Hilfe im Wahlkampf? Landtag prüft AWO-Tätigkeit von Grünen-Politiker Burcu
Bei der Arbeiterwohlfahrt wirft der Geschäftsführer-Posten eines Landtagsabgeordneten der Grünen Fragen auf. Warum hatte Taylan Burcu den Job nur während einer heißen Wahlkampf-Phase inne? Täuschte er die Landtagsverwaltung?
"Wir Grüne kämpfen schon lange dafür, dass Abgeordnete ihre Nebentätigkeiten transparent darstellen" - so heißt es unter der Überschrift "Gläserner Abgeordnete" auf der Online-Seite der Landtagsfraktion der Grünen neben jedem Abgeordneten-Porträt. Und die Fraktion freut sich, dass das gesamte Parlament seit 2014 diesem guten Beispiel anhand von Verhaltensregeln folgt. Jetzt prüft das Landtagspräsidium, ob sich der Grünen-Politiker Taylan Burcu auch an diese Regeln gehalten hat.
Es geht um einen Führungsjob, den der 34-Jährige bei der seit Wochen von Skandalen geschüttelten Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Wiesbaden inne hatte. Er war Geschäftsführer eines Tochterunternehmens der Wiesbadener AWO, über die ein älterer Bruder Burcus damals wie heute die Gesamtverantwortung trägt: Murat Burcu, der wegen eines auffällig hohen Gehaltes sowie lukrativer Beraterhonorare und Boni in der Kritik steht.
Landtag: "Prüfverfahren eingeleitet"
Als 20. der Grünen-Landesliste zog Taylan Burcu im Herbst 2018 in den Landtag ein. Kurz vor der Wahl - im Sommer 2018, wie er auf Anfrage sagte - hatte er die Geschäftsführung des für Reinigungsarbeiten zuständigen AWO-Tochterunternehmens ProServ gGmbH in Wiesbaden übernommen. Kurz nach der Wahl, Ende 2018, legte Burcu den Job nach eigenen Angaben schon wieder nieder.
Im für jedermann einsehbaren Handelsregister stellt sich das anders dar. Nach den dortigen Unterlagen war Taylan Burcu deutlich länger, bis zum 6. Juni 2019, als Chef der ProServ gGmbH in der Verantwortung. Vom hr zu diesem Widerspruch befragt, kündigt das von Boris Rhein (CDU) geführte Landtagspräsidium an, vom Abgeordneten eine Stellungnahme einzufordern. "Damit ist ein in den Verhaltensregeln für Abgeordnete vorgesehenes Prüfverfahren eingeleitet", heißt es.
Abgeordnete sind verpflichtet, dem Landtag offenzulegen, welchen Tätigkeiten sie nachgehen. Dadurch sollen sich die Bürger ein Bild vom beruflichen Werdegang, aber auch von möglichen Querverbindungen und Abhängigkeiten von Politikern machen können.
41.000 Euro und ein Dienstwagen
Auf der Onlineseite des Landtags wird als Beruf des Grünen-Politikers noch immer Geschäftsführer angeben - weil Burcu keine Änderung mitgeteilt habe, wie ein Sprecher der Landtagsverwaltung sagt. Der Abgeordnete selbst hält das auch nicht für nötig, da lediglich die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit vor dem Landtagsmandat anzugeben sei. "Daher ist die Angabe auf der Homepage des Landtags korrekt", erklärt Burcu.
Er sei von Sommer bis Ende 2018 im Job gewesen, die letzten Monate davon - nach der Landtagswahl - bei reduzierter Arbeitszeit und reduziertem Gehalt. "In den acht Monaten für die AWO habe ich insgesamt 41.000 Euro Brutto verdient", so der Grünen-Politiker. Darüber hinaus sei ihm ein Dienstwagen, ein gebrauchter Range Rover Evoque im Neuwert von 45.000 Euro, für diese Zeit zur Verfügung gestellt worden.
Taylan Burcu legt Wert auf die Feststellung, sein Bruder als übergeordneter Chef der AWO-Muttergesellschaft habe keinerlei Einfluss auf seine Berufung zum Geschäftsführer der Tochtergesellschaft gehabt. Murat Burcu hat bislang auf Fragen zur Beschäftigung seines Bruders keine Stellung genommen.
Wahlkampf als AWO-Geschäftsführer
Dass er ausgerechnet in der Zeit seines Wahlkampfs den Führungsposten bei der AWO-Tochter bekam, hält der Politiker für unbedenklich. "Eine Beteiligung oder Hilfe oder aber finanzielle Zuwendungen seitens der AWO oder ProServ an meinem Engagement in der Politik, für meine Partei oder meinen Landtagswahlkampf waren nicht vorhanden", schreibt er.
Er habe den Posten im Sommer 2018 ohnehin nur angetreten, weil er als 20. der Grünen-Landesliste nicht sicher damit rechnen konnte, im Herbst in den Landtag gewählt zu werden. Der Vertrag sei daraufhin bis Jahresende befristet gewesen, danach sollten beide Seiten über eine Fortsetzung beraten. Der Einzug ins Parlament zum 18. Januar 2019 habe diese Entscheidung hinfällig gemacht.
Der Landtagsabgeordnete war 2008 bis 2013 schon einmal für die AWO Wiesbaden tätig gewesen: als Werkstudent in dem Projekt "Alltagsengel". Das Projekt soll Langzeitarbeitslose fit für den Arbeitsmarkt machen.
Familienförderung an der Spitze
Neben der Förderung von Mitarbeitern mit SPD-Parteibuch hatten sich in der AWO-Affäre um hohe Gehälter, Beraterhonorare und andere Privilegien familiäre Verflechtungen am Beispiel der Familie Richter offenbart.
So war Jürgen Richter, der gerade zurückgetretene Geschäftsführer der AWO Frankfurt, ehrenamtlich auch im Kreisverband in Wiesbaden in Amt und Würden. Dort wiederum war seine Frau Hannelore lange Zeit Geschäftsführerin. Auf dem Posten folgte ihr ihr Sohn Gereon. Inzwischen ist auch er zurückgetreten.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 18.12.2019, 19.30 Uhr