Mit stark gekürztem Arbeitsauftrag Landtag bildet umstrittenen Corona-Ausschuss

Wie groß darf er sein, nach was darf er fragen, kommt er überhaupt zum Arbeiten? Das heftige juristische Gezerre um den hessischen Corona-Untersuchungsausschuss ist längst nicht vorbei. Trotzdem hat sich das Gremium gebildet und einen Vorsitzenden gewählt.

Ein Schild an der Filiale einer Krankenversicherung in der Innenstadt weist auf die bestehende Maskenpflicht und das Abstandsgebot aufgrund des Coronavirus hin.
Ein Schild weist auf die bestehende Maskenpflicht und das Abstandsgebot hin (Archivfoto). Bild © dpa
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Der Oppositionspolitiker Yanki Pürsün (FDP) wird als Vorsitzender den Corona-Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag leiten. Der 52 Jahre alte Frankfurter wurde am Mittwochabend in Wiesbaden bei der ersten Sitzung des Ausschusses einstimmig gewählt.

Stellvertreterin Pürsüns ist die SPD-Abgeordnete Tanja Hartdegen. Die konstituierende Sitzung fand hinter verschlossenen Türen statt. Ein Berichterstatter, der am Ende die Ergebnisse des Ausschusses zusammenfasst, soll in der nächsten Sitzung nach den Sommerferien bestimmt werden.

Der von der AfD initiierte Ausschuss soll die Politik während der Corona-Pandemie aufarbeiten. Der Vorsitzende Pürsün rief laut einer Mitteilung des Landtags die anderen Mitglieder auf, "an der Sache orientiert und konstruktiv" miteinander zu arbeiten. Ob und in welcher Form der Ausschuss arbeiten kann, ist aber in der Schwebe.

Yanki Pürsün Portrait
Der FDP-Politiker Yanki Pürsün leitet Corona-Untersuchungsausschuss Bild © Hessischer Landtag

AfD beharrt auf Verfassungsklage

Denn die AfD bekräftigte nun in der ersten Sitzung noch einmal: Sie wird Verfassungsklage gegen die Zusammensetzung und den Arbeitsauftrag des Ausschusses erheben.

Hintergrund: Es war die AfD, die über ein Minderheitenrecht die Einrichtung des Gremiums erreicht hat. Mit dem fraktionslosen Abgeordneten Sascha Herr kam sie mit einem Fünftel aller Landtagsabgeordneten genau auf die dafür nötige Mindestzahl an Unterstützern.

Ihr ursprünglich 43 Einzelpunkte umfassender Fragenkatalog wurde von den anderen Fraktionen allerdings auf sieben Punkte zusammengestrichen.

Zuvor hatten drei vom Landtag beauftragte Gutachter unabhängig voneinander viele Fragen als verfassungswidrig bewertet. Die Einwände: Die Fragen gingen über den Verantwortungsbereich der Landesregierung hinaus, seien zu vage gestellt oder enthielten bereits Wertungen. Uneinig waren die Gutachter aber in der Frage, wie viele der Punkte als verfassungswidrig zu bewerten sind.

Kaum Fragen übrig geblieben

Übriggeblieben sind vom AfD-Antrag Fragen wie die, ob Hessen auf die Pandemie ausreichend vorbereitet war und ob die Lockdowns bei besseren Vorkehrungen hätten verhindert werden können. Es soll auch darum gehen, wie viel Geld Hessen für das Werben für Corona-Maßnahmen und Impfungen ausgab und ob die Pandemiepläne inzwischen aktualisiert wurden.

Zentrale Themen der AfD wie Schulschließungen, medizinische Versorgung oder mögliche Impfschäden bleiben außen vor. Ob dies das letzte Wort ist, entscheidet voraussichtlich der Hessische Staatsgerichtshof als Verfassungsgericht des Landes.

Juristischer Hauptvertreter der AfD in dem Verfahren soll dem Vernehmen nach der Anwalt Christoph Basedow sein. Er war zuvor Justiziar der AfD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern. Basedow hat die AfD bereits in großen Verfahren vertreten, so auch in der Spendenaffäre rund um die AfD-Bundesvorsitzende Alice Weidel.

Auch die Größe umstritten

Vor dem Staatsgerichtshof wird auch darüber gestritten, ob es bei der von CDU, SPD, Grünen und FDP festgelegten Größe des Untersuchungsausschusses bleibt. Das Gremium hat 16 Mitglieder, während die AfD eine Größe von 15 Mitgliedern gewünscht hat. 15-köpfig waren zuletzt auch die Untersuchungsausschüsse zum Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke und zum Hanau-Attentat.

Der Ausschuss muss die Größe der Fraktionen im gesamten Parlament widerspiegeln. Bei 15 Mitgliedern hätte die AfD mit drei von ihr entsandten Politikern ein Fünftel der Mitglieder gestellt. Das hätte gereicht, um auf einfachem Weg per Beweisantrag etwa Politiker oder Experten als Zeugen zu laden.

Bei der von ihren Gegnern durchgesetzten 16-köpfigen Besetzung kommt die AfD nicht auf dieses Fünftel. Sie ist nun bei jedem Beweisantrag gezwungen, neben der Unterstützung all ihrer Abgeordneten auch die des Fraktionslosen Herr nachzuweisen. Mit ihm wollte die AfD eigentlich nicht kooperieren. Herr war bei der Landtagswahl noch AfD-Mitglied. Er wurde nicht in die Fraktion aufgenommen, weil Neonazi-Kontakte bekannt wurden.

Obleute benannt

Die jetzige Zusammensetzung sieht vor, dass die CDU als stärkste Landtagsfraktion sechs Ausschussmitglieder hat. Leiter der Unionsgruppe als Obmann ist Jörg Michael Müller. Jeweils drei Mitglieder haben die AfD mit Obmann Volker Richter, die SPD mit Obmann Stephan Grüger sowie die Grünen mit Obfrau Kathrin Anders. Yanki Pürsün, der Vorsitzende des Corona-Ausschusses, ist einziger Vertreter der FDP.

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Sendung: hr1, 10.7.2024, 20 Uhr

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Quelle: hessenschau.de