Familienministerin im Landtag Hessen bekommt zweites Childhood-Haus und Kinderschutzbeauftragten
Nie zuvor waren den hessischen Jugendämtern so viele Fälle gequälter Kinder und Jugendlicher bekannt. CDU-Familienministerin Stolz stellt deshalb den Kinderschutz in den Mittelpunkt ihrer ersten Regierungserklärung und kündigt Verbesserungen an.
Schläge, Psychoterror, Vergewaltigung, Vernachlässigung: Die hessischen Jugendämter müssen sich um mehr Kinder und Jugendliche als je zuvor kümmern, denen es übel ergeht - und das oft in der eigenen Familie.
Die unter dem Begriff "Kindeswohlgefährdung" registrierten Fälle sind landesweit im vergangenen Jahr um mehr als zehn Prozent auf 6.198 Fälle gestiegen. Von diesem alarmierenden Höchststand berichtete Familienministerin Diana Stolz (CDU) am Dienstag im Landtag in Wiesbaden.
"Der Schutz der Kleinsten und Kleinen und jungen Menschen ist immer noch zu sehr unter dem Radar", stellte die Ministerin in einer Regierungserklärung zum Kinderschutz fest. Gesellschaft und Staat müssten genauer hinschauen, auch bei Straftaten im Internet. Sie kündigte den Ausbau von Präventions- und Hilfsangeboten an.
Geschulte Fachleute
Stolz ist seit Januar in der seitdem regierenden schwarz-roten Koalition Ministerin eines neu zugeschnittenen Ressorts für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege. In ihrer ersten Regierungserklärung stellte sie nun den Plan zur Einrichtung eines Childhood-Hauses in Nordhessen vor. in solches Haus existiert bereits in Hessen.
An der Universitätsklinik Frankfurt bietet eine medizinische Kinderschutzambulanz seit knapp einem Jahr eine multiprofessionelle, behördenübergreifende Anlaufstelle für traumatisierte Kinder und Jugendliche. Die Verantwortlichen berichteten bereits nach einigen Monaten von großer Resonanz. Hier bündeln verschiedene Ämter und Disziplinen wie Jugendamt, Justiz, Polizei, Medizin und Psychologie ihre Arbeit.
Durch diese zentrale Anlaufstelle wird den Kindern erspart, mehrfach von verschiedenen Institutionen untersucht und befragt zu werden. In der Ambulanz werden auch mögliche Spuren von Gewalt dokumentiert, wie Stolz erläuterte. Nur mit einer fundierten Beweislage gebe es eine Chance, die Täter dingfest zu machen und sie vor Gericht zu bringen.
Die jungen Opfer und Zeugen von Gewalt werden in geschützter Umgebung ärztlich und psychologisch betreut. Sie können dort außerdem auch gerichtsverwertbare Aussagen per Video machen. So kann eine erneute Traumatisierung durch direkte Auftritte im Gerichtssaal, bei denen sie den Tätern gegenüberstehen müssten, vermeiden werden.
Ohne neues Trauma
"Ich bin von diesem Konzept zutiefst überzeugt", sagte Stolz. Über den geplanten Standort eines Childhood-Hauses in Nordhessen und weitere Details zu dem Plan machte sie keine Angaben.
Die Einrichtung in Frankfurt hatte das Land Hessen mit 1,4 Millionen Euro "massiv unterstützt", wie die Ministerin betonte. Dafür sei sie der schwarz-grünen Vorgängerregierung dankbar. Für den laufenden Betrieb in Frankfurt zahle Hessen bis zu 300.000 Euro im Jahr.
Trägerin der Einrichtung ist die 1999 von Königin Silvia von Schweden gegründete World Childhood Foundation. Sie hilft Kindern in 14 Ländern. Die Königin war zur Eröffnung nach Frankfurt gekommen.
Mehr "DropIns" und Familienzentren gefördert
Die Familienministerin kündigte außerdem an, dass die Landesregierung einen Kinderschutzbeauftragten ernennen und einen Landesbetroffenenbeirat einrichten werde. Die Einrichtung dieses Beirates ist eine von rund 38 Empfehlungen, die vor mehr als einem Jahr ein neuer Landesaktionsplan zum Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt enthielt.
Die Zahl der vom Land geförderten "DropIns", wo sich Eltern von Neugeborenen treffen, werde in diesem Jahr um zehn auf mehr als 100 steigen, sagte Stolz außerdem. Auch bei der Förderung von Familienzentren legt Hessen laut Stolze zu: Die Zahl der unterstützten Zentren, die Kurse von Eltern oder Hausaufgabenbetreuung anbieten, sei um 16 auf 227 gestiegen. Die Familienzentren gehörten zu den Orten, an denen Gefährdungen verhindert oder Missstände erkannt werden könnten.
Die Politik müsse sich fragen, warum die Fallzahlen ständig steigen, betonte Nadine Gersberg vom Koalitionspartner SPD. Die schwarz-rote Landesregierung haben den Kinderschutz "als eines der drängendsten Probleme in diesem Land erkannt".
Das zeige sich auch darin, dass der Aktionsplan gegen sexualisierte Gewalt nicht nur weiterentwickelt worden sei. Er sei auch keine bloße Absichtserklärung mehr, sondern werde endlich umgesetzt.
Kritik von der FDP an Beauftragtenposten
"Es ist noch lange nicht alles gut", entgegnete FDP-Fraktionsvorsitzende Wiebke Knell auf die Regierungserklärung. Stolze habe bei ihrer Aufzählung vermeintlicher Leistungen Felder nicht benannt, auf denen es Handlungsbedarf gebe. So könne ein "von der Landesregierung ins Schaufenster gestellter Beauftragter" vieles nicht lösen.
Das Geld wäre nach Meinung der Oppositionspolitikerin bei den Beratungsstellen besser aufgehoben, die chronisch überlastet seien. Bei Ärzten und Psychotherapeuten für Kinder und Jugendliche sei der Mangel groß, hier sei die Regierung "bislang blank".
Grüne erkennen wichtiges Signal
Dass der Staat den Schutz in vielen Fällen nicht gewährleisten könne, beklagte Kathrin Anders von den Grünen. Deshalb seien Verbesserungen nötig, die Regierungserklärung sei dafür ein wichtiges Signal. Anders forderte eine "Kultur des Hinsehens". Der Aktionsplan für Hessen gebe klare Handlungsanweisungen und müsse konsequent umgesetzt werden.
Eine bessere Ausstattung der Jugendämter angesichts alarmierender Zahlen forderte der AfD-Abgeordnete Gerhard Bärsch. Die geplante Einrichtung eines Childhood-Hauses in Nordhessen begrüßte er. Zugleich kritisierte er, dass in Kitas eine "ideologische Sexualpädagogik" zu einer "Frühsexualisierung" führe. Dies müsse die Regierung unterbinden, auch das gehöre zum Kinderschutz.