Die Spitzenkandidaten der drei kleineren Parteien im Landtag Zwischen Existenzkampf und Höhenflug
Im Schatten des prominenteren Trios von CDU, SPD und Grünen führen die Spitzenkandidaten von AfD, FDP und Linke ihren ganz eigenen Wahlkampf. Für die einen geht es um die politische Existenz, die anderen stehen trotz Höhenflugs im Abseits.
"Nennen Sie uns einen Spitzenkandidaten im hessischen Landtagswahlkampf" – wäre das die Aufgabe im berühmten Familien-Duell, dann käme das Top-Personal von AfD, FDP und Linke nie und nimmer unter die ersten drei. Dem hr-Hessentrend zufolge sind sie den wenigsten Hessen überhaupt bekannt.
Ob Robert Lambrou (AfD), Stefan Naas (FDP) oder das Linken-Spitzenduo Elisabeth Kula und Jan Schalauske: Politisch trennen sie im Landtag Welten, aber eines haben sie gemeinsam. Sie alle stehen im Schatten des Trios, das für die Wahl am 8. Oktober Ansprüche auf den Ministerpräsidenten-Posten angemeldet hat.
Auf der hohen Umfrage-Welle: Robert Lambrou (AfD)
Die Dominanz von Amtsinhaber Boris Rhein (CDU), seines Wirtschaftsministers Tarek Al-Wazir und der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sind für AfD-Mann Lambrou das geringste Problem. Wenn man seine Partei im Wahlkampf sucht, muss man derzeit relativ weit nach oben schauen.
Und das nicht nur, weil die Wahlplakate der Rechtsaußen-Partei aus Sorge vor Vandalismus oft in luftigen Höhen an den Laternenmasten hängen. Auch in den Umfragen surft die AfD auf einer hohen Welle. Sie kann hoffen, zweitstärkste Kraft zu werden, noch vor SPD und Grünen.
Ob sich die Zustimmung aus Protest oder Überzeugung nährt, spielt für Spitzenkandidat Lambrou keine Rolle. Ebenso wenig, dass alle anderen Parteien eine Regierungsbildung mit der AfD kategorisch ausgeschlossen haben. Mit Lambrou als Fraktionschef ist sie seit 2018 erstmals im Landtag - und das trotz mehrerer Austritte mit verbliebenen 14 Mandaten noch immer stärker als FDP (11) und Linke (9).
Wackersteine in den Main
Der 56-Jährige pflegt für sich und seine Partei gern das Label "bürgerlich-konservativ". In einer Partei, die der hessische Verfassungsschutz als rechtsextremen Prüffall führt, gilt Lambrou als gemäßigt. Im Landesverband gelang ihm zuletzt der Schulterschluss mit dem völkischen Lager. Von Gegnern, auch parteiintern, brachte ihm das den Vorwurf ein, Opportunist zu sein.
Der Wiesbadener ist Sohn eines griechischen Vaters und einer deutschen Mutter. Er sieht sich als lebenden Beweis, wie kosmopolitisch die AfD sei. Medienwirksam verzichtete er nach dem Einzug der AfD vor fünf Jahren auf den Dienstwagen des Landtags, der ihm als Fraktionschef zustand. Begründung: unnötiger Luxus. Ein knappes Jahr später nutzte er ihn doch und nannte Sicherheitsgründe.
Im Wahlkampf tritt Lambrou als Volksvertreter auf, der nur das Wohl der Bürger im Blick hat. In einem Video erklärt er auf einer Bank am Mainufer einer jungen Frau in gutmütigem Ton, warum ihr Rucksack so schwer sei. Die Politik habe ihr schwere Steine wie Inflation, Migration und Energiewende hineingelegt. Übeltäter: vor allem die Grünen.
Wirtschaftsliberaler Posterboy: Stefan Naas (FDP)
Auch FDP-Spitzenkandidat Stefan Naas zielt mit seinem Wahlkampf besonders auf die Grünen. Streit und Fehler der Ampel in Berlin, an der auch die Liberalen beteiligt sind: alles Schuld der Ökopartei. In Hessen wettert der selbst ernannte "Anti-Al-Wazir" gegen den amtierenden grünen Wirtschaftsminister. Er wirft ihm "Effekthascherei" trotz schlechter Bilanz vor – und würde ihn nur zu gerne ablösen.
Der 49-Jährige ist der klassische FDP-Posterboy: Sakko mit Einstecktuch, weißes Strahlelächeln, die rechte Hand beim Sprechen lässig in der Hosentasche. Auch seine Vita passt perfekt: Banklehre, Jura-Studium mit Promotion, anschließend Anstellungen im Finanz- und Wirtschaftsministerium.
Doch landespolitisch ist Naas nicht nur verglichen mit seinem Antipoden Al-Wazir ein Newcomer. Erst seit 2019 sitzt er im Landtag, zuvor war er für die FDP in der Kommunalpolitik aktiv, der nach seinen Worten "schönsten Form der Politik". Knapp zehn Jahre war er Bürgermeister in Steinbach am Taunus.
Zündet der "Flammen"-Slogan noch?
In seiner Rolle als Spitzenkandidat sieht Naas sich als Kümmerer. Er will die hessische Wirtschaft mit Bürokratieabbau, Digitalausbau und Technologieoffenheit auf Vordermann bringen. Denn mit ihm an der Spitze will die Hessen-FDP nach eher sozialliberalen Jahren zurück zu ihrem wirtschaftsliberalen Kern.
Die Wahlkampagne mit dem Slogan "Feuer und Flamme für Hessen" zündete bisher nicht wie gewünscht. Dabei will Naas die FDP zurück in die Regierung führen. Am liebsten mit der CDU, bei Bedarf mit der SPD dazu – nur im Notfall mit den Grünen. Gut möglich, dass die FDP als Königsmacherin gar nicht gebraucht wird. Angesichts magerer Umfragewerte ist sogar der Wiedereinzug in den Landtag in Gefahr.
Ein Schicksal, das die FDP mit der Linkspartei teilen könnte. Hessen ist das letzte westdeutsche Flächenland, in dem sie überhaupt noch im Landtag sitzt – und das ununterbrochen seit 15 Jahren. Bei Umfragewerten von 3 Prozent stemmt sich eine Doppelspitze aus Elisabeth Kula und Jan Schalauske gegen das drohende Aus.
In großen Fußstapfen: Elisabeth Kula und Jan Schalauske (Linke)
Die 33-Jährige und der 42-Jährige haben beide in Marburg Politik studiert und waren dort auch kommunalpolitisch aktiv. Kula ist seit 2019 im Landtag, hat in der kleinen Fraktion als Co-Chefin neben Schalauske einen schnellen Aufstieg hingelegt. Schalauske ist zwei Jahre länger in Wiesbaden. 2015 landete er bei der OB-Wahl in Marburg auf dem dritten Platz.
Beide teilen das Los, an das Erbe von Janine Wissler anknüpfen zu müssen. Als Wissler nach der Bundestagswahl 2021 nach Berlin ging, verlor der Landesverband sein prominentestes Gesicht. Ihre Nachfolger im Fraktionsvorsitz haben es bislang nicht geschafft, sich auch nur annähernd ähnlich bekannt zu machen.
Nicht die Spitzenkandidaten, sondern die Botschaften stehen im Wahlkampf im Mittelpunkt: Die Linke will vor allem die Stimme für soziale Gerechtigkeit in Hessen sein, mit Forderungen nach einer Millionärssteuer, höheren Mindestlöhnen und günstigerem ÖPNV.
Gegenwind und Querelen
Kula macht für die schwachen Umfragewerte ihrer Partei den "Rechtsruck" im Land verantwortlich. Als Partei, "die sich konsequent dagegen stellt", bekomme man viel Gegenwind. Es sind aber nicht zuletzt interne Querelen wie die um Partei-Ikone Sahra Wagenknecht, die der Partei zu schaffen machen.
Ein rot-rot-grünes Bündnis, wie es früher einmal in Hessen greifbar schien: In dieser Situation sind das nichts als theoretische Gedankenspiele. Klappt der Wiedereinzug nicht, hat Schalauske schon einen Plan B: Er will mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen.
Kula hätte mehr Zeit für ihre Thrash-Metal-Band. "Profet" heißt die Gruppe – brauchbare Vorhersagen der Gruppe zum Ergebnis der Linken am 8. Oktober sind aber nicht bekannt.