Corona-Streit mit AfD im Landtag Wenn Herrn Schad wegen Herrn Richter der Konfirmationskaffee hochkommt
"Spaltend" und "furchtbar": So schimpft die AfD im Landtag wegen Hessens Corona-Politik, 2G und angeblicher Gefahren einer Impfung. Trotz Meinungsdifferenzen im Detail hält der Rest des Parlaments mit mehr als einem ungewöhnlichen Auftritt dagegen.
Es war vielleicht auf einen Schlag zu viel alte Normalität, mit der die erste Plenarwoche im hessischen Landtag nach den Sommerferien am Dienstag begonnen hatte: Ganz ungewohnt spielte die Corona-Pandemie da noch keine besondere Rolle. Möglich, dass sich dadurch was aufgestaut hat.
Jedenfalls berichtete am Donnerstag ein Abgeordneter von der Gefahr, ein altes Heißgetränk könne seinen Magen in falscher Richtung verlassen. Ein anderer verspürte das Bedürfnis, rasch zu duschen. Und ein Dritter rief den lieben Gott an. Anlass war eine AfD-Initiative in der Aktuellen Stunde mit dem Titel "2G - Spaltung der Gesellschaft durch die hessische Landesregierung".
Wiederholter Rundumschlag
Es ging also um die Regel, dass Restaurantbesitzer, Frisöre und Veranstalter einzig Geimpfte und Genesene zu sich rein lassen können - wenn die Unternehmer das so wollen. Diese "furchtbare 2G-Regel" nahm Volker Richter, gesundheitspolitischer Sprecher der AfD, zum Anlass für einen - erneuten - Rundumschlag gegen die Landesregierung. Ihr warf er vor, sie schikaniere "gesunde Menschen, die sich lediglich nicht einem indirekten Impfzwang aussetzen wollen". Grundrechte würden "ohne Skrupel“ ausgesetzt, diese Politik sei "manipulativ, verfassungswidrig und übergriffig".
Zu den Corona-Leugnern will der Abgeordnete seine Partei aber nicht gezählt wissen. Die AfD habe vielmehr 2020 zu Maßnahmen gemahnt, als eine Eindämmung noch möglich gewesen sei. Risiken und Nebenwirkungen der Impfung kämen nun aber nicht ansatzweise zur Sprache. Und wer was sage, werde denunziert. Gleichzeitig werde durch immer neue Nachimpfungen "ein Volk, das an der Nadel hängt" geschaffen.
Ex-AfD-Mann legt richtig los
Was folgte, waren einige harte Reaktionen. Die härteste erhielt Richter von einem früheren Parteifreund: dem im vergangenen Jahr aus der Fraktion ausgeschlossenen und später aus der Partei ausgetretenen Rolf Kahnt.
Der 71-Jährige war einst als Alterspräsident des Landtags ganzer Stolz der AfD. Nun sagte er: "Nach Redebeiträgen der AfD wie diesem wächst das Bedürfnis, sich schnellstens duschen zu müssen." Die Partei widersetze sich unverantwortlich wichtigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und nehme viele schwere Erkrankungen mit Todesfolge in Kauf.
Wer spaltet?
"Sie wollen, dass sich das ganze Land nach den Impfverweigerern richtet", warf der CDU-Abgeordnete Max Schad der AfD vor. Und er schilderte eine unerwünschte Nebenwirkung der Debatte: "Da kommt einem der Konfirmationskaffee hoch, wenn man das hören muss." Die 2G-Regel sei schließlich lediglich eine Wahlmöglichkeit für Betriebe. Man dürfe Geimpfte nicht mit weiteren Einschränkungen dafür bestrafen, dass andere ungeimpft bleiben wollten.
Den Spieß drehte auch Marcus Bocklet um. "Ihre Truppen rufen zum Boykott von Restaurants auf, die 2G einführen. Das ist eine Spaltung der Gesellschaft", sagte der Grünen-Politiker und wollte sich nicht ausmalen, die AfD hätte das Land in der Pandemie regiert. "Möge uns der Herrgott davor bewahren." Und sein Parteikollege Kai Klose erinnerte als zuständiger Gesundheitsminister an einen aktuellen Bericht von Cihan Çelik, dem Leiter einer Covid-Station am Klinikum Darmstadt: Corona-Intensivpatienten seien nun vor allem Ungeimpfte, und viele von ihnen bereuten sehr, dass sie sich nicht impfen ließen.
"Liebe Bürger ..."
Weshalb auch FDP-Fraktionschef René Rock mit einem Appell begann: "Liebe Bürger! Bitte lassen Sie sich impfen. Es wichtig für unser Land und für unser Zusammenleben." Erst nach der Diagnose einer "Hysterie der AfD" kam der Liberale zu seiner Kritik an der Landesregierung. Die FDP hatte bereits am Vortag im Parlament einen "hessischen Sonderweg in der Pandemie" beklagt und gefordert, mehr zu lockern, auf die 3G-Regel zurückzugreifen und Lolli-Corona-Tests an Schulen einzuführen wie andere Bundesländer.
Unterschiede zur schwarz-grünen Koalition führte auch Elisabeth Böhm von der Linkspartei an. Dass es zu wenig niedrigschwellige Impfangebote gebe, kritisierte sie ebenso, wie drohende soziale Benachteiligungen durch den Wegfall staatlich gezahlten Verdienstausfalls bei Quarantäne von Ungeimpften. Mit der "skandalisierenden Art der Ganz-Rechtsaußen-Partei" habe das gar nichts zu tun. "Wir sind für impfen, impfen, impfen."
Betont kurz und betont kühl fiel die Auseinandersetzung der SPD mit den Corona-Maßnahmen-Kritikern der AfD aus - zunächst. Der Abgeordnete Tobias Eckert benötigte gerade einmal eine Minute und 22 Sekunden für seinen Auftritt, der mit den Satz endete: "Niemand braucht die AfD."
Aus der Fassung geriet dann aber doch noch ein Sozialdemokrat: der Parlamentarische Geschäftsführer Günter Rudolph beim Blick in die Reihen der AfD-Fraktion und besonders auf deren Mitglied Heiko Scholz. Vom Parlamentspräsidium forderte Rudolph aufgebracht: "Vielleicht können Sie die Personen auf das Tragen der Maske hinweisen. Der Herr Scholz ignoriert das permanent und das reicht jetzt langsam."