Kommunen in Notlage "Leere Taschen" - Beuth kritisiert Faeser nach Flüchtlingsgipfel
Kommunen fühlen sich wie 2015 angesichts der gestiegenen Flüchtlingszahlen überfordert. Nach dem Flüchtlingsgipfel in Berlin übt Hessens Innenminister Beuth Kritik an Bundesinnenministerin Faeser. Sie habe wieder keine konkreten Finanzhilfen geliefert.
Im hessischen Landtag gerieten Nancy Faeser und Peter Beuth früher ständig aneinander. Die SPD-Politikerin als Oppositionsführerin und Innenexpertin, der CDU-Politiker als Innenminister. Beim Flüchtlingsgipfel in Berlin war es am Dienstag in anderer Konstellation wieder so weit.
"Das dient nicht dem sozialen Frieden", sagte Beuth nach dem Treffen von Bundesinnenministerin Faeser mit Vertretern von Bundesländern und Kommunen. Beuth, Sprecher der unionsgeführten Innenministerien, beklagte: Die Vertreter von Kreisen, Städten und Gemeinden kehrten "mit leeren Taschen" zurück.
Unterkünfte für weitere 4.000 Menschen in Immobilien des Bundes und schärfere Kontrollen an der Grenze zu Österreich kündigte Faeser an. Finanzielle Zusagen machte sie nicht. Die Kostenaufteilung soll im November geklärt worden.
Kreise, Städte und Gemeinden schlagen Alarm
Zum Gipfel kam es, weil die Flüchtlingszahlen vor allem infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine stark gestiegen sind. Es kamen aber auch wieder mehr Menschen aus Krisengebieten wie Afghanistan oder Irak. Auch in Hessen schlagen Kommunen Alarm, weil sie mit der Unterbringung überfordert seien und alleingelassen würden.
Zustände wie in den Jahren 2015 und 2016 seien nicht mehr weit, heißt es auch vom Hessischen Städte- und Gemeindebund. Damals wurden Turnhallen zu Notunterkünften gemacht und vor dem Winter Containersiedlungen und Zeltstädte errichtet. Das ist vielfach bereits jetzt wieder der Fall und führt wie in Friedberg zu Kontroversen über Standorte. Zelte gibt es etwa in Bensheim (Bergstraße), Container zum Beispiel in Limburg.
SPD: Es geht nur schrittweise
Nun müssten die Kommunen weiter hoffen, dass den Ankündigungen Faesers auch Taten folgten, kritisierte Beuth. Er lobte einzig, dass seine Amtskollegin aus der Bundesregierung die Gespräche mit den Kommunen aufgenommen habe. Diese warteten schon seit April auf Zusagen, wie der Bund sie bei der Unterbringung von Flüchtlingen aus der Ukraine und anderen Herkunftsländern finanziell unterstützt.
Rückendeckung erhielt Faeser aus der SPD-Landtagsfraktion. Der Gipfel sei ein "guter, erster Schritt" gewesen, hielt die innenpolitische Sprecherin Heike Hofmann in Wiesbaden der Kritik entgegen. Der Bund habe bereits zwei Milliarden Euro an Hilfen zur Verfügung gestellt. Dass die weitere Kostenfrage im November geklärt werde, sei bereits vor dem Gipfel allen Beteiligten bekannt gewesen. Die Aufgabe sei so groß, dass schrittweise vorgegangen werden müsse.
Wo sind die zugesagten Immobilien?
Der Bund stellt laut Faeser 56 weitere Immobilien für die Unterbringung zur Verfügung. Was das für die Bundesländer und Hessen im Besonderen bedeutet, dazu wollte das Bundesinnenministerium am Dienstagnachmittag auf hr-Anfrage keine Angaben machen. Das hessische Innenministerium teilte mit: Man wisse über die Aufteilung der angegebenen 4.000 Plätze in Bundesimmobilien nichts.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar sind nach Angaben des hessischen Innenministeriums insgesamt 80.758 Menschen aus der Ukraine nach Hessen gekommen. Nach EU-Recht stehen ihnen ein vereinfachtes Aufnahmeverfahren ohne Asylantrag für befristete Visa zu. Darüber hinaus wurden in diesem Jahr bislang 12.135 Asylsuchende in Hessen registriert. Im Jahr 2015 kamen von Januar bis Oktober knapp 56.000 Flüchtlinge nach Hessen.
Faeser: Kraftakt wird schwieriger
Bundesinnenministerin Faeser, die auch hessische SPD-Landesvorsitzende ist, bekräftigte die Bereitschaft der deutschen Gesellschaft, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Doch sie gab zu bedenken: "Dieser humanitäre Kraftakt ist immer schwieriger zu bewältigen, je länger dieser furchtbare Krieg anhält."
Unterdessen wird aus Kommunen auch Kritik am Land Hessen laut - wegen der Aufteilung der vom Bund zugewiesenen Flüchtlinge. Kleinen Kommunen wie seiner würden gegenüber großen Städten überproportional viele Geflüchtete zugewiesen, beklagte etwa Domink Brasch, parteiloser Bürgermeister von Bad Soden-Salmünster (Main-Kinzig), gegenüber dem hr. "Da entsteht derzeit eine Unwucht, die wir nicht mehr bewältigen können."
Flucht und Migration Thema im Landtag
Um Flucht und Migration wird es am Donnerstag auch im hessischen Landtag gehen. Die Grünen thematisieren in einer Aktuellen Stunde das von der schwarz-grünen Landesregierung angekündigte hessische Aufnahmeprogramm für 1.000 Menschen aus Afghanistan.
So viele Menschen sollen zusätzlich Zuflucht in Hessen finden. Sie müssen dafür aber Angehörige in Hessen haben, die für den Lebensunterhalt aufkommen. Die AfD will über ihre Forderung nach einem "Aufnahmestopp für Migranten" reden.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 11.10.2022, 19.30 Uhr
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