Ausgebooteter Fraktionschef zum SPD-Machtkampf "Der Umgang mit mir war alles andere als respektvoll"
Noch nicht in der Regierung, tun sich in der Hessen-SPD tiefe Gräben auf. Der ausgebootete Ex-Fraktionsvorsitzende Rudolph sieht erste Parallelen zur Zeit, als sich die Partei unter der Ex-Vorsitzenden Ypsilanti zerlegte.
Nach 25 Jahren in der Opposition verlässt die SPD am Donnerstag die harte Oppositionsbank, um als Juniorpartner der CDU wieder Teil einer hessischen Regierung zu werden. Doch jetzt brennt es in der Partei lichterloh - und es sind keine Freudenfeuer.
Mit Kaweh Mansoori (Vize-Regierungschef) und Timon Gremmels (Wissenschaftsminister) wechseln zwei Männer des linken Flügels aus dem Bundestag ins Kabinett. Den Griff ihres Lagers auch nach dem Fraktionsvorsitz wehrte der konservativere Teil der SPD am Dienstag ab.
Auf der Strecke blieb mit Günter Rudolph ein Vertrauter von Noch-SPD-Landeschefin Nancy Faeser, der die schwarz-rote Koalition maßgeblich angebahnt hat. Er verlor den Fraktionsvorsitz, nachdem er schon nicht Minister geworden war. Im hr-Interview nennt Rudolph weder seinen Gegenspieler Mansoori noch Gremmels namentlich. Ansonsten wird er deutlich.
hessenschau.de: Herr Rudolph, täuschen wir uns, oder ist da gerade ein heftiger Machtkampf in der SPD-Fraktion abgelaufen?
Günter Rudolph: Es ist eine demokratische Entscheidung, wenn zwei Personen kandidieren. Ich hätte mir gewünscht, dass wir uns auf ein Personaltableau einigen, in dem man die gesamte Bandbreite der Partei und der Fraktion abbildet. Das ist aber nicht gewollt.
hessenschau.de: Woran liegt das?
Rudolph: Da müssen Sie andere Personen fragen. Wir haben ja jetzt den Eintritt in eine Regierung nach 25 Jahren geschafft. Ich habe sehr für diese Koalition gekämpft und war, das kann man so sagen, einer der Wegbereiter für diese Koalition. Das ist eine große Herausforderung. Wir brauchen die besten Kräfte.
hessenschau.de: Aber Sie selbst sind im Kabinett nicht dabei.
Rudolph: Ich hätte gerne daran mitgewirkt. Das haben einige wenige anders entschieden. Dann ist das so. Auch in der Fraktion wollten einige nicht, dass ich den Fraktionsvorsitz wieder übernehme. Das nehme ich zur Kenntnis. Ich freue mich natürlich, dass wir mit Tobias Eckert einen versierten Landespolitiker gewonnen haben, der auch noch Bodenhaftung hat.
Ich hätte gerne in der Landesregierung mitgewirkt. Das haben einige wenige anders entschieden.Zitat Ende
Ich hätte mir aber ein anderes Verfahren wünschen können. Das sehen auch viele in der Partei so, es stößt schon auf breite Kritik. Hoffentlich lernen die Verantwortlichen daraus. Ich bin da aber nicht ganz so optimistisch.
hessenschau.de: Sie waren auf der Seite der SPD ein Vertrauensmann für CDU-Regierungschef Boris Rhein und die neue Koalition. Wer kann diese Funktion jetzt übernehmen?
Rudolph: Da bin ich nicht der richtige Adressat, das müssen jetzt andere beantworten, die Verantwortung haben. Verlässlichkeit ist in der Politik ein hohes Gut, nicht Tricksereien und Spielchen. Wir stehen vor riesengroßen Herausforderungen. Wegen der Krisen sind die Menschen verunsichert, haben Sorgen und Nöte.
Da muss man glaubhafte Personalentscheidungen treffen. Und die mediale Berichterstattung zeigt, dass es keine Vorschusslorbeeren gibt. Jetzt müssen einige beweisen, dass Sie tatsächlich auch die Fähigkeit haben. 12:11 in der Abstimmung über den Fraktionsvorsitz ist ein denkbar knappes Ergebnis. Aber wenn man die Auseinandersetzung sucht, muss man auch mit dem Ergebnis leben.
hessenschau.de: Das zeigt doch, wie sehr gespalten die Fraktion ist.
Rudolph: Das ist keine falsche Erkenntnis. Aber wenn ein Teil im Vorfeld sagt, es gibt eine klare Mehrheit und nichts zu diskutieren, dann ist das der falsche Weg. Es hat ja auch nicht funktioniert.
hessenchau.de: 2008 haben Sie das schon mal so ähnlich erlebt. Damals hat es die SPD zerrissen, weil das linke Lager um Andrea Ypsilanti die anderen ausgebootet hat, um eine von der Linkspartei geduldete Regierung zu bilden. Kommt Ihnen gerade einiges bekannt vor?
Rudolph: Man kann nicht alles vergleichen, es waren andere Zeiten. Die eine oder andere Parallele zu 2008 sehe ich aber. Und ich kann nur jedem raten, sich auf seine harte Aufgabe zu konzentrieren, die vor ihm liegt.
Wenn man das Gerede ernst nimmt, alle mitzunehmen, dann muss man es auch machen. Da ist das eine oder andere Porzellan zerschlagen worden. Die Verantwortungsträger haben jetzt die Aufgabe, alle einzubinden. Das sehe ich im Moment noch nicht.
hessenschau.de: Sie wirken sehr enttäuscht.
Rudolph: Nach der Landtagswahl habe ich ja von Jusos und anderen Teilen in der SPD erfahren, dass ich für die Niederlage gewissermaßen allein verantwortlich bin. Der Umgang mit mir war alles andere als respektvoll. Das wird mir auch aus der Partei so gespiegelt. Ich habe viele positive Rückmeldungen bekommen. Das freut mich sehr.
hessenschau.de: Und was wird jetzt aus Ihnen? Ziehen Sie sich ganz aus der Landespolitik zurück?
Rudolph: Ich bin gewählter Abgeordneter, ich werde mir überlegen, wie ich damit umgehe. Mein Engagement und meinen Einsatz hätte man auch noch mitnehmen können. Das ist augenscheinlich nicht gewollt.
Ich kenne handelnde Personen, für die gelten nur der eigene Machtwille und der eigene Vorteil.Zitat Ende
Ich habe eine Verantwortung den Menschen in der Region gegenüber, für ich die auch hier in Wiesbaden bin. Ich muss aber auch noch in den Spiegel schauen können. Und ich kenne handelnde Personen, da gelten nur der eigene Machtwille und der eigene Vorteil.
hessenschau.de: Wollen Sie uns sagen, wen Sie meinen? Sie haben bis jetzt noch keinen Namen genannt.
Rudolph: (schüttelt mit dem Kopf)
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Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 16.01.2024, 19.30 Uhr
Redaktion: Wolfgang Türk