeben. Im Interview erhebt der Jura-Professor Winterhoff einen schweren Vorwurf gegen SPD-Politiker Mansoori und das von ihm geführte Wirtschaftsministerium.

Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD), entlassene Staatssekretärin Lamia Messari-Becker
Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD), entlassene Staatssekretärin Lamia Messari-Becker (parteilos) Bild © picture-alliance/dpa

Hat der hessische Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) sich falscher Anschuldigungen eines Schulleiters über ein Abi-Elterngespräch und schmutziger Tricks bedient? Wollte er so seine unliebsam gewordene parteilose Staatssekretärin Lamia Messari-Becker loswerden? Anfang des neuen Jahres wird ein von der Opposition durchgesetzter Untersuchungsausschuss des Landtages in die Aufklärungsarbeit einsteigen.

Ginge es nach der SPD, wäre die Entlassungsaffäre für Mansoori schon jetzt beendet. Anfang der Woche lautete der Beschluss des Verwaltungsgericht Wiesbaden in einem Eilverfahren: Am Akt der Entlassung der politischen Beamtin sei rechtlich nichts auszusetzen. Für einen Rauswurf reiche allein ein Vertrauensverlust – egal, ob die Vorwürfe stimmten oder nicht.

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Christian Winterhoff, Hamburger Anwalt der renommierten Bau-Professorin, sieht Mansoori damit nicht aus dem Schneider – im Gegenteil. Der Jura-Professor sagt im Interview: Das Wirtschaftsministerium mache bei einem vorher schon angedrohten schmutzigen Kampf auch vor dem Privatleben seiner Mandantin nicht Halt.

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Das Gespräch führte Wolfgang Türk

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hessenschau.de: Herr Winterhoff, nach Auffassung der SPD ist ihr Minister mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichts reingewaschen. Haben Sie Ihrer Mandantin geraten, ihren Kampf aufzugeben?

Christian Winterhoff: Nein, das haben wir nicht empfohlen. Das Widerspruchsverfahren wird fortgesetzt. Außerdem behält sich unsere Mandantin vor, eine Schadensersatzklage zu erheben. Staatsminister Mansoori hat aus unserer Sicht ihren Ruf beschädigt und die ihm obliegende beamtenrechtliche Fürsorgepflicht durch die öffentliche Verbreitung eines unwahren Vorwurfs massiv, wiederholt und folgenreich verletzt.

hessenschau.de: War die Klage im Nachhinein betrachtet ein Fehler, zumal Frau Messari-Becker doch bestimmt nicht auf ihren alten Posten zurückwollte, oder?

Winterhoff: Die Entscheidung ist aus unserer Sicht rechtswidrig. Die zunächst gegebene Begründung wurde später durch einen gänzlich anders gelagerten Vorwurf ersetzt. Zunächst hat Herr Mansoori ein außerdienstliches Fehlverhalten angeführt, im Kabinettsbeschluss war dann von einem allgemeinen Vertrauensverlust die Rede.

So wurde eine Begründung, die man als rechtlich nicht tragfähig erkannt hat, im Nachhinein durch eine vordergründig rechtlich tragfähige ersetzt. Hier ist Ermessen fehlerhaft ausgeübt und eine willkürliche Entscheidung getroffen worden. Leider hat das Gericht aber eine rein formale Betrachtung angestellt. Es hat allein die Vorlage für den Kabinettsbeschluss gewürdigt, was uns nicht überzeugt.

Außerdem ist uns erst durch das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren überhaupt der vollständige Sachverhalt bekannt geworden. Das gilt vor allem für "Nachermittlungen" des Ministers auch im privaten Umfeld unserer Mandantin. Unsere Anträge auf Akteneinsicht hat die Landesregierung vorher entweder gar nicht oder nur stark verzögert und unvollständig bearbeitet.

hessenschau.de: Der Beschluss scheint eindeutig. Werden Sie Beschwerde einlegen?

Winterhoff: Die Frage ist noch nicht geklärt. Allerdings muss Frau Professor Messari-Becker von Beginn an ihre Prozess- und Anwaltskosten vollständig selbst tragen, während Staatsminister Mansoori auf Finanzmittel des Landes zurückgreifen kann. Dieser ungleiche Kampf scheint Teil seiner Strategie zu sein.

Das gilt auch für seine Nachermittlungen und die damit im Zusammenhang stehende Erhebung immer neuer Vorwürfe. Dabei können diese Vorwürfe die bereits getroffene Entscheidung gar nicht mehr rechtfertigen. Auch diese Umstände werden wir im Rahmen einer etwaigen Schadensersatzklage zu würdigen haben.

hessenschau.de: Die neuen Anschuldigungen, die Sie ansprechen, werden seit Längerem in Wiesbaden lanciert. Inzwischen wurden sie im Spiegel kolportiert. Sie zeichnen das Bild einer Frau, die selbst beim Zahnarzt ihren Posten als Staatssekretärin ins Spiel gebracht habe. Wird am Ende für Ihre Mandantin nicht alles nur noch schlimmer?

Winterhoff: Wir haben mit einer solchen Schlammschlacht gerechnet. Das Ministerium hat sie im Vorfeld unseres Eilantrages sogar mehrfach angedroht. Noch einmal: Die nachträglich erhobenen Vorwürfe sind unzutreffend und irrelevant. Der Minister hat bereits am 22. Juli entschieden, Frau Messari-Becker in den einstweiligen Ruhestand versetzen zu lassen.

hessenschau.de: Aber was entgegnen Sie den Vorwürfen inhaltlich? Ihre Mandantin soll laut Ministerium versucht haben, sich beim Zahnarzt vorzudrängeln, in eine Baugenehmigung ihres Nachbarn einzugreifen und einen Flugzeug-Start zu verzögern, damit sie noch einsteigen kann.

Winterhoff: Diese Vorwürfe sind erwiesenermaßen unwahr. Wir haben dazu im Eilverfahren bereits umfassend vorgetragen und einschlägige Nachweise vorgelegt.

hessenschau.de: Das Ministerium macht offenbar geltend, es habe verlässliche Zeugen. Beschäftigte des Ministerbüros oder auch den Darmstädter SPD-Oberbürgermeister Hanno Benz.

Winterhoff: Dazu nur so viel: Oberbürgermeister Benz wird bestätigen können, dass die in Medien erwähnte Baugenehmigung, deren Erlass Frau Messari-Becker angeblich verhindern wollte, bereits zwei Jahre zuvor erteilt worden war.

hessenschau.de: Wie groß ist nach dem bisherigen Verlauf Ihre Hoffnung, dass die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Darmstädter Schulleiter Erfolg hat? Seine Anschuldigung, Frau Messari-Becker habe ihn wegen der Abi-Prüfung eines Kindes unter Druck gesetzt, hat ja alles ins Rollen gebracht.

Winterhoff: Wir sind zuversichtlich. Die Akten zeigen, dass der Schulleiter mehrfach mit seinen Lehrerkollegen sprechen musste, um zu den gewünschten Aussagen zu gelangen. Im ersten Durchgang konnte kein beteiligter Lehrer die Frau Messari-Becker vorgeworfenen Äußerungen bestätigen. Das ist bezeichnend.

Im Übrigen sind mehrere der vom Schulleiter im Zusammenhang mit dem Schulgespräch aufgestellten Behauptungen bereits als Falschbehauptungen widerlegt, zum Beispiel, dass Frau Professor Messari-Becker während des Schulgesprächs einen Anruf des Ministeriums erhalten habe.

hessenschau.de: Die oppositionellen Grünen sagen, die entscheidenden Fragen nach der verletzten Fürsorgepflicht und möglicher Schnüffeleien des Ministers sind politischer Natur. Was erwarten Sie unter diesen Vorzeichen für Ihre Mandantin vom Untersuchungsausschuss?

Winterhoff: Wir erwarten die Aufklärung der Wahrheit. Es wird sich nicht nur zeigen, dass Herr Minister Mansoori ohne belastbare Tatsachengrundlage öffentlich schwerwiegende, unzutreffende und rufschädigende Vorwürfe gegen unsere Mandantin erhoben hat. Dieser Vorgang ist einmalig.

Der Untersuchungsausschuss wird auch zu dem Ergebnis kommen, dass durch Nachermittlungen versucht wurde, eine nicht tragfähige Falschbehauptung durch eine vordergründig belastbare Begründung für die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand zu ersetzen.

Im Übrigen wird sich herausstellen, dass der Staatsminister durch sein Verhalten in vielfältiger Hinsicht gegen die ihm obliegende Fürsorgepflicht des Dienstherrn verstoßen und den Ruf einer Beamtin geschädigt hat.

hessenschau.de: Wäre es nicht vielleicht besser gewesen, Frau Messari-Becker hätte gleich am Anfang klein beigegeben?

Winterhoff: Wir Juristen sagen immer: Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen.

Quelle: hessenschau.de