Gewerbesteuer-Einbruch Marburg beschließt Haushaltssperre wegen Millionen-Rückzahlungen
Marburg muss den Gürtel noch enger schnallen: Weil weitere 41 Millionen Euro Gewerbesteuer an Unternehmen zurückgezahlt werden, gilt nun eine Haushaltssperre – und es dürfen vorerst keine neuen Mitarbeiter eingestellt werden.
Die Stadt Marburg hat schlechte Nachrichten vom Finanzamt erhalten: Für 2024 müssen weitere 41 Millionen Euro Gewerbesteuer an Unternehmen zurückgezahlt werden. Die Erträge der Universitätsstadt brechen damit für 2024 um über 100 Millionen Euro ein. "Die Nachricht kam unerwartet", teilte Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD) am Dienstag mit.
Nachtragshaushalt aufgestellt
Bereits im Sommer hatte die Stadt ihre Steuer-Erwartungen für das laufende Jahr nach unten korrigieren müssen, weil rund 62 Millionen Euro weniger Gewerbesteuer von den Marburger Unternehmen in die Stadtkasse kommen. Im September musste deshalb ein Nachtragshaushalt aufgestellt werden.
Nun folgen bis Jahresende weitere große Gewerbesteuer-Rückzahlungen, die sich den Angaben zufolge auf 41 Millionen Euro summieren. Einen Teil habe die Stadt schon erstattet. Der Rest von 21 Millionen Euro sei ebenfalls noch in diesem Jahr fällig. "Diese Rückzahlungen kann die Stadt aus ihrem 'Sparbuch' begleichen", erklärte Spies.
Weiter Investitionen in Infrastruktur
Bei "derart gravierenden Veränderungen im laufenden Geschäft" müsse eigentlich ein zweiter Nachtragshaushalt erstellt werden, betonte Spies. Anfang Dezember sei das aber allein schon zeitlich nicht mehr möglich. Deshalb müsse die Stadt anders gegensteuern und habe eine Haushaltssperre beschlossen.
Betroffen sind freiwillige Leistungen, die noch nicht beantragt oder noch nicht zugesagt sind. Dagegen sollen alle zugesagten Zuschüsse auch ausgezahlt werden. Investitionen in die Infrastruktur sind von der Haushaltssperre ebenfalls nicht betroffen, wie der Rathauschef weiter sagte. Ebenso wenig sollen etwa Sozialleistungen oder die Personalkosten in der Kultur gekürzt werden.
Stellen dürfen erst nach drei Monaten wiederbesetzt werden
Es dürfen nur noch Mittel für Pflichtaufgaben ausgegeben werden, "für vertraglich zugesicherte oder bewilligte Leistungen sowie für städtische Aufgaben, die 'notwendig, unabweisbar und unaufschiebbar' sind".
Außerdem beinhaltet die Haushaltssperre Wartezeit für neue Stellen. Alle freien und besetzbaren Stellen in der Stadtverwaltung dürfen frühestens nach drei Monaten wiederbesetzt werden. Die Sperre gilt bis zur Genehmigung des Haushalts 2025 durch das Regierungspräsidium Gießen.
Bis 2023 satte Gewerbesteuereinnahmen
Die Finanzlage der Stadt sieht ganz anders als in den vergangenen Jahren: Zwischen 2021 und 2023 hatte sich Marburg noch über satte Gewerbesteuereinnahmen freuen können, allein 2021 waren es rund 480 Millionen Euro.
Rund 80 Prozent davon kamen von der dort ansässigen Pharmaindustrie, wie Oberbürgermeister Spies noch Anfang des Jahres in einem Interview erklärte. Das unter anderem in Marburg ansässige Unternehmen Biontech hat allerdings für die ersten neun Monate des laufenden Jahres einen Nettoverlust von rund 925 Millionen Euro vermeldet.
"Dass der Rekord von über einer Milliarde Euro Gewerbesteuer binnen drei Jahren nicht die Regel ist, wussten wir immer", sagte Spies. Er habe auch immer zur Vorsicht gemahnt. "Nun aber schlägt das Pendel schneller und extremer ins Gegenteil um als erwartet."