Nach Bundestagswahl Landtag streitet über Etat und Rheins "Blaupause für Berlin"
Kurz nach der Bundestagswahl hat der hessische Landtag Arbeit und Pläne der Landesregierung bilanziert. CDU-Ministerpräsident Boris Rhein pries in der Generaldebatte über den Haushalt seine schwarz-rote Koalition als Modell für Deutschland. Die Opposition hielt ihm vor, ihm sei nun eine häufig genutzte Ausrede ausgegangen.
Zwei Tage nach der Bundestagswahl haben sich die Parteien im Landtag in Wiesbaden eine grundsätzliche Auseinandersetzung samt Nachwahl-Betrachtung geliefert. Anlass war der zweite von insgesamt drei Durchgängen, in denen die Abgeordneten über den hessischen Landeshaushalt für das laufende Jahr diskutieren.
"Ampel-Bashing ist jetzt mal over"
Die Generaldebatte, zu der es deshalb am Dienstag kam, ist eine alte Tradition. Eine jüngere Tradition dagegen wird Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) nach Meinung der Opposition in künftigen Debatten nicht fortsetzen können.
"Das Ampel-Bashing ist jetzt mal over", sagte Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner. Rhein könne nun nicht länger anderen die Schuld geben und müsse selbst endlich liefern. "Heute ist der Tag, ab dem die Ausrede, die Bundesregierung ist schuld, nicht mehr zählt", befand auch FDP-Co-Fraktionschefin Wiebke Knell.
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Blaupause für Berlin?
Der Regierungschef hatte zuvor in seiner Rede begrüßt, dass nun auch in Berlin eine schwarz-rote Koalition den von den Wählern gewünschten Politikwechsel angehen könne. Die CDU/SPD-Koalition in Wiesbaden zeige seit einem Jahr "sehr erfolgreich", dass die Demokratie funktioniere.
"Das macht Hessen zur Blaupause für Berlin", sagte Rhein. Allerdings seien die Herausforderungen vor allem deshalb so groß, weil Fehler der bisherigen Bundesregierung eine "veritable Wirtschaftskrise" verursacht hätten.
Seitdem im Bund die Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP im November zerbrochen ist, regieren SPD und Grüne noch bis zur Konstituierung des neu gewählten Bundestags ohne eigene Mehrheit.
Rhein: Koalition vor größter Kraftanstrengung
"Das stellt die christliche-soziale Koalition vor die größte Kraftanstrengung der letzten 20 Jahre", sagte Rhein zur wirtschaftlichen Lage. Trotzdem würden Kredite nur im Rahmen der Schuldenbremse aufgenommen und Schwerpunkte gesetzt, die Wirtschaftswachstum förderten und 2025 zum Modernisierungsjahr machten.
Der Ministerpräsident erwähnte unter anderem 1.800 neue Stellen an den Schulen, 2,3 Milliarden Euro für die Polizei sowie eine Summe für den kommunalen Finanzausgleich, die erstmals sieben Milliarden Euro überschreite.
Gewerkschaften überreichen 13.450 Unterschriften
Rhein verteidigte zudem als unvermeidlich und verantwortbar, dass die Beamtenbesoldung um insgesamt zehn Prozent in zwei Schritten bis Ende des Jahres kommt - und damit später als geplant. "Ich bedaure es außerordentlich", sagte er. Er stellte aber auch die rhetorische Frage, wo es eine solche Gehaltserhöhung noch gebe.
Die Verschiebung kritisierten Vertreter von Gewerkschaften auch am Rande der Plenarsitzung: Sie überreichten nach eigenen Angaben rund 13.450 digitale Protestunterschriften in symbolischer Kurzform an Abgeordnete mehrerer Fraktionen.
AfD: "Mit neuem Beifahrer in Richtung Abgrund"
Den Schlagabtausch im Plenarsaal hatte AfD-Fraktionschef Robert Lambrou eröffnet. Das ist das Vorrecht der jeweils größten Oppositionsfraktion. Lambrou beklagte, es sei nach einem Jahr in wesentlichen Fragen nicht zu erkennen, worin sich die schwarz-rote von der vorherigen schwarz-grünen Koalition unterscheide.
"Der Beifahrer wurde ausgetauscht, aber die Fahrt geht weiter in Richtung Abgrund“, sagte der AfD-Politiker. Hessen rutsche "immer schneller immer tiefer" in die roten Zahlen. Weichenstellungen blieben auch auf Feldern wie Migration, Energie und Bürokratieabbau aus. “Wenn der Bund sich Hessen als Vorbild nimmt, dann gute Nacht“, folgerte er.
Grüne: "Resignation vor der Realität"
Grünen-Fraktionschef Wagner warf dem CDU-Ministerpräsidenten vor, zu reden, als regiere er gar nicht. Statt die eigentlichen Probleme anzugehen, herrsche Stillstand. Allenfalls habe die Koalition "kleine Politikhäppchen" geliefert.
Rhein habe eine "Renaissance der Realpolitik“ angekündigt. Eingetreten sei bei ihm aber offenbar eine "Resignation vor der Realität".
Versagt hat die Regierung laut dem Grünen-Politiker unter andere bei der Schaffung dringend benötigter Kita-Plätz und dadurch, dass sie Klimaschutzmaßnahmen strich. Weil SPD-Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori nicht nachgesteuert habe, könnten 1.600 zusätzliche Sozialwohnungen nicht gefördert werden.
Er schlug der Regierung vor, sich noch auf ein zusätzliches Investitionsprogramm für Kommunen zu verständigen.
FDP: "Große Überschriften, kleine Ausbeute"
Die Bundestagswahl beschäftigte auch FDP-Fraktionsvorsitzende Knell. Zum Ausscheiden ihrer Partei aus dem Bundestag sagte sie: "Wir brauchen weder Mitleid noch Häme, denn die Idee des Liberalismus in diesem Land verschwindet nicht durch ein Wahlergebnis."
Auch sie sieht in der CDU/SPD-Koalition in Wiesbaden kein Vorbild für Berlin. Viel zu oft liefere Schwarz-Rot in Hessen "große Überschriften und kleine Ausbeute".
Die Koalition habe bereits dreimal ihr Wort gebrochen: Das Hessengeld für Hauskäufer werde nicht in einer Summe gezahlt, die Erhöhung der Beamtenbesoldung verschoben, und im sozialen Wohnungsbau fehle es an Fördergeldern. Es mangele auch an Impulsen für die Wirtschaft. Gleichzeitig würden seit Jahren massiv zusätzliche Stellen in der Landesverwaltung geschaffen.
SPD: "Kluge Konsolidierung statt Kahlschlag"
Eine Rückkehr der Parteien zu Maß und Mitte forderte SPD-Fraktionschef Tobias Eckert nach den Auseinandersetzungen im Wahlkampf. Die CDU/SPD-Koalition habe das bisher auch geleitet im Umgang miteinander, den Arbeitsresultaten und auch im Etatentwurf.
Dieser stehe für "kluge Konsolidierung statt Kahlschlag". Trotz Einschnitten gebe es zum Beispiel für Fachkräftesicherung, den Spracherwerb und die Armutsbekämpung mehr Geld.
Den SPD-Minister Mansoori lobte Eckert für eine aktive Wirtschafts- und Industriepolitik, die "sein grüner Vorgänger immer für überflüssig gehalten hat". Kritik an Versäumnissen im sozialen Wohnungsbau wies er zurück.
Die Fördersumme sei höher als je zuvor. Was die abgelehnten Förderanträge betrifft, versprach er: "Wir werden gemeinsam einen Weg finden, dieses Interesse am Ende auch zu befriedigen."