Keine Zustimmung im Landtag AfD-Projekt Corona-Untersuchungsausschuss ausgebremst
Den von der AfD im Landtag geplanten U-Ausschuss zur Corona-Pandemie gibt es erst einmal nicht. Alle anderen Parteien haben gravierende Verstöße gegen die Vorgaben der Verfassung ausgemacht.
In einem ersten Anlauf ist die AfD-Fraktion am Mittwochabend im hessischen Landtag mit dem Versuch gescheitert, die Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschusses zu erreichen. Das Scheitern hat sich am Vortag abgezeichnet.
Mit Hilfe mehrerer Rechtsgutachten soll erst einmal geklärt werden: Ist der von der AfD gewünschte Auftrag für den Ausschuss überhaupt verfassungskonform? Und wenn nicht, wovon die Kritiker ausgehen: Wie kommt eine verfassungsmäßige Version zustande?
Dafür stimmten in Wiesbaden alle anderen Parteien: die CDU/SPD-Regierungskoalition ebenso wie die Oppositionsfraktionen von Grünen und FDP.
Kritik an Antrag
Die Kritiker sind aufgrund eines von der CDU in Auftrag gegebenen Erstgutachtens der Auffassung: Die AfD habe mit Gewissheit eine Vorlage eingebracht, die elementar gegen die Verfassung verstößt.
Manches habe die AfD zu unkonkret formuliert, anderes bereits mit einer Bewertung versehen - so lautet der Einwand. Vor allem verlange die AfD aber, dass der Landtag seine auf Hessen beschränkten Kompetenzen überschreite - indem zum Beispiel auch Handlungen der Ministerpräsidentenkonferenz oder einer Bundesbehörde wie des Robert-Koch-Instituts unter die Lupe genommen werden sollen.
Nach Angaben der AfD soll der Untersuchungsausschuss "sachliche Aufklärung" nach "beispiellosen Grundrechtseinschränkungen" in der Corona-Zeit leisten. Thematisiert werden sollen etwa der Lockdown, Impfungen und Maskenpflicht.
Hitzige Debatten und Zeitplan
Die Entscheidung am Mittwoch fiel nach zwei teils hitzigen Debatten: zunächst im Plenarsaal, später im für verfassungspolitische Fragen zuständigen Hauptausschuss.
"Sie haben einen Einsetzantrag für den Bundestag geschrieben", warf Ingo Schon, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, der AfD vor. Auf seinen Antrag hin und gegen den Protest der AfD verwies der Landtag die Sache in den Hauptausschuss. Das Gremium beschloss dann die Gutachter-Lösung.
Die Landtagsverwaltung beauftragt demnach drei Verfassungsrechtler, bis zur ersten Juniwoche ihre jeweilige Bewertung abzugeben. Am 11. Juni soll der Hauptausschuss zu einer Sondersitzung zusammenkommen, damit das Landtagsplenum möglichst eine Woche später mit Hilfe der Empfehlungen über die Einsetzung des Corona-Untersuchungsausschusses abstimmen kann.
Vorwurf der Vertuschung
Die AfD behielt sich eine Verfassungsklage beim hessischen Staatsgerichtshof gegen das Verfahren vor. Volker Richter, ihr gesundheitspolitischer Sprecher, sprach von einem "skandalösen Vorgehen". Der Vorwurf, die AfD-Version des Auftrags sei verfassungswidrig, bewertete er als "reine Schutzbehauptung".
Gleichzeitig erhob die AfD Vertuschungsvorwürfe. In Wirklichkeit sollten die Entscheidung verschleppt und die Arbeit des Corona-Ausschusses unterminiert werden. "So würde nur einer handeln, der etwas zu verbergen hat", sagte Richter. Fraktionschef Robert Lambrou beklagte zudem, dass die CDU der AfD das Erstgutachten nicht einmal zur Verfügung gestellt habe.
Unisono bestritten Vertreter der anderen Parteien, dass sie von anderen als juristischen Motiven geleitet würden. Im Gegenteil gehe man fair mit der AfD um, sagte Lisa Gnadl. "Sie bekommen Gelegenheit, einen veränderten Beschluss vorzulegen", sagte die SPD-Abgeordnete. Die viel härtere Alternative sei es, die Einsetzung schon jetzt ganz abzulehnen. Von einem "Serviceangebot" an die AfD sprach der Grüne Jürgen Frömmrich.
Nur eine Fraktion für Ausschuss
CDU, SPD, Grüne und FDP sind allesamt gegen den Corona-Ausschuss. Sie unterstellen der AfD, lediglich ein Tribunal zu beabsichtigen. Es gehe ihr um "Klamauk, Spaltung und Polemik", sagte CDU-Politiker Schon. Den Willen zu "Fake News und Verschwörungstheorien" nahm die Grünen-Abgeordnete Kathrin Anders wahr. Und der FDP-Fraktionschef Stefan Naas beteuerte: "Wir haben uns echt viel Mühe gemacht."
"Irre" nannte sein Fraktionskollege Oliver Stirböck die Sicht der AfD auf die Corona-Pandemie und auf die Bemühungen der Politik, sie einzudämmen.
Aber auch der FDP-Abgeordnete betonte: Das gesetzliche verbriefte Minderheitenrecht der AfD auf den Corona-Ausschuss wolle man mit der Gutachter-Lösung gerade wahren, obwohl die Partei einen so untauglichen Antrag vorgelegt habe.
Was unstrittig ist
Es ist unstrittig, dass die AfD die zentrale Hürde zur Einrichtung des Ausschusses genommen hat. Sie hat dafür die geforderten Unterstützer-Unterschriften von einem Fünftel aller 133 Abgeordneten erhalten.
Neben den 26 AfD-Abgeordneten unterstützt der Ex-AfD-Mann Sascha Herr die Sache. Die AfD wollte mit ihm eigentlich nicht kooperieren, weil Neonazi-Kontakte bekannt wurden. Redner der anderen Fraktionen kritisierten es als bezeichnend, dass die AfD nun auf diesen Mann zurückgreife.
Heftig umstritten ist aber, wie mit den rechtlichen Bedenken umzugehen ist. Das Untersuchungsausschussgesetz verpflichtet den Landtag eigentlich, einen von mindestens 20 Prozent seiner Mitglieder geforderten Ausschuss auch unverzüglich einzusetzen. Sind Teile des Auftrags verfassungswidrig, sollen nur verfassungskonforme Teile beschlossen werden.
Misstrauische AfD
Auf dieses Verfahren pocht die AfD, die ihren kompletten Antrag für korrekt hält. Die anderen Parteien stehen auf dem Standpunkt: Ohne Expertenrat, der so schnell wie möglich eingeholt werden soll, ist der Antrag nicht zu retten. Dafür durchziehe schon ein unstatthafter Anfangspassus zu sehr die im weiteren Text folgenden Aufgaben des Ausschusses.
Vorwürfe, an der Arbeit für eine einwandfreie Lösung gar nicht interessiert zu sein, wies AfD-Fraktionschef Lambrou zurück. Zum einen sei eben alles am Antrag seiner Fraktion verfassungsgemäß. Das hätten Juristen der Fraktion bescheinigt. Außerdem gelte: "Wir trauen Ihnen nicht."
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 15.05.2024, 19.30 Uhr
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