AfD-Schub und Grün-Frust So ticken junge Wähler in Hessen
Wie sähe die politische Landkarte in Hessen aus, wenn nur Wähler und Wählerinnen unter 35 Jahren abstimmen dürften? Die Grünen verloren bei Jüngeren enorm, die AfD gewann Stimmen - und zwei Parteien hätten es womöglich noch in den Landtag geschafft.
Bei der letzten Landtagswahl surften die Grünen auf einer Welle des Erfolges bei jungen Wählern unter 25 Jahren: Mit 26 Prozent wurden sie hier stärkste Kraft. Fünf Jahre später ist davon nichts mehr übrig, junge Hessinnen und Hessen wählten CDU und AfD in die Spitzenpositionen - ebenso wie der Rest des Landes.
Wenn das Schicksal Hessens nach dem Wunsch der mehr als 100.000 Erstwähler verlaufen würde, wäre die CDU stärkste Kraft und die AfD an zweiter Stelle, mit einem zentralen Unterschied: Beide Parteien bekamen von Erstwählern deutlich weniger Stimmen als insgesamt in Hessen, die CDU 22 Prozent (hessenweit: 34,6), die AfD 15 Prozent (hessenweit: 18,4).
Nimmt man allerdings alle jungen Wählerinnen und Wähler bis einschließlich 24 Jahre hinzu, erzielte die AfD wie im Landesergebnis rund 18 Prozent - sie legte in dieser Altersgruppe sogar überdurchschnittlich zu.
Harte Landung für Grüne
Von der einstigen Erfolgswelle der Grünen bei Jungwählern 2018 ist nur noch ein leises Plätschern übrig: Am Sonntag beschrieb Ministerpräsidenten-Kandidat Tarek Al-Wazir den Wahlkampf in diesem Jahr als zähes "bergauf kämpfen".
Schmerzhaft bergab ging es am Ende vor allem bei den ganz jungen Wählern zwischen 18 und 24 Jahren: Die Zustimmung für die Grünen ging bei ihnen im Vergleich zur Wahl 2018 um elf Prozentpunkte zurück auf insgesamt 15 Prozent, drei Prozentpunkte hinter der AfD.
Bei den Erstwählern sind es sogar nur 14 Prozent, die die Grünen gewählt haben. Ein überdurchschnittliches Ergebnis erreichten sie noch bei den 25 bis 34-Jährigen mit 17 Prozent, weniger als 2018, aber noch mehr als die 15 Prozent in ganz Hessen.
Kleine Parteien beliebter
Der entgegengesetzte Kurs gilt für die FDP: Die Partei genießt bei Erstwählern mit zehn Prozent sogar doppelt so viel Vertrauen wie bei den restlichen Hessen, bei den 18- 34 Jährigen kommt die Partei von allen Altersgruppen am besten an.
Die Linke wäre - wenn es nach den 18 bis 34-Jährigen ginge - noch im Landtag, die stärkste Zustimmung erhielt die Partei mit acht Prozent von den 18 bis 24-Jährigen im Land.
Neben der Linken hätten auch die Freien Wähler die Fünf Prozent Hürde geschafft, zumindest wenn es nach den 25 bis 34-Jährigen ginge: Sieben Prozent dieser Altersgruppe wollten die Partei im Landtag sehen.
Ciao Volksparteien
SPD und CDU hätten gerne die großen Zeiten als Volksparteien zurück, aber gerade die Jungen wollen da nicht mitziehen: Die CDU ist die Partei der älteren Wähler, in der Altersstufe von 18 bis 24 Jahren sind sie zwar stärkste Kraft, aber liegen mit 21 Prozent insgesamt 14 Prozentpunkte hinter ihrem hessenweiten Wahlergebnis.
Und die AfD klemmt hier dicht dran an der CDU mit einem Abstand von nur drei Prozentpunkten. Hessenweit beträgt der Abstand zwischen Schwarz und Blau immerhin mehr als 15 Prozentpunkte.
Gemessen an allen Altersgruppen, legte die CDU im Vergleich zu 2018 bei den unter 45-Jährigen auch am wenigsten zu: Plus vier Prozentpunkte bei den unter 24-Jährigen und plus 3 Prozentpunkte bei den unter 34-Jährigen.
Bei der SPD ist es ganz ähnlich, je älter die Wähler, desto treuer sind sie der SPD: Das schlechteste Ergebnis hat die SPD mit nur elf Prozent bei den 25- bis 34-Jährigen eingefahren. Die meisten Stimmen kamen von Wählern, die über 60 Jahre alt sind (17 Prozent).
Aber so sehr der alte und voraussichtlich neue Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sich an den Ampelparteien und der SPD-Spitzenkandidatin und Bundesinnenministerin Nancy Faeser abarbeitete, am Ende stimmte etwa jeder Dritte junge Wähler für SPD, Grüne oder FDP. Bei den Erstwählern waren es sogar 38 Prozent.
Läuft bei der AfD
Jung wählt blau: Die AfD gewann hingegen in allen Altersgruppen außer bei den Senioren über 70 Jahren. Die Partei legte stark bei jungen Wählern und Wählerinnen unter 24 Jahren zu (+8). Bei den 35- bis 44-Jährigen ergatterte die Partei sogar 20 Prozent (+7).
Nur bei den 35- bis 44-Jährigen konnte die AfD mit 24 Prozent noch mehr Stimmen holen. Den Schnitt der AfD drücken hessenweit nicht die jungen Leute, sondern mit den über 70-Jährigen die ältesten.
Bei der AfD lässt sich außerdem insgesamt der deutlichste Unterschied zwischen den Geschlechtern feststellen. Sie kommt bei Männern deutlich besser an: Würden Männer allein den Landtag wählen, hätte die AfD in Hessen 22 Prozent, bei Frauen kommt sie nur auf 14 Prozent. Bei keiner anderen Partei gibt es so starke Unterschiede.
Der Wahlabend in Hessen hat deutlich gemacht: Viele jungen Hessinnen und Hessen wünschen sich eine konservativere oder rechtere Ausrichtung der Politik. Jeder fünfte war dafür bereit, mit der AfD eine Partei zu wählen, die offen auch rechtsextreme Positionen vertritt.
Sendung: hr-fernsehen, 9.10.2023, 20.15 Uhr
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