Landtag ändert Ladenöffnungsgesetz Mini-Märkte ohne Personal dürfen sonntags wieder aufmachen
Das ging ungewöhnlich schnell und einmütig: Für den Sonntagsverkauf in vollautomatisierten Mini-Märkten hat der Landtag das Ladenöffnungsgesetz liberalisiert. Aber vermutlich haben Richter das letzte Wort.
Ob Butter, Soßenpulver oder Tiefkühlwirsing: Im vergangenen Dezember stoppte der Hessische Verwaltungsgerichtshof das Angebot des Fuldaer Handelskonzerns Tegut, in vollautomatisierten Teo-Märkten auch an Sonn- und Feiertagen noch Besorgungen machen zu können.
Nun hat der Landtag einstimmig den Weg frei gemacht, damit solche Läden an sieben Tagen der Woche rund um die Uhr öffnen können. Auch Grüne und AfD stimmten einer gemeinsamen Initiative der schwarz-roten Koalition und der FDP zu, das Ladenöffnungsgesetz zu lockern.
Läden dürfen demnach immer offen sein, wenn sie ohne Personal auskommen, nicht größer als 120 Quadratmeter sind und lediglich Waren des täglichen Bedarfs anbieten. Drinnen ist Selbstbedienung angesagt, bezahlt wird per App.
Jetzt droht eine Klage
Der Tegut-Konzern begrüßte die Änderung, die nur ein knappes halbes Jahr nach der für ihn nachteiligen Gerichtsentscheidung erfolgte. Das Unternehmen rechnet nach Angaben eines Sprechers damit, bereits nächste Woche 26 Teo-Märkte in Hessen auch am Sonntag wieder zu öffnen. Bis dahin, so die Hoffnung, dürfte die Liberalisierung des Ladenöffnungsgesetzes im Gesetzesblatt veröffentlicht und damit wirksam geworden sein.
Allerdings hat die Allianz für den Sonntag längst eine Klage angekündigt, falls diese Art des Sonntagsverkaufs erlaubt wird. Das Bündnis von Gewerkschaften und Kirchen sieht den vom Grundgesetz garantierten Schutz der Sonntagsruhe verletzt. Martina Spohr, Geschäftsführerin der Allianz in Nordhessen, bekräftigte den Widerstand nach dem Landtagsbeschluss. Sie bezeichnete die Liberalisierung als "Angriff auf den Sonntagsschutz per se".
Spohr befürchtet, dass es bei dieser Reform nicht bleibt. Per "Salamitaktik" solle der Sonntagsschutz offenkundig allmählich ausgehöhlt werden. Es müsse aber reichen, dass an sechs Tagen ein Verkauf an 24 Stunden möglich sei. Gerade am Sonntag gehe es darum, aus dem Alltag herauszutreten und sich zu fragen: "Sind wir denn nur Arbeiter oder Konsumenten?"
Dass niemand wegen der Mini-Märkte arbeite, stimme zudem nicht. Ein Notdienst für die Technik werde gebraucht oder einfach auch Personal, das sich kümmere, wenn eine Flasche Milch auf den Boden falle.
Ministerin sieht Sonntagsschutz gewahrt
Die Kritik wiesen Arbeitsministerin Heike Hoffmann (SPD) und Sprecher der Fraktionen im Landtag zurück. Hofmann sprach von einem "großen Erfolg", räumte aber ein: Bei der raschen Lösung, die das Leben der Menschen leichter mache, habe es sich um einen "Balanceakt" gehandelt.
Nach Ansieht der Ministerin hilft die Sonntagsöffnung den Kommunen, die eine wohnortnahe Versorgung und vergleichbare Attraktivität des Lebens in der Stadt und auf dem Land forderten. Gemeindeparlamente und Bürgermeister setzten sich für die Liberalisierung ein. Gleichzeitig zeugen die Auflagen an die Betreiber laut Hofmann von einem "verantwortlichen Umgang mit dem hohen Gut des Sonntagsschutzes".
Heiko Kasseckert, der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU, hielt fest: Bei einer Anhörung zum Sonntagsverkauf in den volldigitalisierten Märkten sei selbst der Widerstand der Kirchen "eher begrenzt" gewesen.
Schließlich dürfe Personal nur in dringenden Notfällen sonn- und feiertags eingesetzt werden. Niemand dürfe losgeschickt werden, um dann zum Beispiel leere Regale aufzufüllen. Das limitierte Sortiment macht laut Kasseckert zudem klar, dass es nicht um ein Einkaufserlebnis gehe.
Grüne: Waren nie dagegen
"Wir sind nie gegen die Sonntagsöffnung gewesen", sagte der Grünen-Abgeordnete Sascha Meier. Seiner Partei gehe es lediglich darum, eine Ausweitung verkaufsoffener Sonntage zu verhindern.
Automatisierte Verkaufsmodelle aber setzten sich überall durch und schadeten Arbeitnehmern nicht, sagte der Politiker, der gelernter Einzelhandels-Kaufmann ist. Im Fall der Mini-Märkte sei der Umsatz an Sonntagen außerdem wichtig dafür, dass sich die Angebote auch rechneten. Menschen auf dem Land sei auch nicht zu vermitteln, dass man in Städten an Bahnhöfen oder Flughäfen längst zu jeder Zeit einkaufen könne.
FDP fordert mehr Liberalisierung
Tankstellen dürften auch sonntags geöffnet sein und das mit Personal, wandte auch FDP-Fraktionschef Stefan Naas ein. Das zeige, wie veraltet das aus dem Jahr 2006 stammende hessische Ladenöffnungsgesetz sei.
Die Liberalen hatten nach dem gerichtlich gegen Tegut verhängten Sonntagsverkaufsverbot zur Eile gedrängt und als erste Fraktion die Initiative zur nun erfolgten Gesetzesänderung ergriffen. Dann holte die CDU/SPD-Koalition die FDP mit ins Boot.
Der FDP geht die Änderung aber nicht weit genug, wie Naas nun betonte: "Dass zum Beispiel Waschsalons und Autowaschboxen an Sonntagen schließen müssen, ist den Menschen nicht vermittelbar", sagte er. Das wolle man nun ebenso vorantreiben wie eine Ausweitung der verkaufsoffenen Sonntage.
Die AfD betonte: Sie stimme trotz Bedenken zu, um die Versorgung im ländlichen Raum zu stärken. Volker Richter, ihr sozialpolitischer Sprecher, teilt nach eigenen Angaben die Sorgen der Gewerkschaft: Die Liberalisierung könne dazu führen, dass "scheibchenweise die Sonntagsöffnung und die Verkaufsflächengrößen durch die Hintertür erweitert werden".
Handelsverband zufrieden, aber ...
In einer Erklärung kritisierte der Handelsverband Hessen denn auch die beschlossene Einschränkungen beim Sonntagsverkauf für Sortiment und Verkaufsflächen. Nach Meinung von Hauptgeschäftsführer Sven Rohde sind sie "nicht zielführend". Die Anbieter wüssten "in der Regel sehr gut, was ihre Kundinnen und Kunden brauchen".
Grundsätzlich begrüßt der Handelsverband die Neuregelung aber. Sie sei eine Grundlage für die Händler, ihre Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln und auszubauen.
Tegut will expandieren
Expansion hat der Tegut-Konzern nun auch vor. Bislang betreibt er 29 vollautomatisierte Märkte in Hessen. Drei von ihnen hatten auch in den vergangenen Monaten geöffnet, weil sie zu Bahnhöfen in Darmstadt, Hanau und Groß-Umstadt (Darmstadt-Dieburg) gehören.
Konkret seien Mini-Märkte in Marburg und Trebur-Astheim (Groß-Gerau) geplant. Weitere Standorte im Rhein-Main-Gebiet und in Nordhessen habe man im Blick.
Redaktion: Wolfgang Türk, Jörn Perske, Michael Pörtner
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 10.07.2024, 19.30 Uhr