Verfassungswidrige Vorgaben für Hochschule Staatsgerichtshof bremst Einfluss des Innenministers auf Polizeiausbildung

Die Hochschule für Landesbedienstete in Polizei und Verwaltung verstößt in ihrer derzeitigen Form gegen die Verfassung. Das hat der Staatsgerichtshof entschieden. Es ist nicht die erste juristische Niederlage für die noch amtierende hessische Regierung.

Die HöMS in Wiesbaden
Die HöMS in Wiesbaden Bild © HöMS
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Klatsche für die Landesregierung bei Hochschule für Landesbedienstete

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Der Einfluss des Landes zu hoch, die Eingriffe in Wissenschaftsfreiheit und Selbstverwaltung zu groß: Aus diesem Grund hat der Hessische Staatsgerichtshof in Wiesbaden das Gesetz zur Gründung der Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMS) aus dem Jahr 2021 gekippt.

Die im aktuellen Landtag oppositionellen SPD und FDP hatten die Verfassungsklage gegen die noch bis Mitte Januar amtierende schwarz-grüne Landesregierung erhoben. In der am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung schlossen sich die Richter der Kritik nicht in allen, aber in zwei zentralen Punkten an.

An der umstrittenen Vereinigung von Polizeibehörde und Hochschule haben die Hüter der Verfassung grundsätzlich nichts auszusetzen. Sie sehen aber die Rolle der Professoren zu sehr geschwächt. Außerdem monieren sie, dass der Innenminister bei der Ernennung des Hochschulpräsidenten das letzte Wort hat und ihn auch absetzen kann. Bis Ende 2024 muss das Land diese Regelungen ändern.

Vier Niederlagen

Es ist das vierte Mal in der auslaufenden Legislaturperiode, dass Gesetze der Landesregierung von Richtern beanstandet werden. Der Staatsgerichtshof stoppte auch das Schuldenmachen über ein Corona-Sondervermögen. Der Verwaltungsgerichtshof verlangte Änderungen bei der Beamtenbesoldung, das Bundesverfassungsgericht Nachbesserungen beim Einsatz der Polizei-Fahndungssoftware "Hessendata".

Die jetzige Landesregierung kann die Korrekturen an der im September vergangenen Jahres eröffneten Einrichtung nicht mehr vornehmen. Am 18. Januar übernimmt die Nachfolge-Regierung.

SPD hat Erfolg - und schweigt

Pikant: Die neue Regierung wird die CDU mit ziemlicher Gewissheit mit der SPD als neuer Juniorpartnerin an Stelle der Grünen bilden – also mit einer Klägerin gegen das HöMS-Gesetz. Die Bekanntgabe von Koalitionsvertrag und Besetzung der Ministerien wird bis Samstag erwartet. Zu ihrem Erfolg gegen die amtierende schwarze-grüne Regierung wollte sich die SPD-Fraktion am Mittwoch auf Anfrage nicht äußern.

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Dann feiern wir halt allein. Zitat von Jörg-Uwe Hahn, FDP, zum Schweigen der Mitklägerin SPD
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Erfreut reagierte die FDP. Ihr innenpolitischer Sprecher Jörg-Uwe Hahn nannte die Gerichtsentscheidung eine "weitere juristische Schlappe" für Schwarz-Grün. Die Wissenschaftsfreiheit habe über die "Diktatur des Innenministeriums" gesiegt. Die künftige Landesregierung forderte Hahn auf, "es besser zu machen als die amtierende und sich an die Verfassung zu halten". Zum Schweigen der SPD sagte er: "Dann feiern wir den Sieg halt alleine."

Ministerium: Gesetz muss lediglich präzisiert werden

In einer ersten Stellungnahme hob das Innenministerium hervor, das Gesamtkonstrukt der HöMS sei vom Gericht bestätigt worden. Bei den kritisierten Punkten gehe es "in erster Linie um eine Präzisierung im Gesetzestext", sagte ein Sprecher Beuths. Man werde dafür innerhalb der gesetzten Frist "zielführende Lösungen" finden.

Die Hochschule vereint drei bis dahin getrennte Einrichtungen, was von Anfang an auf Kritik stieß. Zum einen die Hessische Hochschule für Polizei und Verwaltung mit rund 3.900 Studierenden, davon 1.100 im Fachbereich Verwaltung und 2.800 im Fachbereich Polizei. Hinzu kommen die Polizeiakademie und das Referat für Zentrale Fortbildung des Innenministeriums.

Spagat ging schief

"Wir wagen da einen Spagat", hatte Innenminister Peter Beuth (CDU) vor dem Landtag seinerzeit eingeräumt. Mit einer einzigen Zentralverwaltung und einem gemeinsamen Lehrkörper werde man aber Synergien und Geld sparen, die Qualität erhöhen und den Transfer zwischen Praxis und Theorie in Ausbildung und Forschung verbessern. Das Land werde als Arbeitgeber attraktiver.

SPD und FDP vermuteten ganz andere Motive. Die Regierung wolle ihre Macht so weit wie möglich ausweiten, um mögliche Kritik in Forschung und Lehre an der Polizei "mundtot" zu machen – so hatte es der Kölner Jura-Professer Markus Ogorek formuliert.

Der Experte für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre hatte für die beiden Oppositionsfraktionen die Normenkontrollklage vor dem Staatsgerichtshof ausgearbeitet. Der zugleich juristische wie politische Vorwurf: Die Landesregierung halte die in der Verfassung durch Artikel 10 und Artikel 60 gebotene Staatsferne nicht ein. Zu der Entscheidung sagte er am Mittwoch, sie sei ein "Glücksfall" für die HöMS. Eine konstruktiv-kritische Ausbildung sei wichtiger denn je.

"Strukturelle Gefahren für Wissenschaftsfreiheit"

Die Staatsgerichtshof-Entscheidung im Einzelnen:

  • Die derzeitige Zusammensetzung des Senates, dem Professoren, Studierende und Mitarbeiter angehören, sei verfassungswidrig. Das Land hatte durchgesetzt, dass dem Senat in der Gruppe der Professoren im Fall der HöMS auch Dozenten angehören. Laut Staatsgerichtshof geht das nicht, weil Professoren besonders qualifiziert seien. Es sei ein gravierender Verstoß, der "Auswirkungen auf sämtliche die Forschung betreffenden Entscheidungen" habe. Viele Dozenten sind Polizeibeamte und damit nach Meinung von SPD und FDP tendenziell abhängiger vom Innenministerium.
  • Auch vom Einfluss, den sich das Ministerium auf den Uni-Präsidenten gesichert hat, gehen laut Gericht "strukturelle Gefahren für die Wissenschaftsfreiheit" aus. Dass der Minister den Präsidenten aus drei Vorschlägen auswählt und ihn auch absetzen darf, ist verfassungswidrig. Die Hochschule darf das bald wieder selbst regeln.
  • Nebenbei kippten die Richter auch noch, wie die Regierung die Berufung von Professoren und deren Probezeiten geregelt hat.

Nicht alles gekippt

Andere beklagte Teile des HöMS-Gesetzes ließ der Staatsgerichtshof unangetastet. So darf das Ministerium wie gewünscht den Kanzler als höchsten Verwaltungsbeamten der Hochschule und auch den für polizeiliche Aufgaben zuständigen Vize-Präsidenten ernennen.

Da das Recht des Ministers zur Ernennung des Präsidenten gekippt wurde, gehe es lediglich um zwei von sechs Posten. Ein zu starker staatlicher Einfluss sei das nicht mehr. Auch Regeln zur studentischen Mitbestimmung und den Leistungsbezügen von Professoren ließen die Richter passieren.

Grenzen für das staatsnahe Kuratorium

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Das gilt auch für die umstrittene Überwachung der Geschäftsführung des Präsidiums durch ein laut Gericht "überwiegend staatsnahes" Kuratorium. Üblicherweise legen Hochschul-Präsidien dem Senat ihren Rechenschaftsbericht vor.

Dass es an der HöMS zwei Kontrollgremien gibt, entspricht laut Staatsgerichtshof dem Charakter der Einrichtung. Außerdem blieben parallel die Kontrollrechte des Senats gewahrt. Die Überwachungsbefugnisse des Kuratoriums seien beschränkt und auch nicht so konkret. Das Gremium dürfe nicht in die Selbstverwaltung der Hochschule eingreifen.

Eine Klage der AfD gegen das HöMS-Gesetz hatte der Staatsgerichtshof kurz zuvor abgewiesen. Da ging es allerdings um das formelle Zustandekommen des Gesetzes im Landtag: Nach Meinung der Fraktion war das Parlament wegen der damaligen Corona-Beschränkungen im Landtag nicht beratungsfähig. Das sahen die Richter anders.

Weitere Informationen

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 13.12.2023, 19.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de