Grüne kritisieren "Parteibuchwirtschaft" Giftiger Streit über neue Beauftragtenstelle für SPD-Politiker

Mit den Menschen im ländlichen Raum meinen es alle Parteien im Landtag gut. Anders ist das mit der hauptamtlichen Beauftragten-Stelle, die SPD-Wirtschaftsminister Mansoori dafür ganz neu geschaffen hat.

Fotot einer Plenarsitzung im hessischen Landtag. Im Vordergrund ein Kameramann an der Seite des Bildes.
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Seit August hat die hessische Landesregierung einen Beauftragten mehr. Der SPD-Politiker Knut John, der bei der Hessen-Wahl im vergangenen Jahr sein Landtagsmandat verlor, trat an dem Tag den Posten als zuständiger Mann für den ländlichen Raum im Wirtschaftsministerium an.

Die am vergangenen Samstag nach mehr als einem Monat von Minister Kaweh Mansoori (SPD) öffentlich bekannt gemachte Personalie führte am Mittwoch im Landtag zu einer teils giftig geführten Debatte. Sie lief vor allem zwischen dem schwarz-roten Regierungslager um Mansoori auf der einen und den oppositionellen Grünen auf der anderen Seite.

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Grüne: "Fröhliche Urstände der Parteibuchwirtschaft"

Der Grünen-Abgeordnete Jürgen Frömmrich befand, nach 25 Jahren in der Opposition und einem Dreivierteljahr in der Regierung feiere offenkundig "die SPD-Parteibuchwirtschaft fröhliche Urstände". An Dreistigkeit sei das Vorgehen nicht zu überbieten.

Der angegriffene Minister konterte mit dem Vorwurf an die Grünen, die vor ihm das Wirtschaftsministerium führten: Der neue Beauftragte werde sich endlich realitätsnah um Probleme kümmern, während andere "hier im Haus beim Sojamilch-Latte-Macchiato philosophieren über Umgehungsstraßen, Autos, Einfamilienhäuser und Erdgasheizungen".

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Metzger, Führungskraft, Beauftragter

Der 61 Jahre alte John aus dem nordhessischen Eschwege ist vom Fach. Er war in den fünf Jahren im Landtag bis 2023 Sprecher der SPD-Fraktion für ländlichen Raum, Landwirtschaft und Forstwirtschaft. Er hat Abitur, einen Meisterbrief als Metzger, ein Diplom in Hauswirtschaftslehre und langjährige Führungserfahrung in der Lebensmittelbranche.

Sein Parteikollege Maximilian Ziegler gab sich in der Debatte sicher: John werde mit "Sachverstand und Blick für die Situation" vorantreiben, was der schwarz-rote Koalitionsvertrag festschreibe. Der ländliche Raum werde in der Regierungspraxis und besonders im Wirtschaftsministerium mehr Beachtung finde als zuvor.

Knut John (SPD)
Der SPD-Politiker Knut John. Bild © SPD/Angelika Aschenbach

An John selbst hat auch Kritiker Frömmrich nichts auszusetzen. Er sieht den SPD-Politiker aber durch die Art und Weise beschädigt, in der ihn dessen Parteifreund und neuer Chef ins Amt gehievt habe. Ihn verwundere die Chuzpe, mit der Mansoori versuche, "parteipolitischer Personalpolitik ein inhaltliches Mäntelchen umzuhängen", sagte der Grüne.

Gleiche Stabsstelle gibt es schon

"Das ist hier nicht die Geschäftsstelle der SPD Hessen-Süd", fügte Frömmrich hinzu, weil Mansoori Vorsitzender dieses Parteibezirks ist. Aus dem Wirtschaftsministerium heißt es, John habe die Stelle nach dem dafür bisher üblichen Verfahren erhalten. Die Stelle ist befristet. Nach Meinung der Grünen lief die Sache aber verdächtig intransparent.

Es gab demnach weder eine Ausschreibung noch ein förmliches Besetzungsverfahren. Und das auch noch bei einem Posten, der völlig überflüssig sei, weil es ihn an einer anderen Stelle schon gebe.

Tatsächlich hat bereits das CDU-geführte Landwirtschaftsministerium eine Stabsstelle für den ländlichen Raum. Dort hatten Kritiker schon bei der Bildung der CDU/SPD-Regierung Anfang dieses Jahres unter dem Stichwort "Etikettenschwindel“ auch alle nennenswerten Kompetenzen für den ländlichen Raum ausgemacht: von der Verteilung der EU-Mittel über die Dorferneuerung bis zum Tourismus.

Es war allerdings Mansooris Wirtschaftsministerium, das bei der Regierungsbildung den neuen Zusatz "ländlicher Raum“ im Titel erhielt. Nun konstatierte FDP-Fraktionschefin Wiebke Knell: "Jetzt steht der ländliche Raum auf dem Klingelschild, ohne dass sich irgendwas ändert."

Kritik an "Inhaltsleere"

"Was soll dieser Beauftragte eigentlich machen?", fragte Grünen-Politiker Frömmrich am Mittwoch rhetorisch. Im Organigramm des Mansoori-Ministeriums gebe es außer dem neuen Beauftragten mit seiner A16-Stelle (Grundgehalt 6.470 bis 8.100 Euro) und einer weiteren Mitarbeiterstelle nichts, was originär mit dem ländlichen Raum zu tun habe.

Außer der Installation des Beauftragten habe der Wirtschaftsminister auch lediglich Inhaltsleere und keine einzige konkrete Maßnahme zu bieten: weder bei der Mobilität noch bei der medizinischen Versorgung oder der beruflichen Bildung. Dabei gebe es einen Aktionsplan der schwarz-grünen Vorgängerregierung. Bis Januar führten die Grünen zehn Jahre neben dem Wirtschaftsministerium das für den ländlichen Raum zuständige Umweltministerium.

FDP: Haben andere Probleme

"Es gibt zahlreiche Probleme in diesem Land, aber zu wenige Stabsstellen in Ministerien gehören nicht dazu", sagte FDP-Fraktionschefin Knell. Die frühere schwarz-grüne Regierung habe die Menschen auf dem Land stiefmütterlich behandelt und den Eindruck erweckt, es "als eine Art Freilichtmuseum betrachtet". Aber CDU und SPD hätten von ihrem "Wahlkampfgetöse" nichts verwirklicht.

Auch laut Knell grenzt ein im Zusammenhang mit der neuen Beauftragtenstelle vorgelegtes Papier über die Förderung des ländlichen Raums "an parlamentarische Arbeitsverweigerung". Statt konkreter Maßnahmen lieferten die Regierungsfraktionen nur blumige Beschreibungen.

Die Grünen und die Eidechsen

Wirtschaftsminister Mansoori hielt dagegen und warf den Grünen eine "völlig polemische Diskussion über Zuständigkeiten" vor. Die Regierung sei aber angetreten, die bisherige Politik zu ändern. Anders als zu Zeiten grüner Regierungsverantwortung will die SPD demnach Förder- oder Infrastrukturprogramme auf Passgenauigkeit überprüfen und Politik "aus der Perspektive der Anwenderinnen und Anwender denken".

Genau darum soll sich der neue Beauftragte mit Lebensnähe und direkten Kontakten kümmern. Mansoori verband die Verteidigung seines Vorgehens mit einem weitere Seitenhieb auf die Grünen: Aus Respekt vor den Lebensentwüfen der Betroffenen werde nun auch danach geschaut, "ob die Dinge bezahlbar sind".

Unterstützung fand Mansoori beim Koalitionspartner. "Wir brauchen mehr von diesen Stabsstellen und nicht weniger", sagte Sebastian Müller (CDU). Im ländlichen Raum sei jede Zuwendung willkommen. Bei der Europapolitik als einem vergleichbar ressortübergreifenden Thema habe ja auch jedes Ministerium eine eigene Stabsstelle.

Quelle: hessenschau.de