hr-Hessentrend CDU und Rhein weit vorn, SPD wartet auf Faeser-Effekt
Sieben Monate vor der Landtagswahl läuft es für die CDU und ihren Ministerpräsidenten Rhein: Im hr-Hessentrend liegen beide weit vorn, und die SPD verliert an Boden. Doch selbst wenn es so bliebe, wäre die wichtigste Frage offen.
Es ist ein bisschen hin zum 8. Oktober, dem Tag der Hessen-Wahl. Der aktuelle hr-Hessentrend dürfte aber vor allem der CDU und ihrem Ministerpräsidenten Boris Rhein Grund zur Zuversicht geben. In der repräsentativen Umfrage liegen beide deutlich vor den anderen Parteien und Spitzenkandidaten.
Wenig erfreulich ist das Umfrageergebnis für die SPD und ihre Spitzenkandidatin Nancy Faeser. Sie liegen jeweils nur auf Platz drei hinter den Grünen und deren Spitzenkandidaten Tarek Al-Wazir. Und doch bliebe auch bei diesem Stand ein politischer Wechsel denkbar. Für eine erstmalige hessische Ampel-Koalition aus Grünen, SPD und FDP könnte es knapp reichen.
Bei den Themen gewinnt für die Menschen die Aufnahme von Geflüchteten an Gewicht. Kann Hessen das schaffen? Noch überwiegt in dieser Frage die Zahl der Optimisten. Aber die Unzufriedenheit mit der Arbeit von Bund und Land in der Flüchtlingspolitik ist groß.
1. CDU weit vorne, SPD verliert, Linke wäre draußen
Seit 1999 regiert die CDU als stärkste Partei Hessen, seit bald zehn Jahren im Bündnis mit den Grünen. Das könnte so bleiben. Gegenüber dem Ergebnis des Hessentrends im Oktober, das auch dem bei der Landtagswahl 2018 entsprach, legt die Union kräftig zu.
Mit 32 Prozent (+5 Prozentpunkte) baut die CDU ihren Vorsprung vor den Grünen als Koalitionspartner deutlich aus. Diese stagnieren zwar bei 22 Prozent gegenüber dem vorigen Hessentrend. Sie heben sich damit aber vom Negativtrend der Bundespartei ab, die als Teil der Ampelregierung derzeit an Zuspruch verliert, wie der jüngste ARD-Deutschlandtrend zeigt. Die SPD verliert und fällt mit 20 Prozent (-2) auf Platz drei zurück.
Einen geringen Verlust muss die AfD hinnehmen, die bei 11 Prozent (-1) landet. Die FDP muss zittern, knackt mit 5 Prozent gerade so die Marke zum Einzug in den Landtag, die Linke bleibt mit 3 Prozent deutlich unter der Hürde.
2. Faeser muss noch einiges aufholen
Der Landtag wählt den Ministerpräsidenten. Wären es die Bürger direkt, stünden die Chancen für Amtsinhaber Boris Rhein mit Abstand am besten. Der CDU-Politiker kommt auf 32 Prozent (+2). Der grüne Vize-Ministerpräsident Al-Wazir übertrifft mit demselben Zuwachs und insgesamt 23 Prozent das Ergebnis seiner Partei noch.
Mit merklichem Abstand bleibt Nancy Faeser auch nach der Bekanntgabe ihrer SPD-Spitzenkandidatur auf 17 Prozent und Platz drei. Schmerzlich für sie: Nur 44 Prozent der SPD-Anhänger ziehen Faeser den Kandidaten von CDU und Grünen vor. Rhein (71 Prozent) und Al-Wazir (67 Prozent) haben da in den eigenen Reihen deutlich mehr Rückhalt.
3. Koalition gegen die CDU denkbar
Stärkste Fraktion zu bleiben, muss nicht mit dem Bewahren der Regierungsmacht einhergehen. Wäre der Hessentrend das Wahlergebnis, könnte die CDU rechnerisch zwar zwei Bündnisse schmieden: entweder gestärkt mit den Grünen als langjährigem Koalitionspartner oder mit der SPD als Bündnispartner.
Allerdings könnte es auch anders laufen: nicht mit Grün-Rot-Rot, weil die Linke nicht im Parlament wäre. Aber für eine Ampel unter Führung der Grünen könnte es der Umfrage zufolge reichen, wenn die FDP am Ende nicht an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert.
4. Schwarz-Grün aktuell relativ beliebt
Noch im Oktober lag die Zufriedenheit mit der hessischen Landesregierung auf dem Tiefpunkt seit Beginn von Schwarz-Grün Anfang 2019. Mit 52 Prozent Zuspruch hat sich das nun etwas gebessert.
Schaut man über die Landesgrenze hinaus, ist der Wert sogar vergleichsweise gut. Denn anders als zu Beginn der Coronakrise ist die Zufriedenheit mit den Regierungen derzeit nicht besonders groß. Nur in Sachsen-Anhalt hat die Regierung mit 54 Prozent einen etwas besseren und in Baden-Württemberg mit 51 Prozent ein fast gleich hohen Wert wie in Hessen.
Alle anderen Länder liegen weit darunter. Ganz unten rangiert die Ampel-Bundesregierung mit nur 33 Prozent Zufriedenheit im ARD-Deutschlandtrend vom März.
5. Eine Ampel wünschen die wenigsten
Geht es nach den Wunschkoalitionen der Hessen, sieht es aber nicht ganz so günstig für die amtierende Regierung aus. Rot-Grün, das Hessen früher schon zweimal regiert hat, läge mit 36 Prozent beim Sympathiewert leicht vorne. Beim aktuellen Kräfteverhältnis wäre es allerdings Grün-Rot. Fast gleichauf mit Schwarz-Grün (35 Prozent) wäre auch ein CDU/SPD-Bündnis.
Ernüchternd für die Bundesregierung und ein Aspekt für künftige Koalitionsverhandlungen in Wiesbaden: Die laut Hessentrend denkbare Ampel-Regierung wollen mit 17 Prozent die allerwenigsten Menschen.
Wenn es darum geht, welche Partei die kommende Landesregierung anführen sollte, ist die CDU wie bei der Frage nach dem Ministerpräsidenten deutlich in Führung. Dahinter aber, ein Hoffnungsschimmer für sie, lässt die SPD die Grünen hinter sich.
6. Flüchtlingspolitik wichtiger, Energiepolitik unwichtiger
Kitas, Schulen, Unis: Bildung ist eines der wenigen Felder, für das die Bundesländer alleine die Verantwortung tragen. Bei den größten Problemen rangiert das Thema ganz vorne. Besonders stark an Bedeutung gewonnen hat für die Menschen aber die Asyl- und Einwanderungspolitik.
Während auch die Klimapolitik mehr Aufmerksamkeit erhält, rückt die Energiepolitik in den Hintergrund. Sie war im Oktober noch das Top-Thema. Dann sanken die Spritpreise, die Gas- und Strompreisbremse kam und zum Ende des Winters sagt jetzt nur noch jeder Zehnte: Das ist das wichtigste Politikfeld.
7. Wo die SPD zugelegt hat
Auf einem Gebiet immerhin kann die oppositionelle SPD im Vergleich zur letzten entsprechenden Befragung vor drei Jahren deutlich zulegen. 38 Prozent (+7) der Hessen sind mit ihrer Arbeit als Partei grundsätzlich zufrieden.
Damit landen die Sozialdemokraten hinter der CDU (42 Prozent, -2) auf Platz zwei und überholen die Grünen (36 Prozent), die mit einem Minus von 12 Prozentpunkten in diesem Punkt enorm nachgelassen haben.
Nur die Linke mit 12 Prozent (-14) zufriedenen Befragten trifft ein noch größerer Sympathieentzug der Wahlberechtigten. Sie haben in Hessen eine heftige #MeToo-Affäre hinter sich und leiden bundesweit seit langem unter dem Zwist um Sahra Wagenknecht und aktuell um die Haltung zu Russland. Die FDP (22 Prozent, -3) verliert weniger heftig an Zufriedenen, die AfD (10 Prozent) bleibt stabil.
8. Grüne verlieren an Kompetenzzuspruch
Geht es darum, die speziellen Kompetenzen der Parteien zu bewerten, hat sich weniger bewegt. So punktet die CDU bei ihrem Kernthema innere Sicherheit und die FDP bei Wirtschaft und Arbeitsplätzen. Der SPD trauen viele bei sozialer Gerechtigkeit das meiste zu. Was bei den Grünen auffällt: Sie verlieren auf allen Feldern an Kompetenzzuspruch - trotz deutlicher Führung sogar bei ihrem Top-Thema Umwelt- und Klimaschutz.
Insgesamt wird der CDU als Kompetenzlöserin am meisten zugetraut (29 Prozent). Anders als bei Sonntagsfrage und Spitzenkandidat steht auch hier die SPD (20 Prozent) besser da als die Grünen (11 Prozent).
9. Schlechte Noten in der Flüchtlingspolitik
Seit Monaten fordern Landräte und Bürgermeister von Bund und Land mehr Hilfe bei der Unterbringung, Verpflegung und Integration von Flüchtlingen aus der Ukraine und anderen Krisengebieten der Welt. Hessens Bürger sehen es ähnlich kritisch. Deutlich mehr als die Hälfte der Bürger (58 Prozent) findet, das Land müsse mehr tun. Mit der Leistung der Bundesregierung sind hier sogar mehr als zwei Drittel der Bürger (68 Prozent) unzufrieden.
Noch denken aber 50 Prozent aller Befragten, dass Hessen die Aufnahme von Flüchtlingen schafft. 43 Prozent sind anderer Meinung. Die Zahl der Optimisten bei diesem Thema ist bei den Grünen-Anhängern sehr hoch (83 Prozent), die Zahl der Pessimisten wenig überraschend bei den AfD-Anhängern (82 Prozent).
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 14.03.2023, 19.00 Uhr
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