Nach eigener Parkplaketten-Affäre SPD-Politiker Weiß soll U-Ausschuss zur Entlassungsaffäre leiten
Ein Untersuchungsausschuss beleuchtet den Rauswurf von Staatssekretärin Messari-Becker durch Wirtschaftsminister Mansoori. Für den Vorsitz hat sich die SPD Marius Weiß ausgesucht. Er leitete schon den Ausschuss zum Hanau-Attentat - bis er wegen Urkundenfälschung bestraft wurde.
Kommende Woche soll ein neuer Untersuchungsausschuss des Landtags an den Start gehen. Er wird die Umstände unter die Lupe nehmen, unter denen SPD-Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) seine parteilose Staatssekretärin Lamia Messari-Becker wegen eines angeblich "nicht hinnehmbaren Fehlverhaltens" entließ.
Den Vorsitzenden des Ausschusses darf die SPD stellen. Die Fraktion traf dabei eine bemerkenswerte Entscheidung, wie der hr zunächst aus Parteikreisen erfuhr und es die SPD später per Pressemitteilung bestätigte: Sie hat sich für den Posten ihren Abgeordneten Marius Weiß ausgesucht.
Der 49 Jahre alte Jurist aus Idstein (Rheingau-Taunus) stand selbst vor kurzem im Mittelpunkt einer Affäre und musste deshalb im vergangenen Jahr den Vorsitz im Untersuchungsausschuss zum Hanau-Attentat niederlegen. Weiß ist einer von vier Vizevorsitzenden der aktuellen SPD-Landtagsfraktion.
Der Politiker hatte für seine ebenfalls im Parlament beschäftigte Ehefrau sein Premium-Parkticket für das Landtagsgelände kopiert. Die Staatsanwaltschaft verhängte gegen den SPD-Mann einen Strafbefehl wegen Urkundenfälschung.
Eine zweite Chance
"Als Mensch habe ich einen Fehler gemacht, den ich zutiefst bereue", erklärte Weiß damals nach mehr als zweitmonatigem Schweigen zur Affäre. Die Entschuldigung erfolgte, bevor die SPD die Kandidaten für die Landtagswahl im Herbst 2023 festlegte.
Dabei erhielt erhielt der Abgeordnete über den SPD-Bezirk Hessen Süd dann einen sicheren Listenplatz. Vorsitzender des einflussreichen SPD-Bezirks ist Mansoori.
In ihrer Mitteilung vom Donnerstag würdigt die SPD die "vielfältige Untersuchungsausschusserfahrung", die Weiß habe. Sie erinnert daran, dass er vor seiner Funktion als Vorsitzender im Hanau-Ausschuss bereits einmal Vize-Vorsitzender und einmal SPD-Obmann der Fraktion in anderen Untersuchungsausschüssen war.
Im Hanau-Ausschuss habe er sich "für dessen Leitung und seinen Umgang mit den Angehörigen parteiübergreifend große Anerkennung" erworben, schreibt die SPD-Fraktion. Dass Weiß von dem Posten zurücktrat und warum er dies tat, wird nicht erwähnt.
Rufmord-Vorwurf
Den Untersuchungsausschuss haben die Oppositionsfraktionen von Grünen und FDP vergangenen Donnerstag im Landtag per Minderheitenrecht durchgesetzt. Sie üben Kritik an der Art und Weise, wie der Wirtschaftsminister sich von seiner früheren Staatssekretärin nach nur sechs Monate trennte und werfen ihm Rufmord vor.
Eine Erklärung, die der Minister zuvor im Landtag abgegeben hatte, reichte ihnen nicht. Mansoori habe weder Transparenz hergestellt noch die geforderte Entschuldigung geliefert.
Bedauern über den Fortgang
Der Minister räumte im Parlament erstmals ein, dass es an der Spitze des Ministeriums schon vorher Differenzen mit der parteilosen Expertin über die Amtsführung gegeben habe. Anders als von ihm zunächst dargestellt, hatte die Entlassung der 51-Jährigen ihre Ursache demnach nicht in einem "singulären Sachverhalt".
Ursprünglich hatte Mansoori die Versetzung seiner Spitzenbeamtin in den einstweiligen Ruhestand öffentlich mit einem einzigen Fehlverhalten begründet, ohne Belege zu nennen. Im hr-Sommerinterview lehnte er anschließend trotz Kritik ab, etwas zurückzunehmen. "Es gibt in meinen Teams immer zweite Chancen, Fehler, die gehen, Fehler, die nicht gehen", sagte er zur Begründung.
Vergangene Woche erfolgte dann im Landtag der Teil-Rückzug, welcher der Opposition nicht reichte: Er hätte die Pressemitteilung, welche die Anschuldigung enthielt, anders formulieren können, sagte der Minister. Wörtlich sprach er von einer "streitbaren Pressemitteilung". Und er sagte: "Wäre es womöglich sogar besser gewesen, sie knapper zu halten? Aus heutiger Sicht ja. Bedauere ich den Fortgang? Ja."
Offene Fragen
Der Ausschuss soll vor allem herausfinden, ob die Entlassung juristisch korrekt lief und ob auf unerlaubte Weise nach belastendem Material gegen Messari-Becker gesucht wurde. Intern soll der Minister der Bau-Professorin vorgeworfen haben, ihren Posten bei einem Elterngespräch an einer Schule als Druckmittel genutzt zu haben.
Einen Bericht eines Schulleiters über das Elterngespräch hatte das Kultusministerium nach eigenen Angaben nicht an Mansooris Ministerium weitergeleitet. Er sei zu den Akten gelegt worden, weil keine Rechtsverstöße festgestellt wurden.
Messari-Becker weist Mansooris Anschuldigung kategorisch zurück. Sie hat gegen ihre Entlassung Widerspruch eingelegt. Den Vorwurf, der Minister habe mit der öffentlichen Beschuldigung seine Fürsorgepflicht verletzt, teilen auch Experten. Der Jura-Professor Thorsten Masuch, Mitverfasser eines Kommentars zum hessischen Beamtenrecht, sagte dem hr: Diese Fürsorgepflicht verbiete es, eine Beamtin so bloßzustellen.
Mit seiner Größe muss der Untersuchungsausschuss die Kräfteverhältnisse im Parlament abbilden. Die SPD erhält drei von 16 Plätzen. Als ihre Obfrau wird ihre Parlamentarische Geschäftsführerin Lisa Gnadl fungieren. Die CDU als stärkste Fraktion stellt sechs Abgeordnete, Obmann der Union wird Holger Bellino. Grüne und AfD entsenden genau wie die SPD jeweils drei Mitglieder und die FDP eines.
Hinweis: In einer ersten Version des Textes war zu lesen, dass der SPD-Abgeordnete Weiß im Zuge der Parkplakettenaffäre auch seinen Posten als einer der Vize-Fraktionschefs verlor. Das stimmt nicht. Weiß hat das Amt bis heute ununterbrochen inne. Wir haben die Stelle korrigiert und bitten um Nachsicht.