Landtagsstreit um Etat für 2023/2024 Finanzminister muss Schuldenbremse vielleicht doch lockern
Wie kommt Hessen durch die Krise? Im Landtag gerieten Regierung und Opposition aneinander. Finanzminister Boddenberg (CDU) ließ dabei erkennen, dass er vielleicht doch noch mit dem Fuß von der Schuldenbremse geht.
Die Finanzplanung der schwarz-grünen Koalition für die kommende beiden Jahre ist am Mittwoch im Landtag auf heftige Ablehnung der Opposition gestoßen. Kritiker warfen Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) in einer ersten Debatte über den Entwurf vor, keine angemessene Antwort auf die Folgen von Ukraine-Krieg, Energiekrise und Inflation zu geben. (Die ganze Debatte sehen Sie in den Videos aus dem Landtag.)
Der Entwurf, den Boddenberg an diesem Tag zur Beratung ins Parlament einbrachte, sieht Rekordinvestitionen in Höhe von drei Milliarden Euro vor, 1,8 Milliarden Euro davon in den Klimaschutz. Es ist viel neues Personal an Schulen (4.000 Stellen) und in der Justiz (knapp 500 Stellen) vorgesehen - und vorerst trotz der Krise keine Neuverschuldung.
Allerdings ließ der Minister diesmal erkennen, dass sich das ändern könnte. "Ohne Weiteres und vorschnell" will Boddenberg die umstrittene Schuldenbremse zwar nicht zur Disposition stellen. Angesichts der schwierigen Lage wollte er aber nicht garantieren, das dies so bleibt. Die Finanzminister-Konferenz müsse demnächst viele Fragen dazu erörtern.
SPD vermisst konsequentes Handeln
Noch nicht veranschlagt ist im Etatentwurf der Anteil Hessens an den Kosten des Krisen-Abwehrschirms und des dritten Entlastungspakets des Bundes. Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) schätzte die Summe kürzlich auf jeweils eine Milliarde Euro in den kommenden zwei Jahren. 200 Millionen Euro will das Land zudem an Hilfsgeldern für Bürger und Betriebe bereitstellen.
"Klarer Kurs in unruhigen Zeiten." So hatte Boddenberg seine Rede überschrieben. Der Finanzminister lasse vielmehr das gebotene schnelle und konsequente Handeln vermissen, entgegnete SPD-Haushaltsexperte Marius Weiß. Das sei aber nötig, um die Gesellschaft in der Krise zusammenzuhalten.
Die versprochen Stellen für Schulen und Justiz wertete der SPD-Politiker als Täuschungsmanöver vor der Landtagswahl im Herbst des kommenden Jahres. Es handele sich um "Phantomstellen", die gerade an den Schulen bei weitem nicht besetzt werden könnten. Das passt laut Weiß ins Gesamtbild: "Schwarz-Grün steht für neun Jahre wirkungslose Ankündigungen."
Grüne betonen Unterschied zum Ampel-Steit
Die Grünen wiesen das als "inhaltsleeres Gerede" und "Nörgelei ohne eigene Vorschläge" zurück, wie ihr finanzpolitischer Sprecher Frank Kaufmann sagte. Er bezeichnete den Entwurf der Koalition als geeignete "Roadmap" zum Weg aus der Krise. Schwarz-Grün in Hessen handele damit auch im Vergleich zum Streit in der Berliner Ampel-Koalition "wohltuend klar".
Eine Kombination aus tatkräftiger Krisenpolitik und Investitionen in Klimaschutz, Bildung, Sicherheit und die Widerstandskraft des Landes machte Michael Reul, finanzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, im Etatentwurf aus.
FDP kritisiert "aufgeblähte Apparate" in Ministerien
Dagegen gehen die Regierungspläne nach Meinung der FDP-Haushaltsexpertin Marion Schardt "fantasielos am Bedarf der Menschen vorbei". Während Bürger und Wirtschaft seit Jahren höhere Steuereinnahmen erwirtschafteten, stiegen auch die Ausgaben des Landes immer mehr. Statt mehr nachhaltig in Bildung oder Digitalisierung zu investieren, blähe die Koalition seit 2014 den Verwaltungsapparat der Ministerien verantwortungslos auf.
"Entschlossenes Handeln in der Krise sieht anders aus", hielt auch Linken-Fraktionschef Jan Schalauske dagegen - wenn auch mit anderer Begründung. Den Ängsten der Menschen wegen steigender Preise für Energie und Lebensmittel werde die Landesregierung nicht gerecht. Wegen des Festhaltens an der Schuldenbremse drohe eine Situation, in der das Land in der Krise gelähmt sei.
Auch nach Meinung der AfD ist es illusorisch, angesichts zu erwartender zusätzlicher Kosten an der Schuldenbremse festzuhalten. Bernd-Erich Vohl, stellvertretender haushaltspolitischer Fraktionssprecher, warf dem Finanzminister vor, er habe weder die absehbare Beteiligung an Entlastungspaketen des Bundes noch die hohe Inflation eingepreist. "Wir müssen als Opposition erneut über einen Haushalt beraten, von dem ganz entscheidende Teile noch unbekannt sind", kritisierte er.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 12.10.2022, 19.30 Uhr
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