Brandmauer-Streit im Landtag Grüne werfen Rhein Wortbruch vor, CDU fordert Entschuldigung

Die Asylabstimmung von Berlin hat im hessischen Landtag eine heftige Nachbereitung gefunden. Die Grünen attackieren den Ministerpräsidenten. Und die CDU hat den Ex-Koalitionspartner im Verdacht, aus niederen Motiven Steigbügelhalter von Rechten zu sein.

Blick von der Besuchertribüne auf den Plenarsaal mit den Landtagsabgeordneten
Blick von der Besuchertribüne auf den Plenarsaal mit den Landtagsabgeordneten Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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Brandmauer-Debatte im Landtag

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Vor einer Woche nahm die Union im Bundestag die Zustimmung der AfD in Kauf, um nach der tödlichen Messerattacke von Aschaffenburg einen Entschließungsantrag für eine schärfere Asylpolitik zu verabschieden. In zwei Wochen ist Bundestagswahl. Das führte im Landtag in Wiesbaden am Donnerstag zu einer heftigen Auseinandersetzung.

Die Grünen warfen dem CDU-Ministerpräsidenten Boris Rhein vor, den Kurs von Parteichef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz zu stützen und wie jener sein Wort gebrochen zu haben. Denn beide hätten zuvor - ein jeweiliges Zitate wurde geliefert - ein solches Vorgehen mit Hilfe der AfD strikt ausgeschlossen.

"Hören Sie auf, Mehrheiten mit Rechtsextremen zu suchen. Kehren Sie zurück in die politische Mitte", forderte Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner. Die CDU gab sich fassungslos. "Es ist einfach eine Frechheit", erwiderte Ingo Schon, ihr parlamentarischer Geschäftsführer.

Wagner beschwört Gemeinsamkeiten

Bis vor einem Jahr waren CDU und Grüne in Hessen noch Koalitionspartner. Nun gingen sie miteinander so hart ins Gericht.

Seine Attacke packte Grünen-Fraktionschef Wagner in die Form eines Appells. Das machte die Kritik in den Augen seiner politischen Ex-Partner nicht akzeptabler. "Von oben runter" und "im Gefühl moralischer Überlegenheit" fühlte sich CDU-Mann Schon behandelt. Er empörte sich, seiner Partei werde unterstellt, keinen Anstand zu haben.

Mit ihrem Wortbruch und dem Umgang mit den anderen demokratischen Parteien sei die Union auf einem "sehr gefährlichen Weg", hatte Wagner gewarnt. Man habe mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes und müsse miteinander Mehrheiten suchen.

Dabei stimme die CDU-Darstellung, wonach sie allein Änderungen in der Asylpolitik wolle, aber nicht. Die Ampel-Koalition habe einiges getan, es gebe auch jetzt Vorschläge aller anderen Parteien, auch der Grünen. Anders als vor einer Woche in Berlin müssten nun für Lösungen demokratische Mehrheiten gefunden werden.

CDU will nicht über Graben springen

"Es war kein Wortbruch", konterte Schon. Nach seiner Darstellung trennt CDU und AfD weiterhin ein Graben. "Der ist so groß, dass wir niemals drüber springen." Und er wiederholte, wie auch CDU-Ministerpräsident Rhein die Sache mit der Mehrheit durch AfD-Stimmen interpretiert hatte: Gerade die Grünen hätten sich einer anderen Lösung ja widersetzt.

CDU-Mann Schon versuchte, den Spieß umzudrehen. Wagner warf er vor, nun eine Scheindebatte im Landtag ausgelöst zu haben, die allein der AfD nutze. Es seien die Grünen, die so zu "Steigbügelhaltern" der AfD würden. Sie hätten seit Jahren eine Wende in der Migrationspolitik blockiert.

Die Grünen wollten insgeheim die AfD stärken, um selbst "Zünglein an der Waage" zu spielen - das brachte der CDU-Abgeordnete als mögliches Motiv für die Attacken gegen die CDU ins Spiel. Diesen Verdacht müssten Wagner und dessen Partei nun widerlegen. Und sie müssten sich für ihren "Wortbruch"-Vorwurf bei CDU-Ministerpräsident Rhein entschuldigen.

Das fruchtete erwartungsgemäß nicht. Rhein selbst verfolgte die Debatte auf der Regierungsbank, beteiligte sich aber nicht.

FDP wirft Grünen Spaltung vor

Ärger handelten sich die Grünen auch aus den Reihen der oppositionellen FDP ein. "Sie vertiefen die Spaltung", warf deren Fraktionschef Stefan Naas seinem Amtskollegen Wagner vor. Sowohl im Bundestag wie auch im Landtag hätten die Grünen zudem wenig "zur entscheiden Frage der irregulären Migration" beigetragen.

Neue Maßnahmen habe der ehemalige Ampel-Partner nach jedem Anschlag versprochen, ohne dies einzulösen. Deshalb müssten auch die Grünen in der Asylpolitik umkehren. Seiner eigenen Partei wies er die Funktion einer Brückenbauerin zu. Die FDP habe vergeblich versucht, aus der verfahrenen Lage herauszuführen.

SPD setzt Bundesrat-Pflock

In einer besonderen Rolle war SPD-Fraktionschef Tobias Eckert in der Debatte. Nicht nur im Bund, sondern auch aus der Landespartei wird das Vorgehen von Merz im Bundestag scharf kritisiert. Gleichzeitig regiert man als Juniorpartnerin von Merz-Unterstützer Rhein in Wiesbaden mit.

Eckert betonte: Die schwarz-rote Koalition in Hessen bleibe trotz dieses bundespolitischen Zwistes auf Kurs. Gegenüber der CDU unterstrich er aber auch: Mit der SPD werde es im Bundesrat keine Zustimmung Hessens für Gesetze geben, die im Bundestag nur mit Hilfe der AfD zustande kamen.

In der Asyldebatte warb Eckert für Menschlichkeit und warnte vor schrillen Wahlkampf-Debatten. "Der Kompromiss ist das Wesen der Demokratie", sagte er. Er sei im Übrigen dankbar, dass es im Landtag eine eindeutige Ablehnung alle anderen Parteien gegenüber der AfD gebe.

AfD sieht sich Ziel näher

Dagegen sah sich AfD-Fraktionschef Robert Lambrou trotz gegenteiliger Bekundungen der Union seinem Wunsch nähergekommen, die CDU möge mit seiner Partei endlich zusammenarbeiten. "Diese Lektion lernt sie gerade", sagte er dazu, dass die CDU mit der bisherigen Abgrenzung gegenüber der AfD dem "linken Hass" nicht entgehe.

Nun sei die Frage, wann Rhein und seiner Partei auch klar werde, dass eine "vernünftige Politik" nur mit der AfD zu machen sei. Die bisherige Weigerung der CDU bezeichnete Lambrou als "Rückgratlosigkeit" und "Verrat an sich selbst, an den Wählern, an Deutschland".

Redaktion: Wolfgang Türk

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de