Linken-Spitzenkandidatin Kula "Für die Linke war es in Hessen immer knapp"
Trotz anhaltend niedriger Umfragewerte ist für die Linken-Spitzenkandidatin Elisabeth Kula noch lange nicht ausgemacht, dass ihre Partei aus dem Landtag fliegt. Im Interview gibt sie sich kämpferisch - auch in Bezug auf die AfD.
Die schlechtesten Umfragewerte seit 15 Jahren, Personal, das vielen Wählerinnen und Wählern unbekannt ist, und eine drohende Spaltung durch eine mögliche Parteineugründung von Sahra Wagenknecht - für die Linkspartei könnte die Hessen-Wahl am 8. Oktober zur Existenzfrage werden.
Die Spitzenkandidatin Elisabeth Kula spricht im Interview mit hessenschau.de darüber, warum sie trotzdem zuversichtlich auf den Wahlabend schaut und wieso die Linke ihrer Meinung nach gerade jetzt besonders gebraucht wird.
Die Fragen stellten Danijel Majić und Anja Engelke.
Ende der weiteren Informationenhessenschau.de: Frau Kula, Sie haben schon bei der Bundestagswahl 2021 angesichts des knappen Wiedereinzugs Ihrer Partei ins Parlament von einer Nahtoderfahrung gesprochen. Kommt jetzt in Hessen der Exitus?
Elisabeth Kula: Auf keinen Fall. Wir stehen bei 3 Prozent in den Umfragen. Das kann uns natürlich nicht zufrieden stellen. Aber für die Linke in Hessen war es immer knapp. 2013 standen wir auch kurz vor der Wahl bei 3 Prozent und sind mit 5,1 Prozent eingezogen. 50 Prozent der Wählerinnen und Wähler sind noch unentschieden. Da ist noch alles drin.
hessenschau.de: Aber in den 15 Jahren, die Ihre Partei nun schon im Landtag sitzt, sahen die Umfragen noch nie so schlecht aus. Seit Monaten bleiben Sie unter der Fünf-Prozent-Hürde. Wie wollen Sie das in weniger als drei Wochen noch drehen?
Kula: Wir sind jetzt in der heißen Wahlkampfphase. Bei unseren Veranstaltungen werden wir den Leuten klar machen: Wer wirklich etwas gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck tun will, der muss die Linke wählen. Wie schrecklich wäre es denn, wenn die Parteien der Mitte, die alle austauschbar miteinander regieren können, irgendeine Koalition bilden und nur die AfD wirklich eine Oppositionspartei wäre?
Man kann gar nicht so viele Sozialwohnungen bauen, wie gebraucht werden.Zitat Ende
hessenschau.de: Janine Wissler ist nach Berlin gegangen, Hermann Schaus in den politischen Ruhestand. Zudem hat es mit Torsten Felstehausen ein bekannter Streiter gegen rechts nicht auf die Kandidatenliste geschafft. Sie selbst sind laut hr-Hessentrend 79 Prozent der Befragten nicht bekannt - obwohl Sie Spitzenkandidatin sind. Kann es sein, dass der Linken das profilierte Personal ausgeht?
Kula: Nein, das würde ich nicht sagen. Klar ist, dass es jetzt wenig Zeit war für Jan Schalauske (der Co-Spitzenkandidat der Linken, Anm. d. Red.) und mich, seit Janine Wissler nach Berlin gegangen ist. Dafür sind dann 21 Prozent, die mich kennen, gar nicht so schlecht. Und Frau Wissler ist ja nicht weg, sondern unterstützt uns als Parteivorsitzende.
hessenschau.de: Trotzdem ist Ihnen Frau Wissler in Berlin gerade ja nicht die allergrößte Hilfe, unter anderem wegen des Streits mit Frau Wagenknecht. Sie war auch in die Metoo-Debatte verwickelt. Das schadet Ihnen nicht?
Kula: Natürlich führen wir auch in Hessen die Debatten, die in der Gesamtpartei geführt werden. Aber wir sind hier eine geschlossene Partei, die gemeinschaftlich agiert. Wenn es darauf ankam, haben wir es hier immer geschafft zusammenzuhalten. Und so bestreiten wir jetzt auch diesen Wahlkampf. Die Menschen können sich darauf verlassen, dass es hier eine geeinte Linke gibt, die für ihre Inhalte kämpft.
hessenschau.de: Es scheint aber so, als wäre die Linke im Moment vor allem mit sich selbst beschäftigt: Die mögliche Parteineugründung durch Sahra Wagenknecht, die Metoo-Vorwürfe in Ihrem Landesverband ...
Kula: Ich glaube nicht, dass wir uns zu viel mit uns selbst beschäftigt haben. Wir haben konsequent unsere Arbeit im Landtag gemacht. Viele Menschen, die sich dafür interessieren, wissen auch um die Arbeit, die wir in den Untersuchungsausschüssen gemacht haben. Aber die Breite der Bevölkerung nimmt Politik hauptsächlich über bundespolitische Themen wahr. Dass wir auf Landesebene gute Arbeit geleistet haben, gilt es jetzt im Wahlkampf herauszustellen.
hessenschau.de: Mit Ihren sozialpolitischen Forderungen sorgen Sie jedenfalls nicht für Schlagzeilen.
Kula: Ich habe das Gefühl, dass wir die Einzigen sind, die überhaupt das Thema soziale Gerechtigkeit im Wahlkampf ansprechen: also die Frage, wie Reichtum in Hessen verteilt ist, oder die historisch hohe Armutsquote. Das Problem ist doch, dass die Grünen und die SPD dieses Thema komplett aufgegeben haben und wir da sozusagen die Fahne hochhalten. Auch dazu braucht es die Linke im Landtag.
hessenschau.de: Dann kommen wir doch zu einer Ihrer sozialpolitischen Ideen. Stichwort: bezahlbarer Wohnraum. Sie wollen 50.000 neue Sozialwohnungen schaffen. Wie realistisch sind solche Forderungen in Zeiten von hohen Materialpreisen und Handwerkermangel?
Kula: Unter Tarek Al-Wazir sind 25 Prozent der Sozialwohnungen in Hessen verloren gegangen. Man hat sich schlicht nicht darum gekümmert. Dabei hat mittlerweile fast die Hälfte der hessischen Bevölkerung Anspruch auf geförderten Wohnraum. Man kann also gar nicht so viel bauen, wie wir bräuchten. Daher fordern wir, dass die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften wieder Wohnbestände aufkaufen dürfen.
Ich glaube nicht, dass wir uns zu viel mit uns selbst beschäftigt haben.Zitat Ende
hessenschau.de: Der von Ihnen kritisierte Wirtschaftsminister Al-Wazir hingegen verweist gerne darauf, dass im vergangenen Jahr die Zahl der Sozialwohnungen in Hessen wieder gestiegen ist. Er spricht sogar von einer Trendwende.
Kula: Ehrlich gesagt finde ich das ziemlich lachhaft. Das ist keine Trendwende, sondern Stagnation auf einem sehr, sehr niedrigen Niveau.
hessenschau.de: In Ihrem Wahlprogramm nimmt Klimaschutz viel Raum ein. Ihre Partei hat die Letzte Generation unterstützt, auf der Liste kandidiert mit Barbara Schlemmer eine Ex-Grüne. Fischen Sie jetzt bei den Grünen-Wählern nach Stimmen?
Kula: Nein, es ist doch klar: Der menschengemachte Klimawandel ist da, und wir rennen mitten in die Klimakatastrophe. Das ist kein besonders linkes Thema, sondern einfach Fakt. Was uns auszeichnet, ist, dass wir Klimaschutz wollen, der auch sozial ausgeglichen ist. Da machen die Grünen, finde ich, eben keine gute Figur.
hessenschau.de: Trotzdem trauen Ihnen nur zwei Prozent der Befragten im hr-Hessentrend die bestmögliche Klimapolitik zu. Ist es nicht eher so, dass Ihre Kernwählerschaft Klimapolitik vor allem als Preistreiber wahrnimmt?
Kula: Preissteigerungen würden durch unser Programm erst mal nicht bei den Menschen landen. Fridays for Future haben jetzt ihr Forderungspapier zur Landtagswahl überreicht. Wir sind diejenigen mit der größten Schnittmenge. Unser Programm macht Vorschläge wie beispielsweise eine kostenlose ÖPNV-Nutzung. Das ist ja ein ganz konkreter Beitrag für Klimaschutz und für soziale Gerechtigkeit. Solche Projekte brauchen wir.
hessenschau.de: Sie kritisieren jetzt zum wiederholten Male die Grünen. Die sind ja schon der Hauptgegner für die CDU. Wer ist der Ihrige?
Kula: Als Oppositionspartei im Landtag setzen wir uns mit der schwarz-grünen Landesregierung und deren Arbeit kritisch auseinander. Das ist unser Mandat. Aber selbstverständlich müssen wir auch feststellen, dass die AfD - die ja rechtsextrem und in Teilen faschistisch ist - ein Gegner ist, mit dem wir uns grundsätzlich über die Legislaturperiode hinaus auseinandersetzen müssen.
hessenschau.de: Angenommen, Sie schaffen es in den Landtag - und kurz darauf verkündet Frau Wagenknecht die Gründung ihrer Partei. Was passiert dann?
Kula: Das liegt nicht in meiner Hand. Es passiert, wie es passiert. Für mich ist das ein Ansporn, jetzt noch einmal alles zu geben, die Linke wieder in den hessischen Landtag zu bringen. Alles andere sehen wir nach dem 8. Oktober.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 18.09.2023, 19.30 Uhr
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