Kontroverse im Landtag SPD blitzt mit Extra-Förderprogramm für Mitarbeiterwohnungen ab

Den Unternehmen in Hessen fehlen zunehmend Fachkräfte und den potenziellen Mitarbeitern bezahlbare Wohnungen. Der Landtag ist sich nicht einig, wie man beide Probleme gleichzeitig angehen sollte.

Baustelle für ein Studentenwohnheim
Was hier versprochen wird, suchen inzwischen auch immer mehr Personalchefs. Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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SPD will Mitarbeiterwohnungen fördern

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Ein Altenpflegeheim, betreutes Wohnen für jüngere Menschen mit Behinderung, Tagespflege, Ambulanz, Kita: An die 500 Menschen sind es, um die sich die Mitarbeiter des Hufeland-Hauses in Frankfurt kümmern. 150 Beschäftigte hat die evangelische Einrichtung.

Um neues Personal zu gewinnen, muss Vize-Geschäftsführer Christian Küpper längst nicht mehr nur einen guten Arbeitsplatz und angemessene Bezahlung zusagen.

Job-Zusage nur bei bezahlbarer Wohnung

Denn neben dem Fachkräftemangel macht auch die Wohnungsmisere mit hohen Mieten im Rhein-Main-Gebiet Arbeitgebern immens zu schaffen - erst recht, wenn es nicht um top-bezahlte Jobs geht. "In jedem vierten Gespräch sagen uns inzwischen die Bewerber, dass sie die Stelle nur antreten können, wenn das mit einer bezahlbaren Wohnung verbunden ist."

Im Zuge eines anstehenden Bau- und Sanierungsprojekts will das Hufeland-Haus sich vom angespannten Markt etwas unabhängiger machen: Mindestens zehn der Wohnungen sollen für Mitarbeiter reserviert werden. Geht es nach der oppositionellen SPD-Landtagsfraktion, dann würde das Land ein eigenes Förderprogramm für die Schaffung solcher Mitarbeiterwohnungen auflegen.

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Die komplette Kontroverse um die Schaffung von Mitarbeiterwohnraum sehen Sie in unseren Videos aus dem Landtag.

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Keine Mehrheit in Sicht

Auch wenn bei der ersten Lesung am Mittwoch niemand im Parlament die Not von Beschäftigten und Betrieben leugnete: Mit einer Mehrheit kann die SPD für ihren Antrag nicht rechnen. Mieten schreckten Fachkräfte zunehmend ab, sagte Elke Barth, wohnungsbaupolitische Sprecherin der SPD, zur Begründung der Initiative.

Vor allem Beschäftigte in niedrigeren Lohngruppen wie Kinderbetreuung, Pflege oder Gastronomie seien betroffen. Inzwischen warnten aber auch bereits Industrie, Handwerk und Kommunen vor dem negativen Mix aus Fachkräfte- und Wohnungsmangel.

Vergleich mit "halbtoter Schnecke"

"Warum sind Sie nicht einmal in der Lage, Neues zu denken?", warf Barth der schwarz-grünen Regierungskoalition vor. Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) habe zwar gerade die Schaffung 1.600 zusätzlicher Sozialwohnungen als großen Erfolg verkaufen wollen. Aber es gebe im Gegenzug mehr als 42.000 Menschen, die eine solche Wohnung suchten. Bis zum Jahr 2040 fehlten insgesamt 400.000 Wohnungen.

Trotzdem bewege sich Hessens Wohnungspolitik "im Tempo einer halbtote Schnecke", klagte Barth. Dabei verschärfe die Entwicklung den Mangel an Fachkräften enorm. Im Rhein-Main-Gebiet würden schon jetzt rund 132.000 Beschäftigte vergeblich gesucht. Andere Bundesländer seien bereits weiter als Hessen bei der Förderung von Mitarbeiterwohnungen.

Sind zwei Bundesländer vorbildlich?

Als Beispiele nennt der Wohnungsmarktexperte Simon Wieland Baden-Württemberg mit einem eigenen Förderprogramm und Mecklenburg-Vorpommern, wo sich die Wirtschaftsförderung darum bemühe.

Als Projektleiter Mitarbeiterwohnen bei der Beratungsgesellschaft RegioKontext erreichen Wieland nach eigenen Angaben auch aus Hessen immer mehr Anfragen von Kommunen und Unternehmen, die auf die Bedeutung des Problems stoßen. "Das Konzept hat sich bewährt, und es hat Potenzial", sagt er.

Schließlich profitierten von Mitarbeiterwohnungen mehrere Akteure: Die Unternehmen bei der Personalgewinnung auf dem für sie schwieriger werdenden Arbeitsmarkt, die Beschäftigten auf dem angespannten Wohnungsmarkt und die jeweilige Stadt oder Gemeinde.

Wirtschaftsminister wehrt sich

Der von der SPD attackierte Wirtschaftsminister Al-Wazir verteidigte sich mit dem Hinweis, dass unter seiner Regie seit zwei Jahren die Trendwende im sozialen Wohnungsbau geschafft worden sei. Erstmals wachse der Bestand wieder. Die Anstrengungen müssten zwar weiter gehen, aber: "Andere Länder würden Jubelschreie ausführen."

Außerdem sei die Förderung des Landes für Investoren im Sozialwohnungsbau über zinsfreie Darlehen und Zuschüsse sehr attraktiv. Der Minister bestritt jedoch mit einem anderen Argument, dass Hessen das von der SPD gewünschte spezielle Förderpogramm für Mitarbeiterwohnungen brauche: Schon jetzt könne jedes Unternehmen eine solche Förderung ja beantragen.

Grüne: Die Falschen würden profitieren

Die Gefahr, dass die Falschen profitieren würden, machte Al-Wazirs Parteikollegin Hildegard Förster-Heldmann geltend. Ihrer Meinung nach kämen kleine Betriebe kaum zum Zug. "Das Ziel würden Sie komplett verfehlen", hielt sie der SPD vor. Es sei jedenfalls nicht Wunsch schwarz-grüner Wohnungspolitik, "Mitarbeiter finanzstarker Unternehmen privilegiert zu fördern".

"Wir sollten nicht noch etwas oben drauflegen", sagte auch CDU-Wohnungsbauexperte Heiko Kasseckert dazu, dass Mitarbeiterwohnungen schon längst gefördert werden könnten. "Wohnungsbau ist die einzige Lösung des Problems" befand er. Verglichen mit dem Bund habe das Land zudem sehr viel in den sozialen Wohnungsbau investiert.

AfD nennt Migrationspolitik als "Hauptursache"

Zu Wahrheit gehört laut Kasseckert auch, dass der Wohnungsmarkt auch durch die Aufnahme von Geflüchteten zusätzlich unter Druck geraten sei. Inzwischen dürften statt 400.000 neue Wohnungen bis zu 600.000 gebraucht werden.

Von der Darstellung der AfD distanzierte sich der CDU-Abgeordnete in diesem Punkt ausdrücklich. Deren wohnungsbaupolitischer Sprecher Dimitri Schulz hatte zunächst zu viele Auflagen und Bürokratie für Bauherren und Vermieter beklagt.

"Deshalb bleibt die Bautätigkeit weit unter dem Niveau, das wir brauchen." Als "Hauptgrund der Misere" auf dem Wohnungsmarkt bezeichnete Schulz "offene Grenzen und Massenimmigration". Das sei nur zu ändern mit einer "an unseren Möglichkeiten orientierte Migrationspolitik".

FDP: "Grüne stehen auf der Bremse"

Zuspruch beim Befund, aber nicht für ihren Antrag erhielt die SPD von der ebenfalls oppositionellen FDP.  "Schwarz-Grün ist wohnungspolitisch sanft entschlummert", sagte ihr Abgeordneter Oliver Stirböck. Er konstatierte zwar, der Bau von Werkswohnungen und der Kauf von Belegungsrechten erlebten eine Renaissance. Entscheidende Impulse seien aber nur vom privaten Wohnungsbau zu erwarten.

Hier treibe die Landesregierung die Kosten, "und die Grünen stehen auf der Bremse". Das Land müsse unter anderem mehr für schnelle Baulandausweisung tun, Sand- und Kiesgewinnung auch im Bannwald erlauben oder Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer einräumen.

Linke fordert Sofortprogramm

Volle Unterstützung leistete der SPD einzig die Linkspartei. Deren Fraktionschef Jan Schalauske machte das tiefere Problem darin aus, dass entgegen der "Wahlkampfshow" von Minister Al-Wazir die Zahl der Sozialwohnungen in Hessen in neun Jahren schwarz-grüner Regierung um ein Viertel gesunken sei.

Um eine echte Erfolgsgeschichte für Mieterinnen und Mieter zu schreiben, sei ein Sofortprogramm für den Bau von 10.000 neuen Sozialwohnungen pro Jahr nötig, sowie "ein konsequentes Vorgehen gegen Mietenwahnsinn, Verdrängung und spekulativen Leerstand".

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Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 15.02.2023, 19.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de/Jan-Peter-Bartels, Wolfgang Türk