Check zur Landtagswahl Warum immer weniger Landwirte in Hessen auf Bio umstellen möchten

Mehr Tierwohl bedeutet für den Landwirt auch: höhere Kosten. Das stellt viele vor die Frage, ob und wie sie weitermachen. Ein Beispiel aus Nordhessen zeigt, wo die Politik ansetzen könnte.

Schweine stehen in einem Stall
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1.500 Schweine. Jedem Tier steht eine Fläche von mindestens 0,825 Quadratmetern zu, als Beschäftigung gibt es etwas Stroh. So leben die Schweine im Stall von Martin und Jannik Leis aus Volkmarsen (Waldeck-Frankenberg).

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Klimaveränderungen, Gentechnik, Nachfolgeprobleme - vor welchen Herausforderungen steht die Landwirtschaft? Darüber berichtet der hr am 21. September schwerpunktmäßig.

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Seit 37 Jahren führt Martin Leis den Schweinemastbetrieb, er hat ihn von seinem Vater übernommen und dieser von seinem Vater. Vor drei Jahren ist sein Sohn Jannik in den Betrieb eingestiegen, eines Tages wird er ihn übernehmen. Doch ob er den Betrieb in der Form, wie er heute besteht, betreiben wird, ist unklar.

Rechtliche Vorschriften für den Tier- und Umweltschutz sowie gestiegene Erwartungen der Verbraucher stellen Landwirtinnen und Landwirte vor immer neue Herausforderungen. Gleichzeitig zwang der Preisdruck in den vergangenen Jahren vermehrt Bauern zur Aufgabe ihrer Betriebe. Denn dass die meisten Verbraucher Tierwohl befürworten, heißt nicht, dass sie auch bereit sind, dafür zu zahlen.

Bessere Haltung bringt Hürden

Der Hof Leis ist ein konventioneller Betrieb, die Tiere werden in der Haltungsform 2 gehalten. Die Ferkel kommen mit einem Gewicht von rund 25 Kilo an, werden drei Monate gemästet und verlassen den Hof mit 100 Kilo mehr auf den Rippen. Sie stehen die gesamte Zeit im Stall auf einem Vollspaltenboden, einem Betonboden, in den Spalten eingelassen sind.

Jannik und Martin Leis im Stall bei ihren Schweinen
Seit Generationen werden auf dem Hof Leis Schweine gemästet. Bild © Sina Philipps, hr

Für eine höhere Haltungsform müsste Familie Leis das Stallgebäude umbauen, denn sie sieht mindestens einen Offenfrontstall vor. Aber der Stall sei zu alt und könne nur bedingt umgestaltet werden, erklärt Martin Leis.

Vorgaben ändern sich zu oft

Zumal ein neuer Standort her müsste: Durch die Nähe zur Stadt und zum angrenzenden Industriegebiet wären die Emissionen für einen zumindest teiloffenen Stall zu hoch. Ein Neubau wäre einfacher, er könnte so geplant werden, dass der Stall an einer Stelle steht, wo er gut durchlüftet wird. Doch ein komplett neuer Stall würde auch eine große Investition bedeuten – nicht nur wegen der Baukosten, sondern auch wegen der höheren Betriebskosten, erklärt Leis.

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Haltungsform vs. Tierhaltung

Die Angabe zur Haltungsform (1 ist die niedrigste, 4 die höchste) basiert auf einer freiwilligen Initiative mehrerer Discounter. Die Bundesregierung hat eine neue Regelung verabschiedet, die die Tierhaltung in fünf Stufen gliedert. Diese tritt 2024 in Kraft und gilt zunächst nur für Schweinefleisch. Angaben zur Tierhaltung unterliegen dann einer Kennzeichnungspflicht.

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Ein Neubau im Feld versiegele außerdem Fläche, während der alte Stall leer stehe. Hinzukomme, dass sich die Bau-Vorschriften oft ändern würden. "Es muss sicher sein, wenn man jetzt einen Stall der Stufe 3 baut, dass das dann auch eine Zeit lang gilt. Da haben, glaube ich, viele Angst vor, dass sie investieren und es passt nicht", beschreibt Leis.

Nur wenige Landwirte streben Umstellung auf Bio an

Nicht nur Familie Leis zögert bei der Umstellung des Betriebs auf eine höhere Haltungsform. Eine Umfrage des Deutschen Bauernverbands aus dem vergangenen Jahr ergab, dass lediglich rund elf Prozent der Landwirte an einer Umstellung von konventionell auf ökologisch interessiert sind. Noch 2021 waren es rund 20 Prozent.

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Die Werte lassen sich auf Hessen übertragen. Der Hessische Bauernverband sieht hauptsächlich wirtschaftliche Gründe für diesen Rückgang. Beispielsweise werde die Absatzsicherheit als zu gering wahrgenommen. Dennoch bewertet der Verband die Maßnahmen der Landesregierung zur Förderung von ökologischer Landwirtschaft positiv.

Das Land Hessen bietet beispielsweise eine Prämie für Betriebe an, die von konventionell auf ökologisch umstellen wollen. Drei Jahre lang gibt es jährlich 3.000 Euro. Hessen besetze eine Spitzenposition im Vergleich zu anderen Ländern, heißt es von Seiten des Verbandes. Allerdings müsse auch der konventionell-integrierte Bereich bedacht werden. 

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Integrierte Landwirtschaft

In der integrierten Landwirtschaft wird versucht, den Mittelweg aus ökologischer und konventioneller Landwirtschaft zu finden. Die Betriebe sollen maximal ökonomisch sein bei möglichst geringer Umweltbelastung.

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Billigfleisch dominiert im Supermarkt

Obwohl ökologische Landwirtschaft gezielt durch Länder und Bund gefördert wird, überwiegt Fleisch aus Haltungsstufe 1 und 2 im Einzelhandel, wie eine Umfrage von Greenpeace zeigt. Demnach stammen 86 Prozent der Fleischwaren aus diesen Haltungsstufen.

Auch Martin Leis beobachtet dieses Kaufverhalten. "Verbraucher wollen mehr Tierwohl, kaufen an der Theke dann aber doch Billigfleisch", sagt er. Ein Grund mehr, den eigenen Betrieb nicht umzustellen.

Der Hessische Bauernverband betont, dass "ein ausreichendes Einkommen auf den Nutztierhöfen ankommen" muss. Andernfalls rentiere sich Tierhaltung in Zukunft nicht mehr.

Planungssicherheit gefragt

Für Martin Leis wäre es hilfreich, wenn Hürden für Baugenehmigungen nicht so hoch wären und benötigte Genehmigungen schneller kämen. Auch ein stabiler Schweinepreis sei notwendig, um sicher zu gehen, dass die Baukosten wie geplant getilgt werden könnten.

Martin und Jannik Leis vor einem Maisfeld
Ob sie den Schweinestall um- oder neubauen werden, wissen Martin und Jannik Leis noch nicht. Bild © Sina Philipps, hr

Das Gegenteil war zuletzt der Fall: Vergangenes Jahr fiel der Preis für Schweinefleisch mit 1,28 Euro pro Kilo auf einen Tiefstand. Gründe hierfür waren unter anderem der Krieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie. In dieser Zeit hätten einige Schweinemastbetriebe aufgehört, sagt Leis. Inzwischen kostet das Kilo Schweinefleisch rund 2,50 Euro.

Regionale Strukturen stärken

In der Regel werden Gesetze zur Schweinemast und Fleischindustrie zwar auf Bundes- oder EU-Ebene verabschiedet. Doch auch auf der Landesebene kann der finanzielle Druck, dem sich die Landwirte ausgesetzt sehen, beeinflusst werden, wie zum Beispiel die Umbauprämien zeigen. Außerdem kann das Land durch Fördermittel den Bau von Schlachthöfen oder Ferkelzuchten unterstützen. Das würde unter anderem eine regionale Fleischproduktion ermöglichen.

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Der Hessische Bauernverband kritisiert, dass zunehmend regionale Schlachthöfe schließen und Ferkelzuchten den Betrieb einstellen. Dadurch werden die Transportwege länger. Für regionale Strukturen sei das nicht sinnvoll, die neue Landesregierung müsse entsprechend handeln.

In der Praxis wären konkrete Ansprechpartner gut, findet Jannik Leis. "Anlaufstellen, wo man anrufen kann, dass auch mal jemand rausgefahren kommt und sich den Hof anguckt", um bei einem möglichen Umbau zu unterstützen. So könne man alle Optionen besprechen.

Das sagen die Parteien

Die Forderungen von Hof Leis und dem Hessischen Bauernverband finden sich in den Parteiprogrammen wieder. So möchte die CDU unter anderem ein eigenes Ministerium für Land- und Forstwirtschaft schaffen, in Schlachthöfe und deren Modernisierung investieren und "praxistaugliche Regeln für Baugenehmigungen" entwerfen.

Auch die SPD strebt die Förderung von dezentralen Schlachtbetrieben an und möchte familiengeführte Betriebe stärken sowie Förderprogramme auf bürokratischer Ebene vereinfachen. Damit Antragstellende einen guten Überblick über die Möglichkeiten und benötigten Unterlagen erhalten, möchte die FDP eine spezielle Internetplattform einführen.

Kleine, familiengeführte Betriebe sollen ebenfalls laut AfD unterstützt werden. Die Linke beabsichtigt, Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung regionaler Produkte zu fördern sowie Lebendtiertransporte auf vier Stunden beschränken. Außenklimaställe sowie mobile und teilmobile Schlachtung in Hessen zu fördern, sind Vorhaben der Grünen.

Zukunft der Schweinemast auf Hof Leis 

Wie es auf seinem Hof weiter gehen wird, kann Jannik Leis derzeit nicht sagen. Schon jetzt kaufen sein Vater und er Ferkel in Ostdeutschland, weil es in der Nähe keine Ferkelzucht mit passender Haltungsstufe mehr gibt. Der Schlachthof befindet sich im nordrhein-westfälischen Hamm, die Tiere werden als Ferkel und als gemästete Schweine mehr als eine Stunde transportiert.

Jannik Leis fragt sich: "Wie lange kann ich hier Schweine überhaupt noch in der Haltungsform halten? Kann ich den Hof in fünf oder zehn Jahren noch so betreiben?"

Doch auch wenn er sich gegen die Schweinemast entscheiden sollte, hat der junge Landwirt einen Plan. Vor zwei Jahren hat er Legehennen angeschafft und vermarktet inzwischen die Eier der 1.200 Tiere an Supermärkte in der Umgebung.

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Quelle: hessenschau.de