U-Ausschuss zur Entlassungsaffäre Experte wirft Mansoori Pflichtverletzung gegen Messari-Becker vor

Im Untersuchungsausschuss des Landtags zur Entlassung von Ex-Staatssekretärin Messari-Becker hat der Jura-Professor Masuch ausgesagt. Laut FDP war es ein "Totalverriss" für SPD-Wirtschaftsminister Mansoori. Dessen Partei attackiert den Sachverständigen.

SPD-Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori auf der Regierungsbank im Landtag
SPD-Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)

Und dann fiel tatsächlich das Wort "Nächstenliebe". Wäre sie vielleicht der Schlüssel, jene schmerzlich anzusehende Entlassungsaffäre doch noch zu einem gütlichen Ende zu bringen, die SPD-Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori und der schwarz-roten Landesregierung einen Untersuchungsausschuss im Landtag eingebracht hat?

Der erste, den das Gremium anhörte, brachte am Freitag neben der vagen Hoffnung auf eine vielleicht doch noch bereinigende gemeinsame Erklärung beider Seiten auch die Empfehlung aus der christlichen Bergpredigt ins Spiel. Professor Thorsten Masuch wirkte allerdings eher skeptisch, als er auf die Frage nach einem möglichen Ausweg ganz einfach Menschlichkeit empfahl.

Geladen war der Co-Autor eines Kommentars zum hessischen Beamtenrecht wegen seiner juristischen Expertise. Und da legte er sich fest: Die Entlassung der parteilosen Bau-Professorin Lamia Messari-Becker hätte SPD-Mann Mansoori demnach nie und nimmer mit dem per Pressemitteilung erhobenen Vorwurf eines "nicht hinnehmbaren Fehlverhaltens" verbinden dürfen. "Durch diese Äußerungen ist die Fürsorgepflicht verletzt worden", sagte Masuch.

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Schulleiter brachte es ins Rollen

Die Oppositionsparteien Grüne und FDP haben den Ausschuss initiiert. Sie waren es auch, die den Professor, der Öffentliches Recht an der Hochschule Harz lehrt, als Sachverständigen im Ausschuss haben wollten. Sie werfen Mansoori vor, sein Vorgehen gegen eine unliebsam gewordene politische Spitzenbeamtin grenze an Rufmord.

Bis heute hat Mansoori nicht öffentlich erklärt, was es mit dem angeblichen Fehlverhalten Messari-Beckers auf sich hat. Unter anderem aus einem Beschluss des Verwaltungsgerichts geht hervor, was zunächst aus Regierungskreisen kolportiert wurde: Ein Schulleiter hat den Vorwurf mit einem Bericht ans Kultusministerium ins Rollen gebracht, die 53-Jährige habe bei einem Elterngespräch Druck für eine bessere Abi-Note einer Tochter gemacht.

Die Ex-Staatssekretärin, die der Thinktank Club of Rome vor Jahren als Fachfrau für nachhaltiges Bauen aufnahm, kämpft gegen diesen Vorwurf – und weitere Anschuldigungen, die Mansoori nachreichen ließ. Ihre Anwälte sprechen von einer Schlammschlacht des Ministers. Dem Schulleiter werfen sie Lügen vor, haben eine Dienstaufsichtsbeschwerde angestrengt.

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Messari-Becker sagt beim nächsten Mal aus

In der nächsten Sitzung des Untersuchungsausschusses wird Ex-Staatssekretärin Messari-Becker als Zeugin erwartet. Dann soll es um das fragliche Elterngespräch an einem Darmstädter Gymnasium gehen. Der Ausschuss beschloss, unter anderem auch den Schulleiter zu befragen.

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FDP spricht von "Schnüffelminister"

Weil eine Büroleiterin Mansooris vor der Entlassung mehrmals mit dem Schulleiter telefoniert hat, nennt die FDP den SPD-Politiker inzwischen "Schnüffelminister". Die Opposition versuchte, mit dem Experten Masuch die Rechtmäßigkeit auch dieser Vorgeschichte der Entlassung auszuloten, in die auch das Kultusministerium und die Staatskanzlei involviert waren.

Das unterband der SPD-Landtagsabgeordnete Marius Weiß mit dem Hinweis auf die Beschlusslage: Der Jurist sei einzig zum Thema Fürsorgepflicht geladen. Andere Fragen aus den Reihen der Opposition wies er als zu spekulativ ab.

CDU und SPD haben den Juristen Weiß zum Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses gemacht, was seinerzeit auf Empörung der Opposition traf. Der 49-Jährige hatte vor eineinhalb Jahren den Vorsitz im Ausschuss zum Hanau-Attentat niederlegen müssen. Er hatte für seine Frau ein Parkticket für das Landtagsgelände gefälscht, die Staatsanwaltschaft verhängte einen Strafbefehl wegen Urkundenfälschung.

Der Beamtenrechtler Thorsten Masuch an einem Tisch mit einem Schild, das ihn als Sachverständigen ausweist.
Der Beamtenrechtler Thorsten Masuch am Freitag im Landtag Bild © hr

Weiß, die SPD-Ausschuss-Obfrau Lisa Gnadl und der CDU-Abgeordnete Jörg-Michael Müller vor allem hakten gegenüber Masuch wiederholt kritisch nach. Im Kern ihrer Fragen stand, ob Mansoori die Anschuldigung nicht doch erheben durfte: etwa, weil für den Umgang mit politischen Beamten andere Regeln gelten könnten und der Minister auf Presseberichte über die Entlassung und aufgrund des öffentlichen Interesses reagiert habe.

Jurist Masuch blieb unbeirrt bei seinem Standpunkt, den er vor seiner Ladung als Sachverständiger auch schon im Interview mit hessenschau.de vertrete hatte. Und er verwies dabei auf ein breites Studium der Rechtsprechung. Ja, räumte er ein: Der Minister habe die Staatssekretärin damals eindeutig entlassen dürfen. Dafür reiche ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis, eine Begründung ist nicht nötig. Die Klage gegen die Entlassung habe er daher auch nicht so recht verstanden.

Zitat
Es ist nicht nur der Beamte, der Dienst und Treue schuldet. Zitat von Professor Thorsten Masuch, Beamtenrechler
Zitat Ende

Aber nein, befand der Experte: Der SPD-Minister habe Messari-Becker eben nicht per Pressemitteilung einer "Vorwurfslage" aussetzen dürfen, gegen die sie sich wegen ihrer Verschwiegenheitspflicht nicht einmal habe wehren können. Fürsorge, Schutz vor öffentlicher Bloßstellung, Schonung und eine sachliche Klärung von Vorwürfen schulde ein Dienstherr den jederzeit absetzbaren politischen Beamten genau wie Laufbahn-Beamten.

Auch dass Mansoori zuvor gegenüber dem hr anführte, er habe mit der Pressemitteilung auf "Geraune" in den Medien reagieren müssen, ließ Experte Masuch nicht gelten. Nur wenn sich Messari-Becker von sich aus als erste öffentlich über die Entlassung geäußert hätte, wäre demnach eine Replik des Ministers erlaubt gewesen.

Vergangenen September hatte Mansoori im Landtag selbst eingestanden, es wäre besser gewesen, seine "streitbare Pressemitteilung" zum Rauswurf von Messari-Becker knapper zu halten. Allerdings sei seine Entscheidung auch nicht wegen eines einzelnen Sachverhalts gefallen. Eine Entschuldigung sahen Grüne und FDP in seinem Statement nicht – und beschlossen die parlamentarische Aufarbeitung.

Grüne: "Eines Ministers unwürdig"

Die Reaktionen auf die Befragung fielen erwartungsgemäß je nach Rolle unterschiedlich aus. Von einem "Totalveriss" für den Wirtschaftsminister sprach Oliver Stirböck, Obmann der oppositionellen FDP. Der Versuch der Koalition sei schon jetzt gescheitert, die Untersuchung gegen Mansoori zu einer gegen Messari-Becker zu machen.

Auch für Grünen-Obfrau Kaya Kinkel steht nun schon fest: "Die öffentliche Bloßstellung und Demontage einer verdienten Fachfrau ist eines Ministers unwürdig." Mansooris "selbstherrliches Vorgehen" habe in einer modernen Verwaltung nichts zu suchen.

Und dass der Sachverständige eine Verletzung der Fürsorgepflicht attestierte, quittierte AfD-Obmann Klaus Gagel für seine Fraktion mit dem Kommentar: "Dieser Einschätzung können wir uns nach Anhörung der Argumente anschließen."

SPD-Attacke auf Experten

Die mit der SPD regierende CDU hielt sich zurück. Ihr Obmann Holger Bellino folgerte aus der Befragung, die Entlassung selbst sei rechtmäßig gewesen. Die "unterstellte Fürsorgepflichtverletzung" hätte seiner Meinung nach durch eine einvernehmliche Regelung verhindert werden können.

Der Koalitionspartner nahm die Befragung nicht so ruhig hin. Im Gegenteil: Die Kritik des Sachverständigen an ihrem Minister konterte für die SPD Obfrau Gnadl mit scharfer Kritik am Sachverständigen. Masuch habe keinen Erkenntnisgewinn geliefert, spekuliert und sich mehreren Fragen verweigert. Die 43 Jahre alte Diplom-Soziologin fügte hinzu: Sie habe eine "persönlich-subjektive Darlegung" gehört, die "der herrschenden juristischen Meinung" auf diesem Gebiet widerspreche.

Wie zuvor schon führte die Parteikollegin Mansooris eine vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden gescheiterte Klage der Staatssekretärin gegen die Entlassung an. Für Gnadl ist sie der Beleg, dass die Angelegenheit erledigt und der Untersuchungsausschuss überflüssig ist. Das Gericht habe auch keinen Verstoß gegen die Fürsorgepflicht festgestellt.

Dieser SPD-Sicht der Dinge hatte der Sachverständige allerdings schon in seinem Eingangsstatement vorbeugend widersprochen. Bei dem Verwaltungsgerichtsverfahren sei es um Mansooris Verstoß gegen die ihm gebotene Fürsorgepflicht gar nicht gegangen, sagte Masuch. "Von daher halte ich es für gewagt zu sagen, die Sache sei damit abgeschlossen."

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de