Finanzminister warnt vor "dunkleren Wolken" Landtag streitet über ersten Haushalt der schwarz-roten Koalition
Strecken, sparen, Schulden machen - und investieren: Der Landtag streitet darüber, wie die schwarz-rote Regierung mit ihrem ersten Jahresetat in schwerer Zeit über die Runden kommen will. Und darüber, ob es ein "Hessengold" oder ein "Hessentrinkgeld" gibt.
Es war eine Premiere für Finanzminister Alexander Lorz (CDU). Und es war eine für die schwarz-rote Koalition, die seit Mitte Januar in Hessen regiert. Zum ersten Mal haben CDU und SPD einen eigenen Jahresetat im Landtag vorgelegt und gegen die heftige Kritik der Opposition verteidigen müssen.
Angesichts der Wirtschaftskrise und erwarteter Steuerausfälle kam es am Dienstag in Wiesbaden im Regierungslager zur Arbeitsteilung zwischen Hoffen und Bangen.
"Wir sind die Koalition des Optimismus und der Zuversicht", sagte der SPD-Haushaltsexperte Marius Weiß zu den Plänen für das Jahr 2025. Lorz gestand einen neidischen Rückblick auf seine Amtsvorgänger in besseren Zeiten ein: "Aber es war ja klar, dass das nicht ewig so weitergeht."
Minister: "Konsolidieren mit Augenmaß"
"Gürtel enger schnallen" - so lautete die Parole des Ministers. Entgegen früherer Schätzungen fehlen im kommenden Jahr nach seiner Rechnung rund zwei Milliarden Euro. Und so trug er vor, was Polizisten, Lehrer und andere Beamte vor dem Landtag zu einer Demo motiviert hatte: "Konsolidieren mit Augenmaß und gezielte Schwerpunktsetzung bei Einhaltung der Schuldenbremse sind das Gebot der Stunde."
Für die Beamten heißt das: Das Tempo der versprochenen Erhöhung der Besoldung um insgesamt rund zehn Prozent wird gedrosselt. Die zweite Stufe der Erhöhung kommt vier Monate später. 180 Millionen Euro bringt das.
Notreserve geleert
"Wir können uns nicht mehr alles leisten, sondern wir müssen gezielt investieren." Diese Botschaft verband der Finanzminister mit der schon zuvor geäußerten Beteuerung: Ein Kahlschlag seien die vorgesehenen Einsparungen nicht. 38 Milliarden Euro werden für das kommende Jahr an Ausgaben veranschlagt, 36,8 Milliarden Euro an Einnahmen.
Jede dritte freiwerdende Stelle in der Landesverwaltung soll nicht wiederbesetzt werden - ausgenommen werden Bildung, Innere Sicherheit und Justiz. Eine halbe Milliarde Euro wird aus der dann fast vollständig gelüfteten allgemeinen Notreserve des Landes genommen, fast genauso viel aus dem Polster der Hochschulen für Baumaßnahmen.
Weil das nicht reicht, nimmt das Land dem Etatentwurf zufolge 670 Millionen Euro an Krediten auf. Diese Schulden lässt die Schuldenbremse ausnahmsweise zu, weil die Konjunktur so schwächelt. "Die Zeiten bleiben nicht nur stürmisch, vielmehr können die Wolken durchaus noch dunkler werden", warnte Lorz.
Rückendeckung von der SPD
Ganz schwarz malen wollte der Finanzminister dennoch nicht, weil immerhin 3,3 Milliarden Euro investiert würden: in 1.800 neue Stellen an Schulen und 100 neue Jobs in den Staatsanwaltschaften, in ein wachsendes Hochschulbudget und in mehr Geld für die Polizei.
Dass noch gestaltet werde, betonten auch andere Redner der Koalition. Nach Ansicht des SPD-Politikers Weiß übernimmt das Bündnis mit dem Etatentwurf in schwieriger Zeit Verantwortung, um Zukunftsinvestitionen und Konsolidierung zu vereinen.
Ein Hessenfonds soll in den kommenden Jahren rund eine Milliarde Euro an Investitionen in der Wirtschaft anstoßen. Hinzu kommen das Hessengeld, das Bürger beim Kauf der ersten eigenen Immobilie unterstützen soll.
"Hessengold" oder "Hessentrinkgeld"?
Gerade vom Hessengeld schwärmte Lorz, nannte es "Hessengold". Die Opposition aber machte bei allen Unterschieden parteiübergreifend nicht zuletzt an dieser Förderung das von ihr konstatierte Elend der Etatplanung fest. "Hessentrinkgeld" ätzte der AfD-Abgeordnete Roman Bausch, weil für die einzelnen Bauherren nicht so viel herausspringe.
Zwei Milliarden Euro werde das "sinnloseste, wirkungsloseste Wahlgeschenk" am Ende kosten, rechnete Grünen-Politikerin Miriam Dahlke vor. Sie forderte von CDU und SPD: "Stoppen Sie den Wahnsinn."
Die Regierung sei mit zwei zusätzlichen Ministerien, vier weiteren Staatssekretärsposten und anderen neuen Stellen aufgebläht, führte Dahlke weiter aus. Beim Klimaschutz dagegen kürze Schwarz-Rot 127 Millionen Euro im Vergleich zum letzten schwarz-grünen Finanzplan in Hessen.
FDP: Spare in der Zeit ...
Warum spare die heutige Regierung nicht an sich selbst, fragte die FDP-Abgeordnete Marion Schardt-Sauer wegen der verzögerten Erhöhung der Beamtenbesoldung. "Wortbruch ist noch eine höfliche Formulierung", lautete ihr Urteil darüber. In der Krise räche sich, dass die CDU-geführte Landesregierung in guten Zeiten nicht mehr Geld auf die Seite gelegt habe.
Von "Konkursverwaltung" sprach der AfD-Politiker Bausch. Dabei sei ein Aufbruch nötig. Bausch hält eine Überprüfung "der zahlreichen Förderprogramme" für geboten. Auch an die Ausgaben für Migration, die sich auf 1,15 Milliarden Euro beliefen, wage sich die Landesregierung nicht heran.
Generalabrechnung folgt
Die Debatte am Dienstag war nur der erste Akt im Streit um den Etat. Höhepunkt ist traditionsgemäß der nächste, zweite Durchgang. Dann steigen nach den finanzpolitischen Sprechern der Parteien die Fraktionsvorsitzenden in den Ring.
Bei dieser sogenannten Generaldebatte geht es neben den Finanzen auch um die anderen großen Linien der Landespolitik - und das kurz vor der Bundestagswahl Ende Februar. Die dritte, abschließende Lesung ist für März geplant. Dann soll der Haushalt auch verabschiedet werden.