Sicherheitsdebatte im Landtag Messer-Attentat, Sturmgewehr-Auftritt und Stoppschilder an den Grenzen
Die Morde von Solingen, ein bewaffneter Abgeordneter und abgebrochene Berliner Gespräche waren Themen einer Landtagsdebatte über Sicherheit und Migration. Dabei legte Innenminister Poseck Wert auf einen "großen Unterschied" zur AfD.
Ursprünglich war das mutmaßlich islamistisch motivierte Messerattentat von Solingen mit drei Toten der Anlass zu einer Landtagsdebatte über die innere Sicherheit in Hessen gewesen. Doch zwei aktuelle Entwicklungen führten dazu, dass sich die Diskussion am Mittwoch in Wiesbaden weitete.
Am Vortag waren in Berlin die Gespräche über Verschärfungen in der Migrationspolitik zwischen der Ampel-Bundesregierung und der Union endgültig geplatzt. Und kurz zuvor hatte ein Landtagsabgeordneter der AfD der Migration mit dem Sturmgewehr in der Hand den Kampf angesagt. Daraufhin hatte ihn die AfD zum Austritt gedrängt.
Poseck auf Abstand zur AfD
In dieser Lage bekräftigte Innenminister Roman Poseck (CDU) zwar die Kritik der Union an dem ihrer Meinung nach unzureichenden neuen Modell der Bundesregierung. Allerdings ging er gleichzeitig auf Abstand zur AfD.
"Ich erkenne ausdrücklich an, dass sich die meisten Menschen, die zu uns gekommen sind, rechtschaffen verhalten", sagte Poseck. Das sei der "große Unterschied" angesichts "verwerflicher Remigrationsfantasien" der AfD. Viele Migranten leisteten einen "wertvollen Beitrag für unser Land".
Dennoch hält Poseck es für geboten, die Themen innere Sicherheit und Einwanderung zu verknüpfen. "Ungezügelte Migration ist ein Sicherheitsrisiko", sagte der CDU-Politiker.
Forderung nach "Stoppschild an der Grenze"
Die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angeordneten Grenzkontrollen bewertete Poseck zwar als "wichtigen Schritt". Die gleichzeitig ins Gespräch gebrachten "Auffanglager an Grenzen" sehe er jedoch kritisch. Bei hohem Aufwand brächten sie nicht die erforderliche Entlastung. Zudem sei es praktisch und rechtlich nicht leicht, Menschen so festzuhalten.
Stattdessen warb der hessische Innenminister dafür, Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten schon an der Grenze abzuweisen. "Wir müssen das Stoppschild an die Grenze und nicht dahinter stellen", rief Poseck.
Solche Zurückweisungen hält Poseck für rechtlich zulässig, da das sogenannte Dublin-Verfahren innerhalb der EU nicht funktioniere. Mit dem Dublin-Verfahren wird festgestellt, welches europäische Land für ein Asylverfahren zuständig ist. Oft ist das jener Staat, auf dessen Gebiet Schutzsuchende zuerst Europa betreten haben.
Bundesinnenministerin Faeser hatte angeordnet, dass es ab Montag an allen Landgrenzen stationäre Kontrollen geben soll. Das betrifft Frankreich, Dänemark, Belgien, die Niederlande und Luxemburg. An den Grenzen zu Österreich, Polen, Tschechien und der Schweiz gibt es solche Kontrollen bereits. Sie sind im Schengen-Raum eigentlich nicht vorgesehen.
AfD fühlt sich bestätigt
Mit Blick auf das Attentat von Solingen betonte Poseck, Hessen sei bereits eines der sichersten Bundesländer und durch mehr Polizeipräsenz noch sicherer geworden.
Das zog die AfD-Abgeordnete Sandra Weegels in Zweifel. "Unsere Polizei geht auf dem Zahnfleisch", sagte die frühere Polizeibeamtin.
Auch die seit 25 Jahren für die Sicherheitspolitik in Hessen verantwortliche CDU habe die Augen vor den Problemen der Zuwanderung verschlossen, kritisierte Weegels weiter. Wenn die CDU nun Grenzkontrollen befürworte, müsse sie damit eingestehen, "dass die Forderungen der AfD richtig waren, für die man uns jahrelang beschimpft und diffamiert hat", so Weegels.
Grüne wünschen Debatte ohne Populismus
Eine differenzierte Debatte, ohne "in Populismus oder gar Rassismus zu verfallen", wünschte Grünen-Abgeordnete Lara Klaes. Dass es kein Asyl für islamistische Gefährder geben dürfe, sei klar – "und das ist auch keine neue Forderung von uns".
Die große Mehrheit der Einwanderer stehe auf dem Boden des Grundgesetzes. Außerdem seien viele Asylbewerber gerade vor Islamisten geflohen, betonte Klaes.
Ihr Fraktionschef Mathias Wagner hielt Poseck entgegen: In 16 Jahren an der Bundesregierung habe die CDU Abschiebungen direkt an der Grenze nicht umgesetzt. So leicht sei das offenkundig also nicht.
FDP gibt Landesregierung ein "Mangelhaft"
Moritz Promny (FDP) betonte, das Sicherheitspaket der Ampel-Bundesregierung müsse es in den Bundesländern auch konsequent durchgesetzt werden. Denn in Solingen habe der Rechtsstaat versagt.
Dass der mutmaßlich islamistische Täter, der als syrischer Flüchtling über Bulgarien hierhergekommen war, schon 2023 in dieses EU-Land abgeschoben werden sollte, was aber scheiterte, nannte Promny unerträglich.
Hessens bisherige Bilanz bei Abschiebungen sei "mangelhaft". Von 80 Abschiebehaft-Plätzen seien hierzulande nur 37 belegt. Auch bei der Schaffung von Rückführungseinrichtungen für Ausreisepflichtige komme Hessen nicht voran, obwohl CDU und SPD sie laut Koalitionsvertrag vorgesehen hätten.
Innenminister Poseck konterte: "Ich würde gerne mehr abschieben." Dafür müsse die Bundesregierung aber die Regeln ändern. Die meisten ausreisepflichtigen Menschen stammten aus Afghanistan, Syrien, Türkei, Irak und Iran. In diese Länder dürfe nicht oder nur sehr eingeschränkt abgeschoben werden.
FDP-Fraktionschef Stefan Naas hakte nach: Damit habe der Minister noch immer nicht gesagt, warum das Land nicht mehr tue, damit abgelehnte Asylbewerber nicht untertauchen könnten.
Auseinandersetzung über "Fall Müger"
Lisa Gnadl vom CDU-Koalitionspartner SPD nahm sich die AfD vor, deren früherer Abgeordneter Maximilian Müger auf einem TikTok-Video mit einem Sturmgewehr in der Hand einen Kampf gegen die Migration gefordert hatte.
Gnadl warf AfD-Fraktionschef Robert Lambrou eine "verräterische spontane Reaktion" auf eine "bizarre Gewaltverherrlichung" vor. Denn er habe inhaltlich Mügers Botschaft verteidigt.
Lambrou hatte in einer ersten Stellungnahme gegenüber dem hr gesagt, das Video sei eine "Grenzüberschreitung" und Konsequenzen angekündigt. Allerdings hatte er auch gesagt, was er später nicht mehr wiederholte: Inhaltlich bringe Müger "viel auf den Punkt“.
Lambrou warf der SPD-Politikerin vor, "bösartig" sein Statement auf einen einzigen Satz verkürzt zu haben. Die AfD habe "konsequent und vorbildlich" gehandelt. Müger war auf Druck der AfD eine Woche nach dem hr-Bericht über sein Video aus Fraktion und Partei ausgetreten.
Sein Landtagsmandat hat der Ex-AfD-Mann aber behalten. Poseck hielt dem AfD-Fraktionschef vor, dass jemand wie Müger überhaupt im Landtag sei. "Das ist ihre persönliche Verantwortung, Herr Lambrou", sagte der Innenminister.