Druck auf AfD Landtag stellt sich hinter Demos gegen Rechtsextremismus

Der Hessische Landtag folgt den vielen tausend Demonstranten in Hessen: Gemeinsam verurteilen CDU, SPD, Grüne und FDP Pläne radikaler Rechter, Millionen von Menschen aus Deutschland zu verdrängen. Einig sind sie sich auch in der Beurteilung der AfD.

"Demokratie heißt Gemeinsam zu kämpfen" steht auf einem Schild, das eine Frau bei der Kundgebung "Frankfurt steht auf für Demokratie" hochhält.
Demo gegen Rechtsextremismus auf dem Frankfurter Römerberg. Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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Debatte um Demokratie im Hessischen Landtag

hs 07.02.2024
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In einer Resolution hat sich der Hessische Landtag mit großer Mehrheit entsetzt über Pläne von radikalen Rechten zur massenhaften Vertreibung von Menschen aus Deutschland gezeigt. Man sei dankbar, "dass in den letzten Wochen hunderttausende Menschen gegen diese Feinde der Demokratie demonstriert haben", heißt es in der am Mittwoch in Wiesbaden beschlossenen Positionierung.

Auf Initiative der Grünen und mit Ausnahme der AfD-Fraktion hatten alle Parteien diese Resolution eingebracht. Anlass waren die bundes- und landesweiten Proteste gegen die unter dem Begriff "Remigration" bekannt gewordenen Absichten eines geheimen Treffens in Potsdam.

"Solche Deportations-Pläne weisen erschreckende und unverkennbare Parallelen zu den dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte auf" - so steht es in der Resolution. Sie trägt den Titel "Die Demokratie bleibt wehrhaft - Hessen zeigt Flagge".

Grüne: "Demokraten suchen keine Sündenböcke"

Die Debatte wurde heftig zwischen Vertretern der beiden Regierungsparteien CDU und SPD sowie Abgeordneten von Grünen und FDP einerseits und AfD-Abgeordneten andererseits geführt. Mehrmals mahnte Landtagsvizepräsident Frank Lortz (CDU) wegen Zwischenrufen zur Ruhe. Die AfD forderte, der Ältestenrat müsse sich damit befassen, dass sie unter anderem als "staatszersetzend" beleidigt worden sei.

"Demokraten suchen immer Lösungen für Probleme, sie suchen aber nicht Schuldige oder gar Sündenböcke", sagte Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner an die Adresse der AfD gerichtet zu den Plänen von Potsdam. Politiker der AfD hatten an dem Treffen teilgenommen, auch einzelne Mitglieder der erzkonservativen Werteunion sowie der CDU. In der CDU laufen deshalb Parteiausschlussverfahren.

Wagner beschwor die Gemeinsamkeit der Demokraten. "Unsere Gegner sind die Feinde der Demokratie", sagte er. Dass er die AfD dazu zählt, machte er unter anderem mit Zitaten des thüringischen AfD-Landeschefs Björn Höcke klar: Dieser hat unter anderem "wohltemperierte Grausamkeiten" in der Migrationspolitik als nötig bezeichnet.

Ministerpräsident Rhein wird heftig

Besonders heftig wurde Ministerpräsident Boris Rhein (CDU): "Wer so redet, wer so denkt, der ist eine Schande für Deutschland", rief er erregt der AfD zu.

Dass die Partei sich als bürgerlich-konservativ bezeichnet, sei unsinnig. Rhein fügte hinzu: "Das wird niemals geschehen, dass es eine Koalition meiner Partei mit Ihrer Partei gibt." Das sagte Rhein, weil AfD-Fraktionschef Robert Lambrou immer wieder vorbringt, die beiden Parteien verträten die Mehrheit des bürgerlichen Lagers und sollten koalieren.

Streit über "Junge Alternative"

Bürgerlich-konservativ ist es laut Rhein im Unterschied zur AfD, den Staat und seine Demokratie zu schützen. Wie auch andere Redner führte er als Beleg für die Demokratiefeindlichkeit der AfD zudem an, dass Lambrou die Junge Alternative (JA) als "festen Bestandteil" der Partei bezeichnet hatte.

Gerade hat das Verwaltungsgericht Köln entschieden, dass der Bundesverfassungsschutz die JA als gesichert extremistisch überwachen darf. Vier Abgeordnete der AfD-Landtagsfraktion gehören der als Verein organisierten, der Partei nahestehenden JA an.

SPD: "Gut, dass Sie nicht die Mehrheit sind"

"Eine Partei, die die Demokratie beschädigen will, ist keine Alternative“, sagte FDP-Fraktionsvorsitzende Wiebke Knell. Gemeinsam müsse man deutlich machen, dass die Parteien des demokratischen Spektrums Alternativen für die Wähler böten.

Als wichtiges Signal wertete SPD-Fraktionschef Tobias Eckert die Demonstrationen auch gegen die "Hybris der AfD" und ihren Anspruch, sie spreche für das Volk. "Deshalb ist es gut, dass Sie die Minderheit in diesem Land sind und nicht die Mehrheit“, sagte er.

AfD spricht von "Schicksalsfrage"

AfD-Fraktionschef Lambrou warf den Gegnern neben dem Inhalt die Heftigkeit der Attacken vor. "Sie hatten teilweise Schaum vor dem Mund", kritisierte er Ministerpräsident Rhein. Der Regierungschef sei zudem nicht seinem Anspruch gerecht geworden, Ministerpräsident aller Menschen in Hessen zu sein. Er habe mehr als 500.000 AfD-Wähler in Hessen ausgegrenzt.

Lambrous Fraktionskollege Andreas Lichert entgegnete den Kritikern, von Deportation habe nicht einmal das Medienhaus Correctiv gesprochen, das über das Potsdamer Treffen berichtet hatte. Er bezeichnete die Migration als "die Schicksalsfrage" des Landes. Die anderen Parteien könnten nicht zugeben, dass die AfD "Takt- und Impulsgeber" der Debatte sei.

Lichert wies wie schon früher als infam zurück, dass die AfD der parlamentarische Arm des Rechtsextremismus sei. Der Co-Landesvorsitzende der AfD hatte sich zum vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften völkisch-nationalistischen Flügel um Höcke bekannt, der nach offiziellen Parteiangaben aufgelöst wurde.

Grünen-Fraktionschef vermisst ein Wort

Die AfD, die bei der Landtagswahl im Oktober zweitstärkste Partei wurde und nun größte Oppositionsfraktion im Landtag ist, hatte einen eigenen Antrag mit der Forderung vorgelegt, "das Demokratieprinzip, die Grundrechte und die Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen". Mit Blick auf die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus beklagte sie: Es würden "Rechtsextremismus- und Nazi-Vorwürfe inflationär gebraucht, um Andersdenkende zu delegitimieren und zu kriminalisieren".

Nach Meinung des Grünen-Politikers Wagner spricht es Bände, was die vom Landesverfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall bewertete AfD auch diesmal wieder nicht zum Ausdruck gebracht habe. Sie habe erneut eine Gelegenheit versäumt, sich vom in den "Remigrations"-Plänen zum Ausdruck kommenden Gedankengut zu distanzieren: "Demokraten sagen zu dem, was in Potsdam beraten wurde, nein. Und das tun Sie nicht“.

Sensible Kommissionen ohne AfD

Später beschlossen CDU, SPD, Grüne und FDP gemeinsam, dass die AfD anders als alle anderen Fraktionen in zwei parlamentarischen Kontrollgremien nicht vertreten sein wird, weil sie als rechtsextremistischer Verdachtsfall im Fokus des Verfassungsschutzes steht.

Das betraf zum einen die G10-Kommission des Landtags, die darüber entscheidet, ob Überwachungsmaßnahmen zulässig sind - nicht zuletzt auch gegen Rechtsextremisten. Um die AfD aus dem Gremien zu halten, hatten die anderen Fraktionen im Dezember in einem "Demokratiepaket" rasch noch das Gesetz geändert. Sonst hätte die AfD aufgrund ihres verbesserten Landtagswahlergebnisses automatisch einen Sitz in dem Gremium erhalten.

Anders als früher wurden die Mitglieder der Kommission diesmal gewählt und der AfD-Kandidat Patrick Schenk fiel durch. Ablehnungen erfuhren auch zwei AfD-Kandidaten - Sandra Weegels und Robert Lambrou - für die Parlamentarische Kontrollkommission, die den Verfassungsschutz überprüft und dafür geheimes Material einsehen darf. Die Mitglieder dieses Gremiums wurden auch früher schon gewählt, und die AfD war hier bereits nach ihrem erstmaligen Einzug in den Landtag 2019 leer ausgegangen.

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Was radikale Rechte mit "Remigration" meinen

Auslöser der Kundgebungen gegen Rechtsextremismus war ein "Correctiv"- Bericht über ein Treffen radikaler Rechter mit einzelnen Politikern von AfD, CDU und Werteunion in Potsdam. Martin Sellner, früherer Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, sprach dort nach eigenen Angaben über das Konzept der "Remigration": Eine große Zahl von Menschen soll demnach - auch unter Zwang - das Land verlassen.

Sellner geht es um Asylbewerber, Nicht-Staatsbürger und so genannte "nicht assimilierte" Staatsbürger. Für diese dritte Gruppe von Menschen mit deutschem Pass schweben ihm "hoher Anpassungsdruck" und "maßgeschneiderte Gesetze" vor, um sie zur Ausreise zu drängen.

Die Fraktionschefs der AfD in den ostdeutschen Bundesländern kündigten an, dass sie das sogenannte "Remigrationsprojekt" beginnen wollen, sobald sie in Regierungsverantwortung stehen. In Brandenburg, Sachsen und Thüringen stehen in diesem Jahr Landtagswahlen an. In den Umfragen ist die AfD jeweils stärkste Kraft.

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Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 7.2.2024, 19.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de