Check zur Landtagswahl Beim Solarausbau hinkt Hessen hinterher
Den Stromverbrauch bis 2045 aus erneuerbaren Energien decken: Ist Hessen auf dem richtigen Weg, um das Ziel zu erreichen? Das Photovoltaik-Potenzial ist längst nicht ausgeschöpft. Und nicht alle Parteien folgen dem Solar-Kurs der Regierung.
Bis 2045 will Hessen klimaneutral sein. Dann soll der komplette Strombedarf so wie alle anderen Energiebedarfe aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. "Dafür müssen wir den Ausbau beschleunigen", räumt Wirtschafts- und Energieminister Tarek Al-Wazir (Grüne) ein.
Am Beispiel Photovoltaik zeigt sich: Obwohl der Ausbau der Stromerzeugung mittels Solarzellen in den vergangenen Jahren rasant zugenommen hat, hinkt Hessen im Bundesvergleich hinterher - auch, was die gesetzlichen Vorgaben betrifft. Hinzu kommt, dass im Jahr 2045 voraussichtlich deutlich mehr Strom gebraucht wird als heute.
So steht es im Einzelnen um den Solarstrom in Hessen:
1. Hessen liegt im hinteren Drittel
Zum Jahresende 2022 waren in Hessen Solarzellen mit einer maximalen Leistung von 3.194 Megawatt installiert. Das reicht immerhin für Rang 10 im Vergleich der Bundesländer, hinter Sachsen und vor Schleswig-Holstein.
Doch auf die Einwohnerzahl umgerechnet landet Hessen damit gerade einmal auf Platz 12. Dahinter liegen nur noch Nordrhein-Westfalen und die Stadtstaaten Bremen, Berlin und Hamburg.
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Auch gemessen an der Landesfläche stehen viele andere Bundesländer besser da. Der Spitzenreiter, das Saarland, erzeugte im vergangenen Jahr pro Quadratmeter doppelt so viel Solarstrom wie Hessen, das in diesem Vergleich auf Platz 13 rutscht.
2. Der Ausbau geht schon schneller, ...
Einen Rekord machte Energieminister Al-Wazir für 2022 aus: Mit rund 25.000 neu in Betrieb genommenen Photovoltaikanlagen habe sich das Tempo seit 2018 verfünffacht. Damals kamen in Hessen nur 4.860 Anlagen hinzu.
Während die installierte Leistung kontinuierlich zunahm, schwankte die Menge des tatsächlich gewonnenen Stroms. Das lag unter anderem am Wetter: Für 2021 zählte der Deutsche Wetterdienst weniger Sonnenstunden als in den Vorjahren.
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3. ... aber der Bedarf steigt auch
Wie viel Strom wird 2045 benötigt? Und wie schnell müsste der Ausbau vonstatten gehen, damit wir in Zukunft nachts nicht im Dunkeln sitzen? Gewiss ist: Wir werden mehr Strom verbrauchen, wenn wir auf Elektroautos und Wärmepumpen umstellen und neue Rechenzentren bauen, die riesige Mengen Energie verschlingen.
Der Forschungsverbund Ariadne unter Leitung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung geht in Modellrechnungen davon aus, dass der Strombedarf in Deutschland bis 2030 um 23 bis 34 Prozent steigen könnte. Bis 2045 könnten es 70 bis 170 Prozent mehr werden, wenn der Strom nicht deutlich effizienter genutzt wird als heute. Für Hessen rechnet die Landesenergieagentur mit einer vergleichbaren Entwicklung.
4. Erst ein kleiner Teil des Stromverbrauchs abgedeckt
Im vergangenen Jahr konnten nach Angaben des Wirtschafts- und Energieministeriums sechs Prozent des Strombedarfs mit in Hessen erzeugtem Solarstrom gedeckt werden. Wenn bis zum Jahr 2030 auf einem Viertel der geeigneten Dächer und Freiflächen in Hessen Photovoltaikanlagen montiert würden, kämen nach Berechnungen der Landesenergieagentur elf Prozent des benötigten Stroms zusammen, also knapp doppelt so viel wie heute.
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Dafür müssten von 2022 an pro Jahr 370 Megawatt zugebaut werden. Um bis 2045 auf gut ein Drittel Solarstrom zu kommen, müssten 950 Megawatt pro Jahr installiert werden. Der größere Teil des Strombedarfs müsste freilich auch dann insbesondere mit Windrädern gedeckt werden.
5. Viel Potenzial bleibt ungenutzt, ...
Die Landesenergieagentur hält einen höheren Solarstromanteil für umsetzbar. Allein mit Solaranlagen auf den Dächern von privaten, öffentlichen und Firmen-Gebäuden in Hessen könnte potenziell das Zehnfache des 2020 erzeugten Solarstroms produziert werden, heißt es in dem Bericht.
Besonders sinnvoll sei es, öffentliche Gebäude, Firmen- und Gewerbedächer mit Solaranlagen auszustatten, schreibt die Landesenergieagentur. Wegen der größeren zusammenhängenden Fläche spare das technischen und finanziellen Aufwand.
6. ... vor allem auf den Dächern
Weil auch die Landwirtschaft auf Flächen angewiesen ist und sich Solaranlagen nicht so schön in denkmalgeschützter Umgebung machen, hält die Landesenergieagentur das Potenzial auf Dachflächen für größer als auf Freiflächen. Trotzdem: Stünden auf 0,5 Prozent der Landesfläche freistehende Solaranlagen, könnte das den Strombedarf bis 2045 zu einem weiteren Zehntel decken. Bisher stehen auf 0,03 Prozent der Landesfläche solche Freiflächenanlagen.
Zusammen mit den Dachflächen sind Solaranlagen auf einer Fläche von 0,12 Prozent des Landes installiert, wie das Energieministerium auf Anfrage mitteilte. Zum Ziel hat die Landesregierung 1,0 Prozent erklärt. Eine Frist legte sie dafür nicht fest.
7. In den Städten geht es langsamer voran als auf dem Land
Photovoltaik auf Freiflächen macht in den meisten Landkreisen nur einen kleinen Teil des erzeugten Solarstroms aus. Ausnahmen sind die nördlichen Landkreise, insbesondere Kassel, und die Wetterau.
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Mit der Bestückung der Dachflächen geht es besonders in den Kreisen Schwalm-Eder, Fulda und Main-Kinzig voran. Schlusslichter sind gemessen an der erzeugten Leistung der Hochtaunus-, der Main-Taunus- und der Rheingau-Taunus-Kreis sowie der Odenwald. Auch in allen kreisfreien Städten - Darmstadt, Frankfurt, Kassel, Offenbach und Wiesbaden - ist noch ein vergleichsweise hoher Anteil an Dachziegeln unbedeckt.
8. Die Solarpflicht ist eher ein Pflichtchen
Verglichen mit anderen Bundesländern kommt die Solarpflicht in Hessen spät und weniger umfassend. Vom 29. November 2023 an müssen neugebaute Parkplätze mit mindestens 50 Stellplätzen mit Solarzellen überdacht werden - das hat der Landtag im vergangenen November beschlossen. Für Gebäude, die dem Land gehören, gilt die Solarpflicht ebenfalls - bei bestehenden Gebäuden aber erst ein Jahr später, ab November 2024.
In anderen Bundesländern gilt die Solarpflicht, anders als in Hessen, auch für private Wohnhäuser. Im Mai 2022 wurde sie in Baden-Württemberg eingeführt, in Bayern folgt sie ab Januar 2025. Auch Berlin, Hamburg und Niedersachsen haben eine Solarpflicht für Wohnhäuser eingeführt.
9. Die Wahlversprechen sind wenig ambitioniert
Soll die Solarpflicht ausgeweitet werden? Dazu haben die Parteien im Landtag unterschiedliche Meinungen. In ihrem Wahlprogramm zur Landtagswahl am 8. Oktober wirbt die Linke mit einer Verschärfung: Die Pflicht soll auf alle Gebäude ausgeweitet werden, binnen fünf Jahren sollen alle solartauglichen Dächer zur Stromerzeugung genutzt werden. So will die Partei das Zubau-Tempo vervierfachen.
Auch die Grünen sprechen sich in ihrem Landtagswahlprogramm für eine Solarpflicht auf den Dächern sämtlicher Neubauten aus. Bauherren sollen dafür vergünstigte Darlehen beziehen können. Auch soll sich das Land mit den Kommunen auf verbindliche Ausbauziele bei der Photovoltaik verständigen.
Die CDU hält an ihrem Ziel, ein Prozent der Landesfläche mit Solaranlagen zu bedecken, fest. Geschehen soll dies vor allem mit Solaranlagen auf Dächern. Testweise will die Partei auch eine Autobahnstrecke mit Solarflächen überspannen, außerdem Felder und Gewässer.
Aus Sicht der SPD sollen vorrangig bereits versiegelte Flächen wie Dächer, Fassaden oder Lärmschutzwände an Autobahnen mit Photovoltaikanlagen versehen werden. An der Solarpflicht für landeseigene Gebäude halten die Sozialdemokraten fest, bis 2030 soll sie umgesetzt sein.
Die FDP möchte Photovoltaik weiter ausbauen, nennt jedoch keine konkreten Ziele. Die AfD will den Ausbau der Solarenergie stoppen und stattdessen neue Kohle- und Kernkraftwerke bauen.