Hessen verspricht dauerhafte Hilfe Landtag gedenkt der Erdbeben-Opfer

Gemeinsam mit dem türkischen Generalkonsul hat der Landtag in Wiesbaden der Opfer des verheerenden Erdbebens gedacht. Hilfe halten Ministerpräsident Rhein und alle Fraktionen für geboten - aber nicht alle im gleichen Maße.

Trauerbeflaggung am Hessischen Landtag nach dem Erdbeben in der Türkei und Syrien.
Trauerbeflaggung am Hessischen Landtag nach dem Erdbeben in der Türkei und Syrien. Bild © Wolfgang Türk (hr)
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Am Vormittag hatten die Klassen der hessischen Schulen eine Schweigeminute eingelegt. Um 14 Uhr am Dienstag taten es ihnen die Abgeordneten des hessischen Landtags zum Auftakt ihrer Sitzungswoche gleich.

Während draußen vor dem Parlamentsgebäude Trauerbeflaggung wehte, gedachten die Politikerinnen und Politiker im Plenarsaal der Opfer des verheerenden Erdbebens in der türkisch-syrischen Grenzregion.

Dazu war auch der türkische Generalkonsul Erdem Tunçer in die Landeshauptstadt gekommen. "Uns alle macht das Unglück sehr betroffen", sagte Landtagsprädidentin Astrid Wallmann (CDU). Wie sie versicherte auch Ministerpräsident Boris Rhein (CDU): "Wir trauern mit Ihnen."

Rhein: Hessen fühlt besonders mit

Das Land wolle angesichts des unermesslichen Maßes an Leid und Zerstörung helfen, sagte Rhein und sprach von einer "Daueraufgabe". Hessen habe eine besondere Beziehung zur Türkei, weil von dort viele Menschen gekommen seien und das Land bereicherten. Viele von ihnen trauerten um Getötete oder machten sich nun Sorgen um Verwandte und Freunde.

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An diesem Dienstag wollte die Bundeswehr laut Rhein auch Güter des hessischen Katastrophenschutzes per Flugzeug in die Erdbebenregion bringen. Es handele sich um dringend benötigtes Material wie Zelte, Feldbetten, Heizungen und Schlafsäcke im Wert von rund 750.000 Euro aus dem Zentrallager in Wetzlar.

Das Sozialministerium organisiere zudem gerade mögliche Lieferungen medizinischen Materials. Eine Abfrage in Kliniken und anderen medizinischen Einrichtungen laufe.

Kurzer Streit mitten im Gedenken

Mitgefühl und Bereitschaft zur Solidarität brachten auch die Vorsitzenden der Fraktionen des Landtags zum Ausdruck. SPD-Fraktionschef Günter Rudolph etwa sagte, die Katastrophe relativiere auch die Bedeutung mancher Debatte im Parlament. "Es gibt Menschen, die haben andere Sorgen."

Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner appellierte an die politischen Verantwortlichen in der Türkei und Syrien, dass geleistete Hilfe allen Menschen gerecht zur Verfügung gestellt werden müsse. Abschiebungen ins Krisengebiet aus Hessen werde es "selbstverständlich" nicht geben. Für die Linke brachte Fraktionschef Jan Schalauske seine Fassungslosigkeit darüber zum Ausdruck, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kurz nach dem Beben die kurdische Selbstverwaltung in Nordsyrien habe bombadieren lassen.

Einen kurzen Disput gab es, als AfD-Fraktionschef Robert Lambrou eine vorübergehende unbürokratische Aufnahme von Betroffenen aus dem Erdbebengebiet bei Angehörigen in Deutschland ablehnte. Hilfe im betroffenen Gebiet sei nun geboten, die Kommunen hierzulande seien jedoch schon jetzt mit der Unterbringung von Geflüchteten überfordert, sagte er.

Nach anschließenden Unmutsbekundungen darüber schritt Landestagspräsidentin Wallmann ein und forderte alle Beteiligten dazu auf, die Würde des Gedenkens zu wahren.

Stolz auf "humanitäre Regelung"

Hintergrund der Auseinandersetzung: Erdbebenopfer aus der Türkei und Syrien sollen bei Angehörigen in Deutschland unterkommen und unbürokratisch einreisen dürfen. Die Visa sollen laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) drei Monate lang gültig sein. Faeser ist Landeschefin und Spitzenkandidatin der SPD bei der Landtagswahl.

FDP-Fraktionschef René Rock begrüßte diese Regelung. An die Adresse der AfD richtete er seine Bewertung, bei dieser unbürokratischen humanitären Aufnahme von Famiienangehörigen zeige sich "der Unterschied zwischen zivilisiertem Verhalten und unzivilisiertem Verhalten". Ihn mache die humanitäre Regelung stolz.

Ministerpräsident Rhein äußerte sich in seiner Erklärung nicht direkt zu dem Thema. Er sagte: "Wir werden in dieser schwierigen Lage mit allem helfen und unterstützen, was möglich ist, damit die Menschen in ihrer Heimat bleiben können."

Noch viel mehr Tote befürchtet

Das Erdbeben hatte vor einer Woche die Grenzregion der Türkei und Syriens erschüttert. Die Zahl der Toten ist inzwischen auf weit über 35.000 gestiegen. Die Vereinten Nationen befürchten, dass die Zahl der Getöteten auf mehr als 50.000 steigen könnte.

Auch Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks (THW) aus Hessen flogen zum Einsatz ins Katastrophengebiet. Die Hoffnung, Überlebende in den Trümmern zu finden, sank zusehends.

Erinnern an Hanau: "Das war keine Naturkatastrophe"

Da sich am Sonntag der rassistische Anschlag von Hanau zum dritten Mal jährt, erinnerte Landtagspräsidentin Wallmann auch an die neun Opfer vom 19. Februar 2020. Sie hob die politische Dimension hervor: "Hanau war keine Naturkatastrophe", sagte sie. Es sei Folge des Rechtsextremismus als der gegenwärtig größten Gefahr für die freiheitlich-demokratische Gesellschaft. Dem gelte es entschieden entgegenzutreten.

Ein psychisch kranker, von völkischem Gedankengut getriebener 43-Jähriger aus Hanau hatte vor drei Jahren neun Menschen mit Migrationshintergrund erschossen. Anschließend tötete er seine Mutter und sich selbst. Ein Untersuchungsausschuss des Landtags geht derzeit der Frage nach, ob den Sicherheitsbehörden vor dem Anschlag und während des Einsatzes Fehler unterliefen.

Verstorbene Abgeordnete

Die Abgeordneten und Generalkonsul Tunçer gedachten zu Beginn der Plenarsitzung auch des vor kurzem nach schwerer Krankheit verstorbenen CDU-Politikers Ismail Tipi (CDU). Geboren 1959 im türkischen Izmir, kam er im Alter von zwölf Jahren nach Deutschland.

Nach eine Tätigkeit als Journalist zog Tipi 2010 als Abgeordneter des Wahlkreises Offenbach-Land II in den Landtag ein. Er wurde Sprecher seiner Fraktion für Integrationspolitik und warnte immer wieder vor den Folgen mangelnder Integration sowie den Gefahren des Islamismus.

Gedacht wurde auch des Anfang Februar verstorbenen SPD-Sozialpolitikers Günter Simon. Er war von 1982 bis 1995 über vier Wahlperioden hinweg Landtagsabgeordneter.

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Sendung: hr-iNFO, 14.02.2023, 17.00 Uhr

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Quelle: hessenschau.de, Wolfgang Türk