Debatte über Nachtragshaushalt Landtag streitet über den Richtungswechsel in Zahlen

Hessen bekommt eine geänderte Finanzplanung für das laufende Jahr. Die schwarz-rote Regierung lobt ihren Nachtragsetat als Beleg für eine neue Realpolitik. Ihre Gegner klagen nicht nur über Schulden und eine vergrößerte Landesregierung.

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Debatte über Haushaltspolitik

Sitzung im landtag
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Neue Krisen, die Folgen neuer Gesetze, mehr oder weniger Steuergeld in der Kasse: In einem Nachtragsetat bringen Regierungen ihre Haushaltspolitik auf den jeweils aktuellen Stand. Im Landtag in Wiesbaden hat das diesmal zu einer besonders grundsätzlichen Auseinandersetzung geführt.

Denn der Nachtragsetat für das Jahr 2024 ist die erste Finanzplanung der CDU/SPD-Koalition, die seit Mitte Januar dieses Jahres das Sagen hat. Und der von dem Bündnis gewünschte "christlich-soziale" Richtungswechsel nach zehn Jahren Schwarz-Grün soll sich in dem Zahlenwerk niederschlagen.

Wie das zu bewerten sei – darüber gingen die Meinungen in der Debatte am Dienstag erwartungsgemäß weit auseinander. Für Finanzminister Alexander Lorz (CDU) zum Beispiel ist der geänderte Etat ein Beleg für die von seinem Regierungs- und Landesparteichef Boris Rhein ausgerufene "Renaissance der Realpolitik". Die Grünen dagegen erkennen darin lediglich "Showeffekte statt Lösungen".

Grüne werden heftig

Der frühere Koalitionspartner der CDU rechnete am heftigsten mit der Regierung ab. Die im Januar von Rhein beendete schwarz-grüne Koalition hatte einen Doppeletat aufgestellt, der auch für 2024 gelten sollte. Nun sagte ihr Fraktionschef Mathias Wagner zu den Änderungen, der erste schwarze-rote Etat sei ein Einschnitt: "Erstmals seit vielen Jahren wird bei Bildung, Sozialem, Umwelt und Klima gekürzt."

Grünen-Politiker Wagner zählte auf: Im Sozialministerium würden 25 Millionen Euro gekürzt und im Umweltministerium 14 Millionen Euro. Im Aufgabenfeld des Kultusministeriums fielen 26 Millionen Euro und rund 200 Lehrerstellen weg, im Etat für die Hochschulen 34 Millionen Euro und die Finanzierung des Tarifabschlusses.

Die Kürzungen seien nicht nötig, sondern politisch gewollt. Stattdessen wird laut dem Grünen-Fraktionschef Geld hinausgeworfen: für eine auf Kosten von 13 Millionen Euro aufgeblähte Landesregierung oder für das "Hessengeld" für Hauskäufer, das keinerlei Wirkung auf den Wohnungsbau habe. Es war Wagner, der sagte: Showeffekte seien der Regierung wichtiger als Lösungen. Dabei gelte: "Die CDU macht, was sie will. Die SPD macht alles mit."

Liberale vermissen Investitionen

Auch FDP-Fraktionschefin Wiebke Knell befand: "Den Einfluss der SPD muss man mit der Lupe suchen." Der Nachtrag zeige, dass die CDU-Dominanz dem Land nicht guttue. So spare die Regierung an der Bildung, Kultusminister Armin Schwarz (CDU) sei zum Kulturkampfminister geworden: "Statt Investitionen in die Bildung gibt es vom Minister angezettelte Debatten übers Gendern, die Blockflöte und die Bundesjugendspiele."

Auch an Ausgaben zugunsten der Infrastruktur fehlt es laut Knell. Auch sie kritisierte einen "aufgeblähten Staatsapparat", weil CDU und SPD unter anderem das bisherige Sozialministerium unter sich in zwei Häuser aufgeteilt haben. Der geplante Transformationsfonds für Umstellungen der Wirtschaft auf Klimaschutz und Digitalisierung sei teuer und ideologisch aufgeladen. Das sei weder nachhaltig noch generationengerecht und löse nicht die wirklichen Probleme der Menschen.

Streichliste der AfD

"Horrende Ausgaben" für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge beklagte Roman Bausch, der finanzpolitische Sprecher der AfD. Er zählt auf, was mit seiner Partei  anders würde, wäre sie an der Regierung: Hessen würde demnach unter anderem verlieren, was Bausch "Magnetwirkung bei der Armutsmigration" nannte.

Auch den Einsatz von Landesgeld in Höhe von zwei Milliarden Euro für die Landesbank Helaba kritisierte der AfD-Abgeordnete. Auf seiner Wunschstreichliste standen außerdem: das Weingut des Landes, weil es defizitär sei, sowie "viele redundante oder unnötige Förderprogramme".

Minister sieht noch Spielraum für Gestaltung

Finanzminister Lorz wies diese Kritik als Ideologie ohne Bezug zur Wirklichkeit zurück. Wie in den Wochen zuvor betonte er zwar, dass die Lage schwieriger werde. Bis zum Jahr 2027 müsse Hessen mit Steuerausfällen in Höhe von 2,7 Milliarden Euro rechnen. Dennoch sei es der neuen Regierung gelungen, mit mehr als 200 Millionen Euro für ihr Sofortprogramm neue Schwerpunkte zu setzen.

Dazu zählten die Sicherheit auf Straßen und Plätzen, die Bildung von Kindern, die Familien, Geld für die Kommunen sowie die heimische Wirtschaft. "Wir zeigen damit, dass diese Landesregierung eine Regierung ist, die die Interessen der gesamten Bevölkerung in den Blick nimmt", sagte der Minister. Gleichzeitig wiederholte er ein Bekenntnis zur Schuldenbremse. Dabei gehe es ihm nicht um ein Dogma, sondern um finanzielle Spielräume auch für künftige Generationen.

SPD wirft Grünen Populismus vor

Für die SPD konterte ihr haushaltpolitischer Sprecher Marius Weiß die Oppositionskritik und nahm sich dabei vor allem die Grünen vor. Ihre Rechnung der angeblichen Kürzungen stimme nicht. Nach nicht einmal einem halben Jahr könnten sie sich zudem offenbar nicht mehr daran erinnern, dass sie zehn Jahre lang mitregiert hätten. Vielmehr schürten sie populistisch für "kleinen politischen Landgewinn" Sorgen und Unsicherheit.

Außerdem hätten die Grünen keine einzige Änderung vorgeschlagen. "Wie faul kann man sein als Opposition?", fragte Weiß rhetorisch.

Abstimmung am Donnerstag

Es war der zweite Durchgang der finanzpolitischen Debatte nach einem ersten Schlagabtausch vor einem Monat. Am Donnerstag steht noch eine letzte, kürzere Runde an. Dann dürfte die Mehrheit aus CDU und SPD den Nachtragsetat beschließen.

Der Etat sieht dann Ausgaben in Höhe von 39 Milliarden Euro vor. Neben dem Sofortprogramm der Landesregierung wirken sich Steuerausfälle in einer geschätzten Höhe von rund 631 Millionen Euro aus. Grund ist die schwache wirtschaftliche Entwicklung. Mit Abstand der größte neue Posten sind allerdings Schulden.

2,8 Milliarden Euro an Krediten werden aufgenommen. Mit zwei Milliarden Euro steckt das Land den größten Teil davon in die Landesbank Helaba. Damit erfüllt Hessen Auflagen, um das Eigenkapital der Bank für den Fall einer Krise zu stärken.

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Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 09.07.2024, 19.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de