Bildung, Klima, Miete Was junge Hessen vor der Landtagswahl beschäftigt
Mehr als 100.000 Erstwählerinnen und Erstwähler dürfen in diesem Jahr an der Hessen-Wahl teilnehmen. Warum ist ihnen das wichtig und welche Themen beschäftigen die jungen Wähler besonders? Fünf von ihnen erzählen.
Hätten bei der letzten Landtagswahl die Unter-25-Jährigen entschieden, würde der Landtag heute anders aussehen: Stärkste Fraktion wären mit Abstand die Grünen, gefolgt von CDU und SPD. Linke, FDP und AfD hätten jeweils ein Zehntel der Sitze erhalten und wären damit gleichauf.
Am 8. Oktober dürfen wieder 107.000 Erstwählerinnen und Erstwähler zum ersten Mal an einer landesweiten Wahl teilnehmen. Wir haben mit fünf jungen Wahlberechtigten darüber gesprochen, welche Themen sie zur Landtagswahl besonders bewegen.
Paula Gremm, 19 Jahre alt, Burghaun (Fulda)
"Ich möchte auf jeden Fall wählen gehen, um meinen Teil beizutragen und an der Zukunft des Landes teilzuhaben. Ich habe mich schon ein bisschen mit der Wahl beschäftigt, weiß aber noch nicht, wem ich meine Stimme geben möchte. In Gesprächen mit meinen Freundinnen und Freunden ist die Wahl kaum Thema, aber das liegt auch daran, dass sich mein Freundeskreis generell wenig mit Politik auseinandersetzt. Ich kenne auch Freundeskreise, die total viel darüber reden.
Mich interessiert vor allem das Thema Bildung, weil ich mir dazu viele Fragen stelle: War mein Bildungsweg rückblickend richtig? Will ich eine Ausbildung machen oder studieren? Ich war erst auf der Realschule und habe jetzt die Fachoberschule abgeschlossen. Das ist häufig schlechter angesehen, obwohl ich finde, dass es ein schöner Weg ist, mit weniger Druck als an einem Gymnasium. Jetzt fange ich im Oktober an in Gießen zu studieren.
Gerade wohne ich aber noch sehr ländlich, in Langenschwarz, einem Ortsteil von Burghaun mit 600 Einwohnern. Wir haben uns erst neulich über das Thema Heizungen unterhalten und da gibt es schon einige Unterschiede, was uns auf dem Land und Menschen in der Stadt beschäftigt. Ich habe auch viel mit Leuten aus der Stadt zu tun, die Themen ganz anders sehen. Mir ist wichtig, dass das Leben auf dem Land für meine und ältere Generationen lebenswert bleibt."
Gaston Liepach, 18 Jahre alt, Darmstadt
"Das erste Mal wählen zu dürfen, ist schon etwas Besonderes. Ich habe bisher nur bei der Oberbürgermeisterwahl gewählt, die Landtagswahl ist mit den ganzen Parteien und Direktkandidaten komplizierter. Der Powi-Unterricht hat dabei ein bisschen geholfen.
Ich finde die Bildungspolitik ist das, was die Landtagswahl ausmacht. Darüber rede ich auch viel mit meinen Freunden. Wir sind jeden Tag in der Schule und fragen uns: Was stört uns? Was finden wir gut? Da können wir am besten mitreden. Ansonsten ist die Wahl nicht total präsent, aber wir sprechen schon mal darüber.
Aber zum Thema Bildung bekomme ich als Landesschulsprecher viel von anderen Schülerinnen und Schülern mit. Die Arbeit in der Schülervertretung hat meine Ansicht davon, wie Bildung besser sein könnte, verändert. Große Themen dabei sind die psychische Belastung und dass die Digitalisierung nicht vorangeht. Außerdem ist der Zustand vieler Schulen nicht gut und es ist viel kaputt. Andere präsente Themen wie der Klimawandel spielen denke ich eher bei anderen Wahlen wie der Bundestagswahl eine Rolle."
Juri Kruska, 19 Jahre alt, Frankfurt
"Ich habe noch nie gewählt. Die Landtagswahl ist die erste Wahl, bei der ich vermutlich wählen gehen werde. Ich habe bisher ein bisschen in den Parteiprogrammen gelesen und den Wahl-O-Mat gemacht, aber mehr habe ich mich bisher noch nicht mit der Wahl auseinandergesetzt.
Ein Thema, das mich besonders interessiert, sind die Preissteigerungen. Wir sprechen auch im Freundeskreis viel darüber, dass alles teurer geworden ist. Und dass es krass ist, wie viel Geld in die Ukraine gepumpt wird, wie viele Waffen geliefert werden und dass das im Endeffekt nichts bringt, außer Tote."
Christina Hellwig, 21 Jahre alt, Frankfurt
"Als ich mit 16 Jahren bei der Gemeinderatswahl in meiner Heimat Konstanz das erste Mal wählen durfte, fand ich das supercool. Jetzt wohne ich in Frankfurt und darf zum ersten Mal bei einer hessischen Landtagswahl wählen. Ich finde, das ist ein Privileg.
In meinem Freundeskreis spielt die Wahl bisher noch keine große Rolle, aber wir werden bestimmt noch darüber reden, welche Kandidaten wofür stehen, denn sonst bekommt man manchmal nicht so viel mit. Keiner von meinen Freunden hat eine Tageszeitung abonniert. Das höchste der Gefühle ist, der Tagesschau auf Instagram zu folgen. Aber die Themen spielen natürlich schon eine Rolle.
Besonders beschäftigt mich der bezahlbare Wohnraum. Ich wohne zur Miete und verdiene gerade noch mein eigenes Gehalt als Flugbegleiterin, aber ich fange im Oktober an zu studieren. Als ich den Semesterbeitrag gesehen habe, habe ich ganz schön mit den Ohren geschlackert. Das sind fast 400 Euro.
Wenn ich mal selbst Kinder habe, möchte ich, dass sie eine kostenlose Ganztagsbetreuung bekommen. Ich finde, dass der ÖPNV für den Klimaschutz weiter ausgebaut werden muss. Und bei der Sicherheit muss sich etwas tun. Ich wurde letztens in Frankfurt am helllichten Tag überfallen, mir wurde mein Handy geklaut. Im Dunkeln traue ich mich nicht, alleine nach Hause zu gehen."
Marlon Göbel, 18 Jahre alt, Eiterfeld (Fulda)
"Ich würde mir wünschen, dass Bildung mehr im Vordergrund steht. Ich habe das Gefühl, dass sich da in den letzten Jahren nicht viel getan hat. Man hört immer wieder vom Lehrermangel und auch mit der Digitalisierung und dem WLAN an Schulen geht es nicht voran - genau wie beim ÖPNV. Mir ist Klima- und Umweltschutz sehr wichtig, in Verbindung mit sozialer Gerechtigkeit.
Für mich ist Instagram das Medium, über das ich mich informiere und Nachrichten konsumiere. An meiner Schule belegen wir alle den Politik- und Wirtschaftsleistungkurs. Alle sind irgendwie informiert, das ist eine ziemliche Bubble. Bei mir zu Hause in Eiterfeld bei Fulda, in der ländlichen Gegend, ist das komplett anders.
Dass die AfD in den Umfragen so stark ist, macht mir zwar Angst, aber überrascht mich leider nicht. Ich glaube, dass das auch daran liegt, dass viele Menschen von der Politik enttäuscht sind und sich nicht richtig vertreten fühlen. Man muss mehr mit den Leuten reden und ihre Ängste und Sorgen ernst nehmen. Ich würde mir wünschen, dass mehr junge Menschen ihre Stimme als Chance nutzen, weil wir die sind, die noch am längsten von der Demokratie und einer intakten Umwelt profitieren wollen, nicht unsere Omas und Opas."
Protokolle: Milena Pieper
Ende der weiteren InformationenSendung: hr-iNFO, 15.09.2023, 10.15 Uhr
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