Reformpläne der Bundesregierung Landtag streitet über Einbürgerungsrecht - aber moderater als einst
Mit einer umstrittenen Aktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft kam die CDU vor gut zwei Jahrzehnten an die Macht. Wegen Reformplänen in Berlin gab es nun im Landtag wieder Streit. Mit den Bündnissen hat sich aber auch der Ton geändert.
Nach dem Willen der Bundesregierung in Berlin sollen Einbürgerungen demnächst leichter sein: Schon nach fünf statt nach acht Jahren soll es laut Ampel-Koalition gehen, bei besonders guter Integration sogar nach drei Jahren. Und das vor allem, ohne die bisherige Staatsbürgerschaft aufgeben zu müssen. Das Vorhaben hat gerade zu Streit in der Bundespolitik geführt und am Donnerstag auch im Landtag in Wiesbaden.
Der geplante schnellere Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft sei längst überfällig, wirtschaftlich nötig und mache auch Hessen für ausländische Fachkräfte attraktiver – so argumentierte die SPD. "Deutschland ist ein Zuwanderungsland, auch wenn das nicht ins Weltbild der Konservativen und der Rechtspopulisten passt", sagte ihr Fraktionsvorsitzender Günter Rudolph.
Er löste damit eine Debatte aus, die kontrovers verlief – und die dem FDP-Abgeordneten Stefan Müller im historischen Vergleich trotzdem wohltuend moderat vorkam. Denn vor 15 bis 20 Jahren wäre die Debatte laut dem Liberalen "noch deutlich emotionaler geworden". Das Thema hat in Hessen eine besondere Vorgeschichte.
Erfolgreiches Wahlkampf-Thema von einst
1999 hatte die hessische CDU unter Roland Koch mit einer umstrittenen Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft im Landtagswahlkampf polarisiert und bundesweit Schlagzeilen gemacht, um am Ende gegen Rot-Grün zu gewinnen. Koch wurde Regierungschef. Den Posten hat die CDU seit damals behalten. Nur dass sie nun mit den Grünen regiert.
Die harten Töne von einst schlug die hessische CDU nun nicht mehr an. Auch den von der Bundespartei jüngst gebrauchten Begriff, hier solle die Staatsbürgerschaft "verramscht" werden, versah ihr Landtagsabgeordneter Thomas Hering mit einem Fragezeichen. Die Parteilinie verließ er aber nicht: Die jetzige Regelung reiche aus. Wer Deutscher werden wolle, solle dies mit Identifikation und Integration rechtfertigen. Hering sprach von einer erforderlichen "Liebe zu Deutschland".
Minister: falscher Ort, falsche Zeit
Dass doppelte Staatsbürgerschaften wie bisher nur in Ausnahmen möglich sind, befürwortet auch Innenminister Peter Beuth (CDU). Wer das wie die SPD ändern wolle, müsse im weiteren Prozess einen guten Grund nennen, "dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten einer generellen doppelten Staatsbürgerschaft umzukehren".
Da das Land nicht zuständig sei und die Ampel-Koalition in Berlin auch noch gar keinen Gesetzentwurf vorgelegt habe, folgerte der Minister: falscher Ort und falsche Zeit für das Thema. Der AfD-Abgeordnete Dirk Gaw warf der SPD als Motiv für die Initiative im Landtag vor, mit "Faeser-Festspielen" den Wahlkampf eröffnen zu wollen.
In Berlin bremst die FDP
Hintergrund: Bundesinnenministerin Faeser ist Landesvorsitzende der SPD und wird als deren Spitzenkandidatin bei der Hessen-Wahl 2023 gehandelt. Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hat im Koalitionsvertreag vereinbart, dass Ausländer leichter die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen können. Faeser hat Pläne dazu vorgelegt, das Kabinett beschloss inzwischen Eckpunkte.
Anders als die Koalitionspartner in der Ampel sieht ein großer Teil der in Berlin mitregierenden Liberalen das Vorhaben allerdings kritisch. Sie knüpfen es an die Forderung, dass es zunächst ein Einwanderungsgesetz sowie Fortschritte bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber und der Bekämpfung illegaler Migration geben müsse.
Ein Jahr für die Bearbeitung von Anträgen
Die SPD übte im Landtag aber auch konkrete Kritik an der Landesregierung. Der Vorwurf: Das Regierungspräsidium Darmstadt, das in Hessen über Anträge auf die deutsche Staatsbürgerschaft entscheidet, brauche viel zu lange. Wer Deutscher werden will, muss sich auf eine Bearbeitungszeit von zwölf Monaten gefasst machen.
Beuth als verantwortlicher Minister bedauerte das, wies zur Begründung auf Überlastung der Behörde infolge immenser zusätzlicher Arbeit infolge der Corona-Pandemie hin. Für die Grünen als Koalitionspartner der CDU hatte zuvor schon Fraktionschef Mathias Wagner angekündigt, dass sich etwas tun soll. Die schwarz-grüne Koalition will demnach zehn zusätzliche Stellen für die Bearbeitung von Anträgen zur Staatsbürgerschaft in Darmstadt schaffen.
Koalitions-Differenzen auch in Wiesbaden
In der Grundsatzfrage einer Reform gibt es aber nicht nur Differenzen in der Ampel-Koalition in Berlin. In Wiesbaden vertreten die Grünen eine ganz andere Position als ihr Regierungspartner CDU. Fraktionschef Wagner sprach von einer notwendigen Anpassung an die Lebenswirklichkeit. Das Motto des früheren SPD-Ministerpräsidenten August Zinn ("Hesse ist, wer Hesse sein will") müsse heute lauten: "Deutsche oder Deutscher ist, wer Deutsche oder Deutscher sein will."
Nach Meinung der Linken gehen die Pläne der Bundesregierung nicht weit genug. Saadet Sönmez, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion, beklagte: Vielen Menschen werde der Weg zum deutschen Pass weiterhin verwehrt bleiben, weil sie trotz Arbeit ihren Lebensunterhalt nicht decken könnten. "Das ist aber nicht das Versäumnis dieser Menschen oder gar deren Faulheit, sondern liegt an der unangemessenen Entlohnung ihrer Arbeit", sagte sie.
Strikt gegen eine Reform ist die AfD. Ihr Innenexperte Gaw sagte, das größte Integrationshemmnis sei nicht eine fehlende Staatsbürgerschaft, sondern mangelnde Deutschkenntnisse vieler Migranten. Sie seien häufig auch nicht ausreichend integriert. Die Staatsbürgerschaft müsse am Ende einer gelungenen Integration stehen.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 8.12.2022, 19.30 Uhr
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